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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.1999

Wenn unsereins mit Bildern philosophiert, dann hat er was davon

Wenn es nur kindgerechtes Spielzeug gäbe, wäre nicht zu sehen, wie Kinder erwachsen werden könnten. Und auch nicht, wenn man mit Kindern immer nur so spräche, wie es ihrer Sprachfähigkeit entspricht. Nichts ist unsinniger als die didaktische Maxime, Lehrer sollten Schüler dort abholen, wo sie stehen. Oder Autoren Leser. Im hübschen Kleidchen von Mitbestimmung und Erziehung zur Mündigkeit steckt die widerwärtige Hexe Bevormundung. Paternalistisch ist schon die Unterstellung, wir wüssten, wo die Schüler stehen. Oder die Leser. Paternalistisch ist erst recht die Annahme, wir wüssten, wo es hingehen soll. Am Ende bringt es, hier wie überall, am weitesten, sich zu fragen, was einen denn selber interessiert.

Man blättert gerne im "Illustrierten Buch der Philosophie". Je länger, je lieber. Das liegt schlicht schon an der varietas. Zeichnungen, Fotos, Landkarten, Abbildungen von Münzen, Statuen und Gemälden, Zitate, Traktate, biographische Daten, Begriffserläuterungen. Komplexität erhöht die Wahrscheinlichkeit kontingenter Lerngeschichten. Ein Lernen, das durchaus gegen den Lehrer erfolgen kann. Den Lehrer des Unsinns zu überführen bedeutet einen Zugewinn theoretisch an Wissen und praktisch an Emanzipation. Illustriert sei das Verfahren anhand unserer Abbildung, die den Eintrag zu Husserl zeigt.

"Auch Kants Vorstellung von der Wirklichkeit und unserem Bewusstsein beeinflusste Husserl." Bildungsphilister! "Husserl lehrte, dass Uhren nichts über die wahre Natur der Zeit aussagen können." Uhren sagen doch eh nichts. Dennoch hake ich ein. Vielleicht nicht mit der Frage, was Zeit, sondern was eine wahre Natur ist. "Um herauszufinden, wie das Bewusstsein funktionierte, klammert er es zunächst aus." Das ist dann so etwas wie auf der Tafel abgebildet?"Bei all seinem Tun unterstützte ihn seine Frau." Auch beim Ausklammern? Dazu dieses Bild mit dem gestisch eingeklammerten Genitalbereich. Philosophen scheint es jedenfalls so 'ne und solche gegeben zu haben. Dewey und sein Bruder zum Beispiel fuhren gern ganz pragmatisch mit ihrem Ruderboot. Und Thomas von Aquin war so dick, dass sein Tisch eine Einbuchtung hatte. Da wirkt es doch gleich plausibel, wenn die Kirche ihn 1322 heilig sprach. Eigentlich auch, dass er sich beruflich mit Engeln befasste. Und dann und wann trifft einen der auf einen Kernsatz reduzierte Tiefsinn wie ein Schlag. "Ein angepasstes Leben war für Sartre kein wirkliches Leben." Dazu der starre Blick des bildzentrierten Kellners. Übrigens hat sich so ganz nebenbei im Gehirn auch die Schaltung Husserl-Kant-Zeit-Wesen-Bewusstsein-Ausklammern eingeschrieben.

GUSTAV FALKE.

"Das illustrierte Buch der Philosophie". ,Ich denke, also bin ich'. Herausgegeben von Jeremy Weate, illustriert von Peter Lawman. Überreuter Verlag, Wien 1999. 64 S., Abb., geb., 29,80 DM.

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