Nur Mut zur Erziehung!
Peter Paulig weiß, was Kinder für ihre Entwicklung unbedingt brauchen. Er kennt die Geheimnisse guter Erziehung und glücklicher Kinder. In seinem leicht verständlichen Lese- und Lernbuch für junge Eltern macht er Mut zur Erziehung. Er erzählt von Erlebnissen in Familie und Schule, erklärt, wie man seine Kinder immer besser versteht und warum sie in ihren Eltern Vorbilder und keine Kumpel suchen. Schließlich zeigt er aber auch, warum Eltern bei aller Sorge für das Wohl ihrer Kinder die eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Peter Paulig weiß, was Kinder für ihre Entwicklung unbedingt brauchen. Er kennt die Geheimnisse guter Erziehung und glücklicher Kinder. In seinem leicht verständlichen Lese- und Lernbuch für junge Eltern macht er Mut zur Erziehung. Er erzählt von Erlebnissen in Familie und Schule, erklärt, wie man seine Kinder immer besser versteht und warum sie in ihren Eltern Vorbilder und keine Kumpel suchen. Schließlich zeigt er aber auch, warum Eltern bei aller Sorge für das Wohl ihrer Kinder die eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2010Man erinnere sich, wie man als Kind Konflikte meisterte oder an ihnen scheiterte
In der Erziehungswelt gelten weltfremde Vollkommenheitsideale: Peter Paulig möchte mit seinem Kinderversteherbuch die Ratgebergläubigkeit vieler Eltern erschüttern.
Ist ein Kind geboren, bekommt es viele mehr oder weniger nützliche Dinge geschenkt. Doch das wichtigste ist nicht dabei, meint der Pädagoge Peter Paulig: ein mitwachsendes, ein Leben lang haltbares T-Shirt mit der Aufschrift: Ich bin einmalig! Paulig hat den schon reichlich vorhandenen Erziehungsratgebern einen weiteren hinzugefügt, aber einen, der auf besondere Art zugleich sehr konkret und sehr grundsätzlich ist. Kritisch dem eigenen Genre gegenüber, hat Paulig dennoch Listen mit Geboten, Verboten und bedenkenswerten Punkten verfasst, an denen der Leser sein Erziehungsverhalten ausrichten und prüfen kann: "Bring deinem Kind beständige, gleichmäßige Liebe und Fürsorge entgegen!", "Sei großzügig mit deiner Zeit!", "Verwöhne mich nicht!".
Die Individualität des Kindes widerstreitet dem üblicherweise auf Typologisches gerichteten Fach der Erziehungsratgeber. Es ist Pauligs Verdienst, die Ratgebergläubigkeit zu erschüttern: Es gibt kein Rezept für die gute, garantiert gelingende und am besten auch noch stressfreie Erziehung. Jedes Kind braucht seine eigene. Sklavisch an bestimmten Regeln festzuhalten kann genauso schädlich sein, wie sich allein auf Gefühle oder die innere Stimme zu verlassen.
Ratgeber verfahren aus methodologischen Gründen reduktionistisch, das heißt: Sie isolieren bestimmte Merkmale der Eltern-Kind-Beziehung, trennen sie vom sonstigen sozialen Kontext ab und kommen auf diese Weise zu exakten, aber oft sehr weltfremden Befunden. Um dieser Ratgeber-Falle zu entgehen, so rät Paulig, sollten Eltern sich öfter an die eigene Kindheit erinnern, sich fragen, was ihnen damals Freude machte, Halt gab, wie sie Konflikte erfuhren und meisterten oder an ihnen scheiterten.
