Produktdetails
- ISBN-13: 9783935877947
- Artikelnr.: 11706668
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.1997Wir Löwen vom Bahnhof Zoo: Adolf Menzels "Kinderalbum"
Zu den ansehnlichsten Hinterlassenschaften der deutschen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts gehört Adolf Menzels "Kinderalbum". Bereits 1861 als Idee zu Nutz und Frommen der beiden Sprößlinge seiner Schwester Emilie geboren, zog sich die Vollendung der einzigartigen Sammlung malerisch fixierter Verhaltensweisen einheimischer wie exotischer Tiere bis in die achtziger Jahre hinein hin, als Margarethe und Otto Krigar längst dem Kindesalter entwachsen waren. Insgesamt waren es vierundvierzig Deckfarbenblätter, die "Der Onkel den Kindern" liebend zugedacht, aber nie übergeben hatte, da er offenbar selbst in seine Schöpfungen vernarrt war. Die Motive seiner originellen Wirklichkeitsausschnitte fand Menzel im familiären Sommerrefugium eines "Erbrechtshofes", auf Landpartien, vor allem aber in den Zoologischen Gärten von Berlin, Köln, Paris und München.
Die Darstellung von Vögeln und Paarhufern, Bären und Löwen vermitteln jene tiefe Anteilnahme, mit denen der Künstler dem Tierschicksal ohne den geringsten Anflug von Sentimentalität begegnete.
Den "Porträts" einer aufgeplusterten Eule, eines verängstigten Yak-Stieres oder des in vollem Lauf erfaßten Emus treten Wiesen- und Waldstücke, Hausfassaden und ein "Trockenplatz" zur Seite, der den Menzel-Verehrer Max Liebermann 1884 zu dem Gemälde "Die Bleiche" inspirierte. Die komplette Folge der in unterschiedlichen Formaten applizierten Gouachen wurde im Rahmen einer Retrospektive zum fünfzigsten Berufsjubiläum des Künstlers 1884 erstmals öffentlich gezeigt.
Nachdem Menzels Händler Hermann Pächter das Konvolut gegen eine Anzahlung von neuntausend Talern übernommen hatte, gelangte das Kinderalbum mit dem 1889 vollzogenen Großankauf Max Jordans in den Besitz der Berliner Nationalgalerie. Hinzuerworben wurde 1912 aus Privathand das Titelblatt mit dem hellen Schriftzug auf tachistisch anmutendem, vielfarbigem Grund. Nach dem Abtransport durch die Soldaten der Roten Armee kehrten 1958 nur neununddreißig Blätter aus Rußland nach Ost-Berlin zurück. Zwei als "Kriegsverluste" registrierte Gouachen, "Das abgebrochene Haus" und "Waldboden mit Eichhörnchen", konnten 1996 durch das Kupferstichkabinett zurückerworben werden. Noch immer vermißt werden "Die liegende Kuh im Stall", "Das Zebra vor dem Gitter des Geheges" und "Pfauen auf Bäumen bei Nacht".
Aus Anlaß einer eben eröffneten Ausstellung im Sockelgeschoß der Alten Nationalgalerie hat der Berliner Nicolai-Verlag mit der erstmaligen Publikation aller erhaltenen Blätter des Kinderalbums eine lange klaffende Lücke geschlossen. Als besonderes Verdienst der Menzel-Spezialistin Marie Riemann-Reyher darf die Mühewaltung gelten, die Fülle der Skizzenbücher zum Vergleich mit den Gouachen herangezogen zu haben. Unsere Abbildung zeigt die Gouache eines Löwenkopfes aus Menzels Kinderalbum, das von Marie Riemann-Reyher herausgegeben wurde, auf 108 Seiten 64 schwarz-weiße und 42 farbige Abbildungen umfaßt und 68 Mark kostet. CAMILLA BLECHEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zu den ansehnlichsten Hinterlassenschaften der deutschen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts gehört Adolf Menzels "Kinderalbum". Bereits 1861 als Idee zu Nutz und Frommen der beiden Sprößlinge seiner Schwester Emilie geboren, zog sich die Vollendung der einzigartigen Sammlung malerisch fixierter Verhaltensweisen einheimischer wie exotischer Tiere bis in die achtziger Jahre hinein hin, als Margarethe und Otto Krigar längst dem Kindesalter entwachsen waren. Insgesamt waren es vierundvierzig Deckfarbenblätter, die "Der Onkel den Kindern" liebend zugedacht, aber nie übergeben hatte, da er offenbar selbst in seine Schöpfungen vernarrt war. Die Motive seiner originellen Wirklichkeitsausschnitte fand Menzel im familiären Sommerrefugium eines "Erbrechtshofes", auf Landpartien, vor allem aber in den Zoologischen Gärten von Berlin, Köln, Paris und München.
Die Darstellung von Vögeln und Paarhufern, Bären und Löwen vermitteln jene tiefe Anteilnahme, mit denen der Künstler dem Tierschicksal ohne den geringsten Anflug von Sentimentalität begegnete.
Den "Porträts" einer aufgeplusterten Eule, eines verängstigten Yak-Stieres oder des in vollem Lauf erfaßten Emus treten Wiesen- und Waldstücke, Hausfassaden und ein "Trockenplatz" zur Seite, der den Menzel-Verehrer Max Liebermann 1884 zu dem Gemälde "Die Bleiche" inspirierte. Die komplette Folge der in unterschiedlichen Formaten applizierten Gouachen wurde im Rahmen einer Retrospektive zum fünfzigsten Berufsjubiläum des Künstlers 1884 erstmals öffentlich gezeigt.
Nachdem Menzels Händler Hermann Pächter das Konvolut gegen eine Anzahlung von neuntausend Talern übernommen hatte, gelangte das Kinderalbum mit dem 1889 vollzogenen Großankauf Max Jordans in den Besitz der Berliner Nationalgalerie. Hinzuerworben wurde 1912 aus Privathand das Titelblatt mit dem hellen Schriftzug auf tachistisch anmutendem, vielfarbigem Grund. Nach dem Abtransport durch die Soldaten der Roten Armee kehrten 1958 nur neununddreißig Blätter aus Rußland nach Ost-Berlin zurück. Zwei als "Kriegsverluste" registrierte Gouachen, "Das abgebrochene Haus" und "Waldboden mit Eichhörnchen", konnten 1996 durch das Kupferstichkabinett zurückerworben werden. Noch immer vermißt werden "Die liegende Kuh im Stall", "Das Zebra vor dem Gitter des Geheges" und "Pfauen auf Bäumen bei Nacht".
Aus Anlaß einer eben eröffneten Ausstellung im Sockelgeschoß der Alten Nationalgalerie hat der Berliner Nicolai-Verlag mit der erstmaligen Publikation aller erhaltenen Blätter des Kinderalbums eine lange klaffende Lücke geschlossen. Als besonderes Verdienst der Menzel-Spezialistin Marie Riemann-Reyher darf die Mühewaltung gelten, die Fülle der Skizzenbücher zum Vergleich mit den Gouachen herangezogen zu haben. Unsere Abbildung zeigt die Gouache eines Löwenkopfes aus Menzels Kinderalbum, das von Marie Riemann-Reyher herausgegeben wurde, auf 108 Seiten 64 schwarz-weiße und 42 farbige Abbildungen umfaßt und 68 Mark kostet. CAMILLA BLECHEN
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