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Zusammenwachsen tut wehWer davon ausgeht, dass Konfliktfreiheit ein Gradmesser für gelungene Integration und eine offene Gesellschaft ist, der irrt. Konflikte entstehen nicht, weil die Integration von Migranten und Minderheiten fehlschlägt, sondern weil sie zunehmend gelingt. Gesellschaftliches Zusammenwachsen erzeugt Kontroversen und populistische Abwehrreaktionen - in Deutschland und weltweit. Aladin El-Mafaalani nimmt in seiner Gegenwartsdiagnose eine völlige Neubewertung der heutigen Situation vor. Wer dieses Buch gelesen hat, wird- verstehen, warum Migration dauerhaft ein Thema bleiben…mehr

Produktbeschreibung
Zusammenwachsen tut wehWer davon ausgeht, dass Konfliktfreiheit ein Gradmesser für gelungene Integration und eine offene Gesellschaft ist, der irrt. Konflikte entstehen nicht, weil die Integration von Migranten und Minderheiten fehlschlägt, sondern weil sie zunehmend gelingt. Gesellschaftliches Zusammenwachsen erzeugt Kontroversen und populistische Abwehrreaktionen - in Deutschland und weltweit. Aladin El-Mafaalani nimmt in seiner Gegenwartsdiagnose eine völlige Neubewertung der heutigen Situation vor. Wer dieses Buch gelesen hat, wird- verstehen, warum Migration dauerhaft ein Thema bleiben wird und welche paradoxen Effekte Integration hat- erfahren, woher die extremen Gegenreaktionen kommen- in Diskussionen besser gegen Multikulti-Romantiker auf der einen und Abschottungsbefürworter auf der anderen Seite gewappnet sein- erkennen, dass es in Deutschland nie eine bessere Zeit gab als heute und dass wir vor ganz anderen Herausforderungen stehen, als gedacht
Autorenporträt
El-Mafaalani, Aladin§
Aladin El-Mafaalani, 1978 im Ruhrgebiet geboren, ist Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück. Nach dem Studium war er Lehrer am Berufskolleg Ahlen, dann Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster und später Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf. Er studierte an der Ruhr-Universität Bochum Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Pädagogik und Arbeitswissenschaft und wurde dort in Soziologie promoviert. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2020 den Preis der deutschen Gesellschaft für Soziologie für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2018

Heute ist die beste Zeit
Aladin El-Mafaalani kennt die Paradoxa der Integration

Zwei Wochen vor dem neuen Buch Thilo Sarrazins, der gegen den Islam reiten wird, kommt morgen ein Gegengift in den Handel, das das Themenpferd Integration von der anderen Seite her aufzäumt. Immer positiv denken und das Erreichte nicht schlechtreden, das ist die Devise des Autors, der vor vierzig Jahren als Sohn syrischer Eltern in Deutschland geboren wurde. Er hat eine Laufbahn als Lehrer und Professor für Politikwissenschaft und politische Soziologe an der Fachhochschule Münster hingelegt, bevor er in diesem Jahr ins Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf wechselte. Dort leitet Aladin El-Mafaalani die Abteilung Integration. Ein integriertes, echtes Kind des Ruhrgebiets also.

El-Mafaalani weiß: "Die zentrale Folge gelungener Integration ist ein erhöhtes Konfliktpotential." Und er ist überzeugt, das müsse niemandem Angst machen. Einfacher werde es zunächst nicht, aber auf dem Weg zu einer wirklich offenen Gesellschaft - wie er sie etwa in Kanada oder Australien verwirklicht sieht (warum er Österreich dazurechnet, bleibt ein Geheimnis) - ist Reibungshitze unvermeidlich. Dennoch habe es noch nie so gut gestanden um den Fortschritt in Integrationsfragen wie heute. Der Autor macht das deutlich mit einer - wie er einräumt - "holzschnittartigen" Tisch-Metapher. Hätte die erste Migrantengeneration mehr oder weniger als Sklaven unter dem Tisch gesessen, säße die dritte nicht nur am Tisch, sondern fordere dort selbstbewusst mehr Teilhabe und Gleichberechtigung.