Viele Eltern, so hat der Autor beobachtet, bemühen sich zwar um die körperlichen Bedürfnisse ihrer Kinder, vernachlässigen aber die Seelenarbeit. Gesunde Ernährung, Vorsorgeuntersuchungen, im Zweifel der Besuch beim Spezialisten, das ist (glücklicherweise) meist selbstverständlich, doch es hapert nicht selten an der Empathie. Hier hat es der Autor vor allem auf "Wiederkäuer, Spießer und Miesmacher" abgesehen. Wiederkäuer können nicht vergessen und wollen nicht vergeben. Nachtragend und mit Leidensmiene kauen sie ständig auf den Fehlern des Kindes herum und machen ihm das Leben schwer. Spießer, per definitionem "kleinliche, engstirnige Menschen", sehen immer nur die Defizite ihrer Kinder. Miesmacher fühlen sich von schlechten, dummen Menschen umgeben, die "Jugend von heute" ist ihnen zuwider. Manchmal verfallen auch engagierte Eltern aus Gedankenlosigkeit in die eine oder andere dieser unsympathischen Rollen, so Paulig. Schlechtes Gewissen und weltfremde Vollkommenheitsideale sorgen dafür, dass man den eigenen Eingebungen nicht traut, kurzerhand Verdikte ausspricht, die Kinder nicht geduldig und entschieden genug fordert oder sie "auslagert", indem man sie von einer Aktivität zur nächsten schickt.
Ohnehin ist Paulig mit den Eltern nicht allzu zimperlich: Eltern seien schnell bereit, die Schuld für Erziehungsprobleme dem "schwierigen" Kind in die Schuhe zu schieben. Zu Unrecht, meint der Autor. Denn zum einen haben sich die Kinder ihre Eltern nicht ausgesucht. Zum anderen sind Eltern oft selbst ein schlechtes Vorbild, manchmal sind sie zu bequem, manchmal sind sie feige. Manche lassen das Kind gewähren, weil sie Angst haben, seine Liebe zu verlieren, andere setzen herzlos ihre Erziehungsregeln durch und wundern sich, dass keine vertrauensvolle Beziehung aufkommen will. Wieder andere versuchen sich als guter Kumpel, was ihre Sprösslinge peinlich finden.
Da ist die Mutter, die sich über ihren lügenden Sohn beschwert und ihn in Anwesenheit des Autors zum Telefon schickt: Er soll behaupten, sie sei einkaufen. Eine andere beschwert sich, dass ihr Sohn zu Hause nichts erzählt, und ruft seine Freunde an, um ihm nachzuspionieren. Da ist der Vater, der den mit einer Ehrenurkunde freudestrahlend vom Sportfest kommenden Sohn an eine Lüge von letzter Woche erinnert, statt sich mit ihm zu freuen.
Läuft die Entwicklung des Kindes dann nicht so wie erwartet, stellt sich Rat- und Hilflosigkeit ein. Paulig, der einen erzieherischen Beratungsdienst, eine pädagogische Akademie und eine Elternschule gegründet hat, berichtet von den typischen Fragen von Eltern, die mit ihren Erziehungsbemühungen nicht weiterkommen. Paulig plädiert für eine einfühlsame Strenge, die das Kind als Individuum ernst nimmt und Zuwendung und Anerkennung an die erste Stelle stellt.
Zugleich warnt er davor, Kinder zu sehr zu behüten, ihnen die Möglichkeit auf eigene Erfahrungen zu nehmen oder sie zu verwöhnen. Aufgaben, die ein Kind bewältigen kann, soll es auch übernehmen. Sonst wird allzu schnell aus dem niedlichen kleinen Schatz, dem man jeden Wunsch erfüllt, ein kleiner Tyrann. Beschließt die geschaffte Mutter dann, dass jetzt auf der Stelle alles anders zu werden habe, ist die große Krise programmiert.
Paulig erläutert den Unterschied zwischen (willkürlichen) Strafen und (einsehbaren) Konsequenzen, betont die Bedeutung von Regeln, Revieren und Ritualen und macht natürlich darauf aufmerksam, dass Gewalt keine zulässige Erziehungsmaßnahme ist. Er erzählt von Erlebnissen mit seinen eigenen sechs Kindern und verweist zur Vertiefung einzelner Themen auf andere Ratgeber. Doch er verspricht keine schnellen Lösungen: Es gibt Probleme, die zu lösen Zeit braucht. So gibt es keinen einfachen Trick, um ein verschüchtertes, verschlossenes Kind aus seiner seelischen Festung zu locken. Und es gibt auch Probleme, die sich gar nicht lösen lassen. Vor allem aber geht es darum, Kinder stark zu machen, so dass sie nicht an Ungerechtigkeiten, Bosheiten oder Trennungsschmerz zerbrechen, mit dem wir sie immer früher konfrontieren.
