Aktive Sterbehilfe schadet der Selbstbestimmung von Kranken und Behinderten mehr als sie nutzt. In den Niederlanden hat sie zu einem gesellschaftlichen Klima geführt, in dem der Lebenswert von Kranken und Behinderten offen infrage gestellt werden kann.Gerbert van Loenen zeigt, warum: Er erläutert die historischen Debatten zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden und spricht über die Unmöglichkeit, sie auf einwilligungsfähige Patienten zu beschränken. Er analysiert die nachgewiesenen Fälle unverlangter Sterbehilfe, etwa bei Neugeborenen, und zeigt, dass niederländische Ärzte und Angehörige besonders rasch an der Sinnhaftigkeit lebensrettender Maßnahmen zweifeln.Differenziert und am konkreten Beispiel belegt sein Buch, dass die Sterbehilfepraxis der Niederlande auf Abwege geführt hat - und dass andere Länder diese Erfahrung beherzigen müssen."Bei der Legalisierung der Sterbehilfe haben Gegner vor einem 'Dammbruch' gewarnt: Sobald wir akzeptieren, dass Menschen, diedarum bitten, von Ihrem Arzt getötet werden, werden wir bald auch das Leben von Menschen beenden, die nicht darum gebeten haben. In jedem Fall wird ein Menschenleben an Wert verlieren. Vor allem eines, das nicht unseren perfektionistischen Ansprüchen genügt.Die Begriffe 'Dammbruch' und 'schiefe Ebene' werden aber von vielen missbraucht: Von den Niederländern, die alles, was in ihrem Land passiert, blind verteidigen, und von den fanatischen Kritikern. Beide Gruppen tun so, als ob 'schiefe Ebene' bedeutet, dass wer am Montag die Sterbehilfe zulässt, am Dienstag Dr. Mengele ins Haus holt. Diese Übertreibung ist im Interesse beider Gruppen. Die Kritiker können die Sterbehilfepraxis der Niederlande als nazistisch skandalisieren. Den Befürwortern fällt es besonders leicht, eine solche Übertreibung ins Lächerliche zu ziehen. Diesem Buch geht es nicht um den Skandal und nicht um Übertreibung. 'Schiefe Ebene' bedeutet hier lediglich, dass ein Schritt den Nächsten erleichtert. Und das scheint tatsächlich der Fall, wenn man die Entwicklung der Sterbehilfe in den Niederlanden betrachtet." (Gerbert van Loenen)
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nina von Hardenberg findet das Buch des Niederländers Gerbert van Loenen lesenswert. Als Ergänzung der hierzulande geführten Debatte über Sterbehilfe scheint ihr der auf die Niederlande fokussierte Band auf ein wichtiges Missverständnis hinzuweisen: Sterbehilfe und Selbstbestimmung sind nicht immer dasselbe. Auch wenn es bei uns nicht darum geht, die in den Niederlanden praktizierte Sterbehilfe zuzulassen, wie die Rezensentin einräumt, scheint ihr der Autor mit seinem Blick zurück auf die Entwicklung der Sterbehilfepraxis in seinem Land Argumente freizulegen, die auch bei uns vorzufinden sind. Hilfreich findet von Hardenberg, dass van Loenen Einzelfälle genau dokumentiert und dem Leser so vor Augen führt, inwiefern aktive Sterbehilfe den Blick auf Krankheiten und den Umgang damit verändern kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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