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Als Franz II. am 6. August 1806 die Kaiserkrone niederlegte und damit auch das Ende des Heiligen Römischen Reiches besiegelte, tat er dies in Wien, seiner Residenzstadt im äußersten Südosten des Reiches. Gut 1000 Jahre zuvor hatte Karl der Große Aachen zu seiner Lieblingspfalz erkoren. So hatte sich im Verlaufe seines Bestehens offenbar das Zentrum des Reiches, das an antik-römische Traditionen anknüpfte, vom Westen nach Südosten verlagert. Dieses Alte Reich, zu dem lange Zeit auch Italien und Burgund gehörten und dessen Grenzen sich in Mittelalter und Früher Neuzeit mehrfach änderten, hat…mehr

Produktbeschreibung
Als Franz II. am 6. August 1806 die Kaiserkrone niederlegte und damit auch das Ende des Heiligen Römischen Reiches besiegelte, tat er dies in Wien, seiner Residenzstadt im äußersten Südosten des Reiches. Gut 1000 Jahre zuvor hatte Karl der Große Aachen zu seiner Lieblingspfalz erkoren. So hatte sich im Verlaufe seines Bestehens offenbar das Zentrum des Reiches, das an antik-römische Traditionen anknüpfte, vom Westen nach Südosten verlagert. Dieses Alte Reich, zu dem lange Zeit auch Italien und Burgund gehörten und dessen Grenzen sich in Mittelalter und Früher Neuzeit mehrfach änderten, hat seine Faszination bis heute nicht verloren. Welche Landschaften und Orte im Laufe seiner Geschichte eine besondere Rolle spielten, veranschaulicht dieser reich bebilderte Überblick. Die Reise führt von Aachen nach Wien, rheinaufwärts und donauabwärts, vom Mittelmeer bis an die Ostsee. Anhand seiner Schauplätze verfolgen die Autoren Entstehung und Entwicklung des Reiches: Aachen als Krönungsort, Frankfurt am Main als Wahlort, Regensburg als Sitz des Reichstags. Besucht werden ferner Orte wie Nürnberg, Prag oder Wien, an denen sich Könige und Kaiser häufig aufhielten. An zahlreichen weiteren Stätten werden andere bedeutende, aber auch weniger bedeutende Ereignisse der Reichsgeschichte aufgespürt. In Texten und Bildern entwirft der Band eine Gesamtansicht des imperialen Gebildes, das erst seit dem 12. Jahrhundert »Heiliges Römisches Reich« hieß und den Zusatz »deutscher Nation« dann im späten 15. Jahrhundert erhielt.
Autorenporträt
Klaus Herbers, geb. 1951, ist Professor für Mittelalterliche Geschichte in Erlangen/Nürnberg und einer der führenden deutschen Mediävisten zu den Themen Papsttum, spanische Geschichte und zum Jacobus-Kult.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2006

An den Ursprungsorten der Deutschen
Klaus Herbers und Helmut Neuhaus besuchen Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte

Dieses Buch ist eine detektivische Meisterleistung: Es macht mit großem Spürsinn alle Orte ausfindig, die für die Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches von Bedeutung waren. Doch wo sind die Schauplätze des Gelingens und wo die Schauplätze des Scheiterns?

Das einzige, was am Heiligen Römischen Reich eindeutig erscheint, ist sein Todestag: der 6. August 1806. Kaiser Franz II. beugte sich damals dem Druck von Napoleon, legte die Krone nieder und sah "den Staatskörper" als aufgelöst an. Für die letzten Herrscher war es ohnehin schon längst schwierig geworden, überhaupt noch zu verstehen, was das überlieferte politische Gebilde, dessen Krone sie trugen, eigentlich bedeute. Um 1767/68 hatte Kaiser Joseph II. an seinen jüngeren Bruder Leopold geschrieben, daß das "System des Heiligen Römischen Reiches . . . nur in Büchern" existiere.

Klaus Herbers und Helmut Neuhaus legen eine neue Studie vor, um Licht ins Dunkel zu bringen. Nicht nur durch den Titel ihres Werkes, "Das Heilige Römische Reich. Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte", auch durch die Erläuterungen in der "Einführung" verknüpfen sie ihre Arbeit mit jener aktuellen Geschichtswissenschaft, die "nach den ,lieux de mémoire', den Erinnerungsorten", fragt. Bekanntlich hatte Pierre Nora unter diesem Stichwort ein vielbeachtetes Werk über die französische Geschichte herausgegeben. Etienne François und Hagen Schulze folgten diesem Beispiel und publizierten die Sammelbände "Deutsche Erinnerungsorte". Der Begriff des Ortes wurde da wie dort weit gefaßt, erstreckte sich auf Denkmäler, Biographien, künstlerische Werke, Residenzen oder Städte. Herbers und Neuhaus versprechen ihrerseits ein topographisches Konzept: "Um Orte und Räume geht es in diesem Buch."

