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Der Autor Stephan Krawczyk, aufgewachsen in Weida, erzählt von der DDR-Wirklichkeit in der thüringischen Provinz: Von der Bankwitzer Gerberei, die das Wasser von Auma und Weißer Elster violett und ultramarin färbt, von Onkel Alfreds offenem Bein, von den Nächten, in denen man, das Ohr ans Radio gepreßt, Stones und Jimmy Hendrix hörte. Er beschreibt seine Kindheit und Jugend in den fünfziger bis siebziger Jahren so, daß sich viele Menschen seiner Generation darin wiederfinden werden.

Produktbeschreibung
Der Autor Stephan Krawczyk, aufgewachsen in Weida, erzählt von der DDR-Wirklichkeit in der thüringischen Provinz: Von der Bankwitzer Gerberei, die das Wasser von Auma und Weißer Elster violett und ultramarin färbt, von Onkel Alfreds offenem Bein, von den Nächten, in denen man, das Ohr ans Radio gepreßt, Stones und Jimmy Hendrix hörte. Er beschreibt seine Kindheit und Jugend in den fünfziger bis siebziger Jahren so, daß sich viele Menschen seiner Generation darin wiederfinden werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.1996

Frau Hase und Frau Hahn
Auch das gab's: Stephan Krawczyk entdeckt das private Leben

Südlich von Gera, kurz hinter dem Hermsdorfer Kreuz, liegt Weida. Nicht einmal der rührige Baedeker kennt diesen Ort an der thüringisch-sächsischen Grenze, jene Region, wo Auma, Weida und Weiße Elster zusammenfließen. Die "landschaftlich besonders schönen Strecken" mit der grünen Markierung verlaufen außenherum.

Doch Heimat ist überall. Stephan Krawczyks Roman erzählt von Kinderjahren in Weida, und wie in all diesen Geschichten, die teils autobiographisch, teils Heimatroman sind, geht auch hier das Besondere und Einmalige eine Verbindung mit dem Typischen und Bezeichnenden ein. Alles ist déjà vu und haargenau so, wie es die Generation der Vierzigjährigen hierzulande kennt. Kriegsversehrte in der Elterngeneration vergegenwärtigen die Vorgeschichte, die Fünziger und Sechziger sind als rauhes Heranwachsen präsent und schon Teil der persönlichen Erinnerung. Irgendwann hatte Vater sein erstes Motorrad (in diesem Fall natürlich eine "MZ"), das wenig später durch den Kleinwagen ("Trabbi") ersetzt wurde. Die Gemütsregungen, die solche Einschnitte der privaten Welt begleiten, bilden den Stoff dieses Romans, ja das Gemüthafte spiegelt sich noch in den Namen wider. Es ist noch gar nicht lange her, da gab es Leute, die Tante Hilde oder Onkel Alfred hießen, Frau Hase oder Frau Hahn.

Krawczyks Roman hat ganz die Färbung jener alten Zeiten, als Namen wie diese noch gang und gäbe waren. Geschwisterstreit, erste Fahrstunden, nächtlicher Gaststättenlärm, Schrebergartenpossierlichkeit - da ist nichts, das zu geringfügig wäre, um nicht der sorgsamen Präparierung wert zu sein. Krawczyk zeigt Heimat als Stilleben. Lediglich ein paar versprengte Jahreszahlen erinnern daran, daß auch in Weida die Zeit niemals stillstand, sondern in eigenen Bahnen verlief. 1945, als die Amerikaner kamen, 1968, als der Name Dubcek erscholl, 1995, als man - seltsam ratlos geworden - die schon weit entrückten Erinnerungsbrocken in feuchtfröhlicher Runde zusammentrug. Nicht nur die Vergangenheit, auch die Erinnerung daran nimmt in diesem Buch den Weg ins Private.

Daß derlei Schilderungen für Nichteingeweihte genießbar bleiben, verdanken sie einer Prosa, die sich gern noch einmal, oft kurz vor dem Absturz in Sentimentalität und Verklärung, selbst ins Wort fällt. Das Resultat sind stilistische Ruppigkeiten ("rauschgefüllte Gläser", "der Träume Dämmerung", "schlafenden Körpers essen"), denen man Gefälligkeit nicht wird vorwerfen können. Nein, nett ist diese Prosa keinesfalls. Dafür wird sie sehr genau, wenn sie die Kleineleuteperspektive ausschreitet und im vermeintlichen Idyll mal eben die "angstgeweiteten, empörten, hündischen Augen" der Genossen aufblitzen läßt. Der Terror ist Teil des Stimmungsbildes. Immerhin ist Krawczyk souverän genug, es bei wenigen Proben dieser Art zu belassen, die Buchstabengruppe "DDR" meidet er ganz. Seine Wiederentdeckung des privaten Lebens ist frei von der Miefigkeit falscher Versöhnung. RALF KONERSMANN

Stephan Krawczyk: "Das irdische Kind". Roman. Verlag Volk & Welt, Berlin 1996. 266 S., geb., 36,- DM.

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