Produktdetails
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2004

Die Dreifaltigkeit der Inselwelt

Lebte der Autor dieses Buches noch, er hätte in diesen Tagen doppelten Grund zur Freude: als Deutschgrieche, der seine Erdentage hauptsächlich in König Ottos Heimat verbrachte, dessen Herz aber immer für die Lande von Charisteas und Zagorakis schlug - so sehr, daß er beim Grenzübertritt nach päpstlicher Manier den Boden zu küssen pflegte. Der Griechenland-Liebhaber wohnt aber schon seit einiger Zeit jenseits des Lethe, und auch sein Buch ist nicht mehr taufrisch. Es wurde vor mehr als vierzig Jahren geschrieben. Das merkt man, trotz einer vorsichtigen Aktualisierung, nicht nur an Wörtern wie "ergötzlich" oder "erheischen", sondern auch an Bildern, die aus der vermeintlich guten alten Zeit stammen. So werden hochromantisch die Waschweiber von Mykonos beschrieben, die ihr Tagwerk dort verrichteten, wo sich heute die Partygänger auf die Füße treten; oder es ist von den Fischerbarken die Rede, die unerschrockene Touristen über das unberechenbare Meer zu den Ruinen von Delos bringen - diese Arbeit erledigen längst Ausflugsdampfer. Trotzdem hat das Buch noch Charme, denn die Inseln der Ägäis, diese "Blumen aus Marmor", diese "versteinerten Schwestern der Aphrodite", werden mit solchem Pathos und Enthusiasmus beschrieben, daß es jedem Griechenland-Freund warm um das Herz werden muß. Es ist genau die richtige Sonnenuntergangslektüre, wenn der Himmel glüht und der Harzwein fließt. Außerdem lernt man viel über Geschichte und Geographie, Mythologie und Wesen der Inselwelt, über die "irdische Dreifaltigkeit" aus Esel, Schaf und Olivenbaum, über Polypen, Quallen, Haie und andere Meerestiere, über die Furcht der Inselbewohner vor dem Meer und den erzindividualistischen Charakter der Griechen, der seit dem fußballhistorischen Kollektivwunder von Lissabon allerdings in Zweifel steht.

str.

"Das Inselmeer der Griechen - Landschaft und Menschen der Ägäis" von Johannes Gaitanides. Erschienen in der Reihe National Geographic Taschenbücher. Frederking & Thaler Verlag, München 2004. 319 Seiten, einige Farbfotografien, eine Karte. Broschiert, 11 Euro. ISBN 3-89405-227-9.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2004

Ode an den Esel
Zwei Griechenland-Bände
Sich in den Stand der Götter zu erheben ist zwar anmaßend, kann aber manchmal auch verlockend sein. Der Fotograf Yann Arthus-Bertrand jedenfalls konnte nicht widerstehen: „Griechenland aus der Luft zu betrachten bedeutet, die Perspektive der alten hellenischen Götter einzunehmen.” Wer wollte sich nicht unter Dionysos und Athena reihen? So hat sich Arthus-Bertrand mehrfach aufgeschwungen in den griechischen Himmel und von dort das Land und die See fotografiert.
Die Aufnahmen des 58-jährigen Franzosen sind inzwischen so verbreitet, dass sich Arthus-Bertrand den erfolgreichsten Luftbildfotografen der Welt nennen darf. „Griechenland von oben” gliedert sich nahtlos ein in sein stattliches Œuvre; der Band ist in Frankreich bereits 1997 erschienen, nun hat ihn der Knesebeck Verlag hierzulande aufgelegt.
Arthus-Bertrand nähert sich Griechenland vom Meer her. Das erste Bild, auf der Umschlaginnenseite, zeigt nichts als Wasser, es folgt ein von Möwen umkreister Fischkutter und dann, endlich, ein Stück Küste. Der Blickwinkel wechselt - mal fotografiert der Franzose senkrecht nach unten, dann wieder aus einer nur leicht erhöhten Warte. Die Motive ähneln einander: Hafenansichten mit dem immer gleichen Wechsel von Buchten und Landvorsprüngen, Klosteranlagen und karge Eilande mit wenigen Bauernkaten. So entsteht eine Typologie griechischer Landschaften, die fotografisch allerdings wenig überrascht - mit Ausnahme einiger Details wie der Schafherde in den kretischen Bergen, die wir hier abbilden.
Johannes Gaitanides hat die Detailfreude von Anfang an zu seinem Konzept gemacht. Der Grieche, der in München als Rundfunkjournalist gearbeitet hat, ging einem wunderbaren Hobby nach: Er sammelte Inseln. Sommers reiste er durch die Ägäis, besuchte nach und nach 164 der 167 bewohnten Inseln. Drei fehlten ihm, aber dabei sollte es bleiben, „um nicht die schöne Krankheit durch Heilung zu gefährden”. Sein Buch „Das Inselmeer der Griechen” erschien erstmals 1962. Bis zu seinem Tod 1988 hat Gaitanides es immer wieder überarbeitet. Nun schreibt sein Sohn Thomas das Werk fort, die neue Fassung ist in der Taschenbuchreihe von National Geographic und Frederking & Thaler erschienen.
Die Chrakterisierungen der Inseln und ihrer Bewohner gehen nach wie vor auf den Vater zurück. Liebevolle, genaue Beobachtungen, fern von Ethnokitsch und mit einem Gespür für Pointen: „Dem Dionysos geweiht, glänzte Naxos im Altertum durch die Ausfuhr von Apollonstatuen.” Gaitanides schwärmt, ohne seine Glaubwürdigkeit einzubüßen. Denn er hat sich die Fähigkeit zu unterscheiden bewahrt. Jede Insel sei eine Welt für sich. „Und doch haben sie einen gemeinsamen Nenner - die irdische Dreifaltigkeit aus Esel, Schaf und Ölbaum.” Dann folgt eine Ode an den Esel, wie es noch keine gab.
STEFAN FISCHER
YANN ARTHUS-BERTRAND: Griechenland von oben. Knesebeck Verlag, München 2004, 160 Seiten, 39,90 Euro.
JOHANNES GAITANIDES: Das Inselmeer der Griechen - Landschaft und Menschen der Ägäis. National Geographic und Verlag Frederking & Thaler, München 2004, 280 Seiten, 11 Euro.
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwar merkt man dem Buch laut Rezensentin "str." trotz einiger vorsichtiger Aktualisierungen an, dass es vor über vierzig Jahren geschrieben wurde. Nicht nur ein paar antiquarische Formulierung, sondern auch Beschreibungen längst vergangener Phänomene lassen sie das deutlich spüren. Auch die Bilder im Buch stammen aus einer vermeintlich guten alten Zeit. Trotzdem hat das Buch für "str." seinen Charme. Denn die Inseln der Ägäis fand sie mit solchen Pathos und Enthusiasmus beschrieben, dass ihrer Ansicht nach jedem Griechenlandfreund das Herz warm werden müsse.

© Perlentaucher Medien GmbH