Erstaunt stellt man fest, daß die Autoren mit dieser Vorgehensweise eigentlich doch nicht viel am Hut haben. Sie legen eine konventionelle Totalgeschichte vor, die in chronologischer Folge die Haupt- und Staatsaktionen der Könige und Kaiser darbietet, dabei die Kriege und Dynastiewechsel, die Verschiebung der Machtzentren und äußeren Grenzen beschreibt. Das innere, geistige Gefüge, das kulturelle Erbe des Heiligen Römischen Reiches wird kaum behandelt. Mögliche ideelle "Erinnerungsorte" oder "Schauplätze" wie frühmittelalterliche Biographien über fürstliche Magnaten, hochmittelalterliche Epen und Dichter, ethische Kategorien, ästhetische Gesichtspunkte, Kirchen und Städte, das verfeinerte Hofleben oder das barocke Musikleben: alle diese Dinge bleiben unterbelichtet. Offensichtlich soll ein traditionelles Geschichtsmodell mit modischen Schlagworten einen modernen Anstrich erhalten.

Wer sich nicht daran stört, daß Untertitel und Einführung mißverständliche Fährten legen, kann durchaus Vorzüge des Werkes kennenlernen. Herbers und Neuhaus gehen weit in die Geschichte zurück, um den schillernden Namen des "Heiligen Römischen Reiches" von seiner Wurzel her verständlich zu machen. Die ersten Kapitel sind am instruktivsten und beginnen mit dem Fränkischen Reich unter Karl dem Großen. Dem Herrscher war es nicht nur gelungen, im östlichen Teil seiner Machtzone die Kerngebiete des späteren Deutschen Reiches zum erstenmal zu vereinen, er brachte es auch fertig, im nachantiken westlichen Europa einen politischen Verband zu schaffen, der sich diesseits und jenseits der Alpen erstreckte und in seiner imperialen Größe ansatzweise an das alte römische Reich erinnerte. Der Papst verbündete sich mit dem fränkischen König, krönte ihn im Jahr 800 in Rom zum Kaiser und gab dem neuen Imperium eine sakrale Würde. Das westliche Europa wuchs zusammen und trat gegenüber dem östlichen Kaiser in Byzanz selbständig auf.

Herbers und Neuhaus verwenden den Begriff des Ortes in seiner gewöhnlichen, begrenzten Bedeutung und erklären Rom, den kaiserlichen Krönungsort, zum ersten bedeutenden Schauplatz des neuen westlichen Imperiums. Sie gehen kaum auf die Stadt selbst ein, kümmern sich nicht recht um den Genius loci, zeigen lediglich ein Bild, auf dem die alte Petersbasilika rekonstruiert ist. Aachen, das Karl der Große nördlich der Alpen zu seiner Hauptresidenz ausbaute, wird als zweiter wichtiger Ort des Reiches genannt, wobei auch dieser "Schauplatz" nicht näher vorgestellt wird. Man erfährt zu wenig von den Ideen einer neuen Kultur, die die Hofgelehrten dem Kaiser vortrugen. Die begleitende schwarzweiße Abbildung wirkt beliebig. Man sieht eine Stadtansicht von Aachen aus dem Jahr 1640.

Obwohl das Reich von Karl dem Großen keinen Bestand hatte, blieb die Vorstellung vom westlichen Kaisertum erhalten. Als seine Enkel im Jahr 843 das fränkische Imperium unter sich aufteilten, wurden gleichzeitig die Weichen für einen Neuanfang des transalpinen Reiches gestellt. Es entstand bei der Teilung unter anderem das Ostfränkische Reich, jenes Machtgebiet, das später die deutschen Kernlande darstellte und bald das Anrecht erwarb, daß seine Könige nun von den Päpsten zum Kaiser gekrönt wurden. Der erste Regent war Ludwig, der in der Forschung später König Ludwig der Deutsche genannt wurde, obwohl von Deutschen im neunten Jahrhundert noch nicht die Rede war.

