„Das Herz der verlorenen Dinge“ ist für Tad Williams-Verhältnisse ziemlich kurz. Seine übrigen Werke zählen gerne mal bis zu 1000 Seiten. Das hat mich anfangs etwas stutzig gemacht und enttäuscht, denn wie kann ich bei nur so wenigen Seiten so tief in die Geschichte eintauchen, wie ich es bei dem
Autor gewohnt bin? Doch muss man dabei berücksichtigen, dass es sich um einen Zwischenband handelt,…mehr„Das Herz der verlorenen Dinge“ ist für Tad Williams-Verhältnisse ziemlich kurz. Seine übrigen Werke zählen gerne mal bis zu 1000 Seiten. Das hat mich anfangs etwas stutzig gemacht und enttäuscht, denn wie kann ich bei nur so wenigen Seiten so tief in die Geschichte eintauchen, wie ich es bei dem Autor gewohnt bin? Doch muss man dabei berücksichtigen, dass es sich um einen Zwischenband handelt, der lediglich einen Aspekt aufgreift, der am Ende der Osten Ard-Reihe vielleicht nicht den nötigen Abschluss gefunden hat. Auch dient „Das Herz der verlorenen Dinge“ als Brückenschlag zwischen der alten und der neuen Reihe, die im September mit Erscheinen des ersten Bandes beginnen wird.
Die Geschichte beginnt fast unmittelbar nach dem Sieg der Menschen gegen die Nornen. Doch der Rückzug der Nornen gestaltet sich alles andere als friedlich und Herzog Isgrimnur und seine Männer können natürlich nicht tatenlos zusehen, wie unschuldige Menschen getötet werden. Sie sehen sich gezwungen, erneut die Verfolgung aufzunehmen, bis in die Heimat der Nornen im hohen Norden des Landes, wo sie sie ein für allemal vernichten wollen.
Tad Williams entführte mich mit seinen sehr detaillierten Beschreibungen in den rauen und wilden Norden von Rimmersgard. Dort prägen Kämpfe, Tod und frostige Kälte den Alltag. Beide Seiten kämpfen erbittert und sind bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Die Stimmung riss mich mit, vor allem durch die neu hinzugekommene Perspektive des Krieges aus Sicht der Nornen. Dadurch wird „Das Herz der verlorenen Dinge“ gewohnt vielschichtig.
Das einzige, was mich anfangs enttäuschte war, dass Simon und Miriamel keine größere Rolle in der Geschichte zugedacht ist. Beide waren für mich das Herzstück der alten Reihe. Auch weitere bekannte Charaktere vermisste ich schmerzlich. Doch andere, neue Charaktere machten diesen „Verlust“ etwas wett, allen voran Porto und Viyeeki. Außerdem, das verrät ein Auszug aus „Die Hexenholzkrone 1“, begegnen wir Miriamel und Simon schon bald wieder.
Charaktere
Tad Williams schreibt nicht nur eine Geschichte über eine Person, sondern über eine Vielzahl an Charakteren. Zwar gibt es immer jemanden, der die Rolle des Protagonisten verkörpert, doch viele andere Charaktere sind beinahe genauso gut angelegt und ebenso essentiell für die Entwicklung. Das Besondere ist, dass die Komplexität nicht im mindesten stört, sondern im Gegenteil den Weltentwurf umso realistischer anmuten lässt.
In „Das Herz der verlorenen Dinge“ hat Tad Williams nicht auf die gleiche Masse an Charakteren zurückgreifen können. Das erlaubt die Länge des Buches einfach nicht. Doch es treten doch einige Charaktere auf, deren Wege ich gerne mitverfolgte. Allen voran Herzog Isgrimnur, der den Kampf gegen die Nornen souverän anführt, Porto und Endri aus dem warmen Süden, die unvorbereitet in die Kämpfe hineingeraten, und Viyeki von den Nornen, der dem Orden der Baumeister angehört. Ich würde mich freuen, in der neuen Reihe mehr von ihnen zu lesen.
Fazit
In meiner Jugend habe ich einen Großteil meiner Zeit sozusagen in Osten Ard verbracht. Daher steht nicht zur Debatte, ob mich „Das Herz der verlorenen Dinge“ überzeugen konnte. Natürlich konnte es das! Ich war sofort wieder in dieser sagenumwobenen, kämpferischen und magischen Welt angekommen, als wären keine 20 Jahre ins Land gezogen. Zudem habe ich mich sehr über neue Perspektiven und interessante Erkenntnisse freuen.
Für alle, die mit „Das Geheimnis der Großen Schwerter 1-4“ nicht vertraut sind, empfehle ich aber vorab das Lesen dieser ersten Reihe. Zwar ist „Das Herz der verlorenen Dinge“ in sich abgeschlossen, doch Williams nimmt häufig Bezug auf vergangene Ereignisse. Für alle „alten Hasen“ jedoch eine ganz klare Empfehlung, denn dieses Buch macht Lust auf mehr. Willkommen zurück in Osten Ard!