Im fünften Band ihrer Romanreihe “Ein Schluck Liebe” führt uns die bekannte Romanautorin Lotte A. Wöss (u.a. “Die Frau auf Sylt”, “Kaltblütige Abrechnung”) wieder zu Familie Schluck, Apfelbauern im Alten Land. Das fröhlich und stimmungsvoll gestaltete Cover, das perfekt zu den Vorgängerromanen
dieser Serie passt und einen hohen Wiedererkennungswert hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich…mehrIm fünften Band ihrer Romanreihe “Ein Schluck Liebe” führt uns die bekannte Romanautorin Lotte A. Wöss (u.a. “Die Frau auf Sylt”, “Kaltblütige Abrechnung”) wieder zu Familie Schluck, Apfelbauern im Alten Land. Das fröhlich und stimmungsvoll gestaltete Cover, das perfekt zu den Vorgängerromanen dieser Serie passt und einen hohen Wiedererkennungswert hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dahinter ein einfühlsamer und lebensnaher Roman verbirgt, der sich nicht scheut, Probleme anzusprechen.
Lilly, die Tochter von Wolfgang uns Stephanie Schluck, ist bis über beide Ohren in Albert verliebt. Sie hat die Schule mit einem sehr guten Abitur abgeschlossen, weiß aber nicht, was sie weiter mit ihrem Leben anfangen soll. So hat sie sich entschlossen ein soziales Jahr in einem Altenheim zu machen. Denn dort verkehrt auch Albert, ihr großer Schwarm, der regelmäßig seine demente Mutter besucht.
Obwohl Lilly lange nicht weiß, wie sie Albert näher kommen könnte, wird ihre Zuneigung von ihrer Umgebung nicht nur wohlwollend betrachtet. Denn Albert ist ein blinder Musiker. Zwar meistert er sein Leben mit Bravour, wohnt alleine, verdient sein Geld als Musiklehrer und kann sogar den Weg zum Pflegeheim seiner Mutter selbständig zurücklegen. Allerdings kann sich Albert den Grund für seine Besuche selbst nicht ausreichend erklären, denn er hat nicht nur damit zu kämpfen, dass ihm das Augenlicht fehlt. Als Kind wurde er von seinem Vater wegen seiner Blindheit fast totgeschlagen, wobei die Mutter nicht eingegriffen hat.
Anders sieht die Situation seine Schwester Gundi, die nicht verstehen kann, wieso sich der Bruder um die Mutter kümmert. Sie selbst kann die Misshandlungen der Kindheit nicht verzeihen und leidet darunter, Albert nicht ausreichend geholfen zu haben.
Aber auch Gundi hat Probleme. Sie kann nicht schwanger werden und der Kindeswunsch wird beinahe zur Obsession, die auch ihre Beziehung gefährdet. Anfangs steht sie auch Lilly ablehnend gegenüber, da sie diese für unreif hält.
Wer dieses Buch aufschlägt und die früheren Romane dieser Serie nicht kennt, wird möglicherweise Probleme haben, sich in den komplizierten Familienverhältnissen zurecht zu finden. Ein Glossar am Anfang des Buches ist hier hilfreich. Denn wir werden auch mit Ereignissen konfrontiert, die in der Vergangenheit liegen und Sybille betreffen, eine Tante von Lilly. Sie sucht nach ihrem Vater, doch als sie erkennt, wessen Kind sie ist, ist sie schwer getroffen. Vielleicht wäre es besser gewesen, dieses Familiengeheimnis nicht zu lüften.
Lotte A. Wöss hat mit “Das Herz ist niemals blind” eine warmherzige und bewegende Familiengeschichte geschrieben, die uns auf sehr sensible Weise auch mit der Wahrnehmung blinder Menschen vertraut macht. Umso bewundernswerter ist Albert, der nicht nur sein Leben auf selbständige Weise meistert, sondern auch zeigt, dass man mit schweren Schicksalsschlägen umgehen kann, ohne zu verbittern. Und dass man verzeihen kann, ohne vergessen zu müssen. Auch als er seine Arbeit in der Musikschule verliert, verzweifelt er nicht, sondern sucht sofort nach Alternativen. Lilly, die ihn auf einer Reise zu einem Vorstellungsgespräch nach England begleitet, hat viele Prüfungen zu bestehen, bevor ihr Albert seine Liebe gesteht. Und auch mit Gundi kommt es zu einer Versöhnung.
In diesem in klarer und emphatischer Sprache geschriebenem Buch stellt uns die Autorin in lebendigen Dialogen sympathische Figuren vor, wie sie auch im wirklichen Leben vorkommen. Durch immer neue Wendungen bleibt die Spannung erhalten und der Lesende ist beeindruckt von der tiefgründigen Analyse der Familienprobleme. “Das Herz ist niemals blind” ist ein schön zu lesendes Buch, das die Lesenden, die die Vorgeschichte nicht kennen, nur manchmal durch die Komplexität der familiären Verbindungen etwas überfordert. Dennoch eine klare Leseempfehlung von mir, denn die Autorin ermöglicht es uns, einen Blick in den Kosmos von blinden und sehbehinderten Menschen zu tun, ihre Schwierigkeiten in der Welt der Sehenden zu begreifen und zu erkennen, dass man nur mit dem Herzen gut sieht.