Ludwig machte Frankfurt am Main zu seiner Hauptresidenz. Der Ort war in der Tat ein natürlicher Mittelpunkt des neuen Ostfränkischen Reiches, doch schon unter den nächsten Herrschern verschoben sich die geographischen Gewichte wieder. König Arnulf zog Regensburg als Lieblingspfalz vor. Offenkundig sollte das frühe Hin und Her der Machtzentren symptomatisch werden für die nachmaligen deutschen Lande, die schwerlich zu einer wahren Mitte fanden. Die frühe Geschichte der Deutschen präsentiert sich unter der Feder von Herbers und Neuhaus als ein Geschehen unaufhörlicher geographischer Machtverschiebungen, doch die Autoren unterlassen es, ihren Befund zu deuten. Sie gehen kaum auf das Problem ein, daß örtliche Traditionslinien hierzulande immer wieder abrissen und die königliche Regentschaft erschwerten.

Als die Karolinger im Ostfränkischen Reich ausstarben und bald mit Heinrich I. ein Sachse die Königswürde errang, stieg Quedlinburg zu einem Hauptort auf. Sein Sohn, Otto I., nahm wieder Bezug auf Karl den Großen, ließ sich im Jahr 936 in Aachen zum König krönen und förderte gleichzeitig den Ausbau von Magdeburg zu einem "zweiten Rom", während er in Rom selbst im Jahr 963 zum Kaiser gekrönt wurde. Von nun an bildete das nordalpine Ostfränkische Reich den Schwerpunkt des Imperiums, zu dem ebenso Italien und kurz nach der Jahrtausendwende auch Burgund gehörten.

Es wird gut dargestellt, wie die unterschiedlichen Reiche auseinander hervorgingen: das Fränkische, das Ostfränkische, das Deutsche und das Heilige Römische Reich. Im elften Jahrhundert wollte es Papst Gregor VII. dem König nördlich der Alpen, Heinrich IV., nicht länger zubilligen, sich in fränkischer Tradition zu sehen und den Kaisertitel zu beanspruchen. Der Papst nannte ihn nicht mehr "König der Ostfranken", sondern "König der Deutschen", der seine Herrschaft gefälligst auf das Gebiet nördlich der Alpen beschränken möge. Das "Ostfränkische Reich" wurde in "Deutsches Reich" umgetauft, das sich selbst aber weiterhin als Kerngebiet des Imperiums verstand. Im zwölften Jahrhundert sprach man am Hof von Kaiser Friedrich Barbarossa vom "Heiligen Römischen Reich", um an der Zusammengehörigkeit von Deutschland, Italien und Burgund keinen Zweifel zu lassen.

Die doppelte Aufgabe der Regenten, Könige der Deutschen und Kaiser des Imperiums zu sein, schuf eine diffuse Situation. Die Könige und Kaiser konnten weder da noch dort eine monarchisch-zentralistische Herrschaft errichten, büßten allmählich ihren Einfluß auf Italien und Burgund ein und mußten nördlich der Alpen ihre Macht mit den Landesfürsten teilen, die ihrerseits eine ständisch-föderale Verfassung des Reiches wünschten. Um 1500 sprach man vom "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation", weil sich der Geltungsbereich des Kaisers faktisch nur noch auf die deutschen Lande erstreckte. Je mehr sich das Buch dem Ende des Reiches nähert, desto mehr erscheint die deutsche Vergangenheit als eine Verfallsgeschichte. Die Autoren beißen sich an der eingeschränkten Handlungsfähigkeit des Kaisers fest, während in Wahrheit viele Territorialstaaten eine bemerkenswerte kulturelle Blüte entfalteten.

Herbers und Neuhaus machen mit regelrecht detektivischer Verve alle Orte ausfindig, die für die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von Bedeutung waren. Doch hätte man gerne genauere Auskunft darüber erhalten, wo die Schauplätze des Gelingens und wo die Schauplätze des Scheiterns im Heiligen Römischen Reich lagen.

ERWIN SEITZ

Klaus Herbers und Helmut Neuhaus: "Das Heilige Römische Reich". Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806). Böhlau Verlag, Köln 2005. 343 S., geb., 44,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Autoren haben einen "guten Gedanken" gut umgesetzt, lobt Rezensent Harm Klueting. Nicht die Chronologie des Reiches von 843 bis 1806, sondern seine "Schauplätze" bildeten die Ordnungsstruktur des Bandes. Der Leser könne sich dank der vielen Abbildungen der Geschichte blätternd nähern, von Ort zu Ort. Aber auch gelesen hinterlasse das Buch einen profunden Eindruck. Ganz nebenbei umgehe solche Art der Geschichtsdarstellung auch den unterschiedlichen Perspektiven der österreichischen und bundesdeutschen Geschichtswissenschaft. Für das 17. und 18. Jahrhundert sprächen beide Seiten von verschiedenen "Reichen", wenn sie vom "alten Reich" sprächen. Aus österreichischer Sicht sei damit das Habsburgerreich vom Hochrhein bis in die Karpaten gemeint.

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