Das führe zu Konflikten, sei aber der Desintegration vorzuziehen, denn dauerhaftes Ausschließen vom Tisch begünstige die Wahrscheinlichkeit des Abdriftens in Kriminalität und Gewalt. Grundsätzlich plädiert der Autor für einen entspannteren Umgang miteinander, auch was die Geduld für die Dauer des Integrationsprozesses angeht. Noch in den neunziger Jahren habe sich kein Mensch daran gestoßen, dass Putzfrauen Kopftuch getragen hätten, erst als man 1998 der Lehrerin Fereshta Ludin die Aufnahme in den Schuldienst verweigerte, weil sie nur mit Kopftuch unterrichten wollte, sei das Thema hochgekocht. Gerade Zeichen, wie sie etwa Anträge auf Errichtung einer Moschee darstellten, würden häufig nicht als das erkannt, was sie seien: Signale, dass Muslime in der Stadtgesellschaft angekommen sind. Erschwerend kommt das große Gefälle Stadt-Land hinzu: "Frankfurt am Main und Toronto sind sich ähnlicher als Frankfurt am Main und das Münsterland."

Naturgemäß sieht es El-Mafaalani als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, Hürden abzubauen. In der Praxis wünscht er sich etwa mehrsprachigen Schulunterricht. Er habe in seiner Zeit als Lehrer, statt das Wort "Migrationshintergrund" zu verwenden, von "Schüler/innen mit oder ohne internationaler Geschichte" gesprochen. Seine intime Kenntnis der Binnengeschichten dreier Generationen von Migranten lehrt ihn auch: "Die Erwartungen ehemals benachteiligter Gruppen steigen schneller, als sich die Realität verbessert."

Während der Autor feststellt, dass Migranten in der Fremde konservativer würden, sich mehr auf ihre ererbte Religion und Traditionen stützten, beobachtet er die Ängste der Einheimischen mit weniger Nachsicht. Dass sich ältere Deutsche an ihre "zunehmend verlorengehenden Traditionen, Bräuche und Sitten klammern", bleibt jedenfalls Behauptung. Dabei sollte für beide Seiten gelten: Tradition werden immer von Menschen gemacht, sie leben nur, solange sich jemand die Arbeit macht.

Dass wir noch immer nicht die richtige Sprache im Umgang miteinander gefunden haben, illustriert das Buch mit einer Anekdote. Bei einem Fest wird der Autor mit einer Standardfrage angesprochen: Wie feiert ihr eigentlich bei euch? Gemeint sind Araber und Muslime. El-Mafaalani erklärt geduldig, wie islamische Traditionen in Syrien gelebt werden, aber seine Tochter stellt ihn erzürnt zur Rede, warum er das "ihr" nicht zurückgewiesen habe - schließlich sei er Deutscher. Der Antagonismus "wir-ihr" müsse aufgebrochen werden.

Am Ziel der offenen als der besten aller Gesellschaften hält El-Mafaalani mit Elan fest, an manchen Stellen allerdings recht salopp. Wenn er etwa davon träumt, jeder könne so leben, wie er wolle, solange keine anderen Menschen oder Gemeinschaften zu Schaden kämen. Ein bisschen mehr Regelwerk gibt es dann doch in diesem Land, und vielleicht ist es kein Zufall, dass weder das Grundgesetz noch die Scharia erwähnt werden. Die beiden letzten, verzichtbaren Kapitel brechen auf in die globalisierte Welt, mit Huntington, Hyperkultur, Trump, Plastikmüll und vielen weiteren Allgemeinplätzen, die man als Autor besser nicht mehr bewirtschaften sollte, wenn einem dazu nichts einfällt. Aber geschenkt: Bis Seite 170 ist Aladin El-Mafaalani ein gutgelauntes Buch zu einem Thema gelungen, das üblicherweise durch die Abwesenheit von Optimismus und Humor auffällt.

HANNES HINTERMEIER

Aladin El-Mafaalani: "Das Integrationsparadox". Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt.

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2018. 240 S., br., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Claus Leggewie sieht in Aladin El-Mafaalani einen Vertreter der integrierenden Vernunft, der - wie auch Ahmad Mansour - aus persönlicher Erfahrung auf den Islam in Deutschland blickt. El-Mafaalani als Soziologie an Georg Simmel orientiert und mit einem Händchen fürs eingängige Paradox begabt. Und so lernt Leggewie, dass wir an Erfolgen scheitern können und mehr Integration zu mehr Konflikten führe. D'accord geht Leggewie auch mit Mafaalanis Überzeugung, dass soziale Unterschiede gravierender seien als kulturelle und dass weder "Multikulti-Romantik" noch "Monokulti-Nostalgie" weiterführten.

© Perlentaucher Medien GmbH
»In einer Debatte, die geprägt ist von Untergangsszenarien, Angst und Geschrei, erinnert der Autor [...] daran, dass es Deutschland noch nie so gut ging [...] Dieser Hinweis ist vor allem eines: wohltuend.« Thyra Veyder Malberg MDR Kultur 20181019