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Die bahnbrechende Edition des Ehebriefwechsels innerhalb der Großen Brandenburger Fontane-Ausgabe hat das Interesse eines breiten Publikums an Schicksal und Persönlichkeit Emilie Fontanes geb. Rouanet-Kummer (1824-1902) geweckt. Bisher vor allem als Ehefrau, Mutter mehrerer Kinder und Kopistin im "Schriftstellerladen" ihres Mannes wahrgenommen, tritt sie jetzt aus dem Schatten und gewinnt Tiefenschärfe und Plastizität. Auf eindrucksvolle Weise führt uns der Biograph durch das Auf und Ab dieses romanhaften Lebens. Aus der Grunderfahrung einer unbehüteten Kindheit und einer ziellosen Jugend…mehr

Produktbeschreibung
Die bahnbrechende Edition des Ehebriefwechsels innerhalb der Großen Brandenburger Fontane-Ausgabe hat das Interesse eines breiten Publikums an Schicksal und Persönlichkeit Emilie Fontanes geb. Rouanet-Kummer (1824-1902) geweckt. Bisher vor allem als Ehefrau, Mutter mehrerer Kinder und Kopistin im "Schriftstellerladen" ihres Mannes wahrgenommen, tritt sie jetzt aus dem Schatten und gewinnt Tiefenschärfe und Plastizität. Auf eindrucksvolle Weise führt uns der Biograph durch das Auf und Ab dieses romanhaften Lebens. Aus der Grunderfahrung einer unbehüteten Kindheit und einer ziellosen Jugend entsteht in der jungen Frau das unabweisbare Verlangen nach Sicherheit und familiärer Geborgenheit. Aber gerade das kann ihr der mittellose Journalist und Literat Fontane nicht bieten. Die nach langer Verlobungszeit geschlossene Ehe beschert ihr auf Jahre ein unstetes Leben am Rande der Armut. Erst mit der Stabilisierung von Fontanes schriftstellerischer Existenz entspannt sich die familiäre Situation in materieller und emotionaler Hinsicht. Trotz aller Schicksalsschläge wächst die Gewißheit, ein bevorzugtes Leben zu führen.
"Die besten Gardebataillone der Menschheit sind die Toten, die, biographisch wiederbelebt, unter uns wandeln. Es sind nicht Schemen. Umgekehrt, sie haben den wahren Lebensodem." Fontane an Paul Schlenther, 28. April 1894
Mit geübter Hand und kundigem Blick führt uns Gotthard Erler durch die abenteuerliche Biographie dieser Frau, die trotz aller Schicksalsschläge davon überzeugt war, ein bevorzugtes Leben geführt zu haben. Aus unsicheren Verhältnissen stammend und ohne den Schutz einer intakten Familie aufgewachsen, durchlebte Emilie Fontane geb. Rouanet-Kummer an der Seite ihres Mannes Höhen und Tiefen. Ihr kommunikatives Naturell und ein ausgesprochenes Talent zur Freundschaft halfen ihr über viele krisenhafte Situationen hinweg. Die Geschichte dieser vielseitigen Frau eröffnet Innenansichten, die Mitlebenden wie Nachwelt im allgemeinen verschlossensind.
Autorenporträt
Gotthard Erler, geb. 1933 in Meerane/Sachsen, Studium der Germanistik in Leipzig, u.a. bei Hans Mayer und Hermann August Korff, seit 1964 leitender Mitarbeiter des Aufbau-Verlages und dessen Geschäftsführer von 1990-98, lebt in Berlin. Gotthard Erler ist Herausgeber auf dem Gebiet der Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002

Durchs Leben geschritten und gestritten
Gotthard Erler versteht Emilie Fontane / Von Ernst Osterkamp

Ein ernstes Leben: geboren als uneheliches Kind einer Pfarrerswitwe; nach der Taufe Verwandten in einem Provinzstädtchen anvertraut; als Dreijährige per Zeitungsannonce kinderlosen Ehepaaren zur Adoption angeboten; nach einer an Demütigungen nicht armen Jugendzeit Verlöbnis mit einem Apotheker, dem die wirtschaftliche Basis zur Familiengründung fehlt; fünf "sehnsuchtskrank" verbrachte Verlobungsjahre, die der Künftige dazu nutzt, fern von der Braut zwei illegitime Sprößlinge in die Welt zu setzen; endlich die Eheschließung mit dem geliebten Mann, der sich aber nun als unfähig erweist, sich auf einen Brotberuf einzulassen, und sich lieber seinen künstlerischen Neigungen hingibt; Armut und Schulden als Resultat, während Kind auf Kind geboren wird, sieben insgesamt, von denen drei früh sterben; nach Jahrzehnten wirtschaftlicher Unsicherheit "der erste wirkliche Erfolg" des Ehemanns, aber da ist es fast schon zu spät: er 75, sie 70 Jahre alt, der älteste Sohn schon seit Jahren tot, die einzige Tochter, zu psychosomatischen Störungen neigend, noch immer nicht aus dem Hause. Ein Frauenleben im neunzehnten Jahrhundert, das Leben der Emilie Fontane.

Man kann die Geschichte natürlich auch ganz anders erzählen, etwa nach dem bewährten "Aus der Nacht zum Licht"-Muster. Das wäre dann die Geschichte einer Frau, die das Leben aus obskurer Herkunft an die Seite eines der größten deutschen Erzähler gehoben und der es damit die relative Unsterblichkeit "als Gattin des trefflichen, unvergeßlichen Dichters" beschert hätte, von der schon die Nachrufprosa aus Anlaß von Emilie Fontanes Tod schwärmte. Es ist dies die übliche erzählerische Gebärde eines literarischen Triumphalismus, der jedes weibliche Lebensopfer als Voraussetzung des künstlerischen Werks großer Männer hinnimmt und rechtfertigt.

Gotthard Erler aber erzählt die Biographie Emilie Fontanes als ein ernstes Leben. Das heißt: er nimmt die Frau, die achtundvierzig Jahre lang Theodor Fontanes Leben organisiert hat, in ihren eigenen Hoffnungen, Ängsten, Wünschen, Kümmernissen, Schmerzen ernst. Erlers Biographie bezieht auch deshalb entschieden Position, weil sie im Grunde eine große Ausfaltung und Fortsetzung von Emilies eigenem Versuch ist, ihr Leben zu erzählen. Im Herbst 1858, in den Londoner Jahren, schreibt Emilie den Anfang einer Autobiographie nieder; das Fragment dieser "Jugendnovelle" ist im Anhang abgedruckt. Mit diesem Text, in dem sie von sich selbst im objektivierenden Duktus als Emilie, nicht als Ich spricht, versucht sie sich die Traumata ihrer Kinderjahre von der Seele zu schreiben.

So wirkten denn all diese Verlustängste und Geborgenheitssehnsüchte in der komplizierten Ehe mit Theodor Fontane fort, der ihr gerade das nicht geben konnte, wonach sie sich am meisten sehnte: Sicherheit, lebensgeschichtliche Stabilität über den Tag hinaus. Wie tief hier die Wunden waren, zeigen die schweren Ehekrisen im Jahre 1870, als Fontane seine ungeliebte Stellung bei der "Kreuzzeitung" kündigte, und vor allem im Jahre 1876, als er nach wenigen Monaten sein Amt als Erster Sekretär der Akademie der Künste niederlegte; Emilie reagierte mit heftigen Vorwürfen und einer tiefen Depression, und Fontane beklagte sich über mangelndes Verständnis für seinen Wunsch, als Schriftsteller zu leben.

Emilie hatte in ihrer Kindheit in zu viele Abgründe blicken müssen, um mit der Fontaneschen Maxime "Sicherheit is nicht" leichten Herzens leben zu können. Welche Hypothek dies für ihre Ehe bedeutet hat, zeigt beispielhaft eine Wendung in einem Brief, den sie 1886 an die Braut ihres Sohnes Theo richtete: "fast fing mit dem beglückenden gegenseitigen ,Ja' die Schwere des Lebens an." Als sie dies schrieb, war sie schon sechsunddreißig Jahre lang verheiratet, und so fuhr sie fort: "aber gereut hat es uns nie, u. tapfer sind wir durchs Leben geschritten u. gestritten, um einen Lebensabend zu haben, an dem jeder Tag uns zu haben eine dankbare Freude ist."

Das ist das "Wir" aus jenen Jahren, als Emilie längst zur wichtigsten Gehilfin ihres Mannes auch in literarischen Angelegenheiten geworden war. Erler befreit sie für immer von dem Klischee quengelnder Verständnislosigkeit für den Künstlergatten, indem er die biographischen Ursprünge ihrer Ängste und die realen Gründe für ihre Sorgen offenlegt und ihr dabei sooft wie möglich selbst das Wort erteilt. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die 1998 erschienene Fontanesche Ehekorrespondenz, deren Erfolg ihren Herausgeber wohl zu dieser Biographie angeregt hat, von einer markanten Asymmetrie in der Verteilung der Stimmen gekennzeichnet ist; Emilie hat viele ihrer Briefe vernichtet, und so stammen nur rund 180 der 751 Briefe von ihr. Erler hat etwa 300 weitere meist ungedruckte Briefe Emilie Fontanes ausgewertet und zitiert extensiv aus ihnen. Das verleiht freilich dieser Biographie, die nicht von vielen äußeren Sensationen berichtet, auch eine gewisse erzählerische Sprödigkeit.

Insgesamt aber entsteht das eindrucksvolle Porträt einer tapferen und großmütigen, bei allen Ängsten und Sorgen wagemutigen, geistig neugierigen, für neue Entwicklungen in Literatur, Theater und Kunst aufgeschlossenen Frau, der ihr Mann, wie er am Ende wohl wußte, kein leichtes Leben hat bereiten können. An Achtung für Emilie Fontane wird es dank Gotthard Erler fortan nicht mehr fehlen, und so wollen wir in die Bewunderung für Emilie Fontane, die es geschafft hat, fünf Jahrzehnte in "kritischer Harmonie" mit Theodor Fontane zu verbringen, diejenige für ihren Biographen einschließen.

Gotthard Erler: "Das Herz bleibt immer jung. Emilie Fontane". Biographie. Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 460 S., geb., 25,-

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