Was die Bewertung religiöser Erziehung angeht, der sich nach Pauli niemand entziehen darf, kann man sicher anderer Meinung sein, doch zweifellos hat Paulig ein weises Buch geschrieben, das in seinen Ratschlägen alltagserprobt und in seiner Grundhaltung zutiefst menschlich ist.
MANUELA LENZEN.
Peter Paulig: "Das Kinderversteherbuch". Alles, was Eltern wissen wollen. Pattloch Verlag, München 2009. 352 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In der Erziehungswelt gelten weltfremde Vollkommenheitsideale: Peter Paulig möchte mit seinem Kinderversteherbuch die Ratgebergläubigkeit vieler Eltern erschüttern.
Ist ein Kind geboren, bekommt es viele mehr oder weniger nützliche Dinge geschenkt. Doch das wichtigste ist nicht dabei, meint der Pädagoge Peter Paulig: ein mitwachsendes, ein Leben lang haltbares T-Shirt mit der Aufschrift: Ich bin einmalig! Paulig hat den schon reichlich vorhandenen Erziehungsratgebern einen weiteren hinzugefügt, aber einen, der auf besondere Art zugleich sehr konkret und sehr grundsätzlich ist. Kritisch dem eigenen Genre gegenüber, hat Paulig dennoch Listen mit Geboten, Verboten und bedenkenswerten Punkten verfasst, an denen der Leser sein Erziehungsverhalten ausrichten und prüfen kann: "Bring deinem Kind beständige, gleichmäßige Liebe und Fürsorge entgegen!", "Sei großzügig mit deiner Zeit!", "Verwöhne mich nicht!".
Die Individualität des Kindes widerstreitet dem üblicherweise auf Typologisches gerichteten Fach der Erziehungsratgeber. Es ist Pauligs Verdienst, die Ratgebergläubigkeit zu erschüttern: Es gibt kein Rezept für die gute, garantiert gelingende und am besten auch noch stressfreie Erziehung. Jedes Kind braucht seine eigene. Sklavisch an bestimmten Regeln festzuhalten kann genauso schädlich sein, wie sich allein auf Gefühle oder die innere Stimme zu verlassen.
Ratgeber verfahren aus methodologischen Gründen reduktionistisch, das heißt: Sie isolieren bestimmte Merkmale der Eltern-Kind-Beziehung, trennen sie vom sonstigen sozialen Kontext ab und kommen auf diese Weise zu exakten, aber oft sehr weltfremden Befunden. Um dieser Ratgeber-Falle zu entgehen, so rät Paulig, sollten Eltern sich öfter an die eigene Kindheit erinnern, sich fragen, was ihnen damals Freude machte, Halt gab, wie sie Konflikte erfuhren und meisterten oder an ihnen scheiterten.
Viele Eltern, so hat der Autor beobachtet, bemühen sich zwar um die körperlichen Bedürfnisse ihrer Kinder, vernachlässigen aber die Seelenarbeit. Gesunde Ernährung, Vorsorgeuntersuchungen, im Zweifel der Besuch beim Spezialisten, das ist (glücklicherweise) meist selbstverständlich, doch es hapert nicht selten an der Empathie. Hier hat es der Autor vor allem auf "Wiederkäuer, Spießer und Miesmacher" abgesehen. Wiederkäuer können nicht vergessen und wollen nicht vergeben. Nachtragend und mit Leidensmiene kauen sie ständig auf den Fehlern des Kindes herum und machen ihm das Leben schwer. Spießer, per definitionem "kleinliche, engstirnige Menschen", sehen immer nur die Defizite ihrer Kinder. Miesmacher fühlen sich von schlechten, dummen Menschen umgeben, die "Jugend von heute" ist ihnen zuwider. Manchmal verfallen auch engagierte Eltern aus Gedankenlosigkeit in die eine oder andere dieser unsympathischen Rollen, so Paulig. Schlechtes Gewissen und weltfremde Vollkommenheitsideale sorgen dafür, dass man den eigenen Eingebungen nicht traut, kurzerhand Verdikte ausspricht, die Kinder nicht geduldig und entschieden genug fordert oder sie "auslagert", indem man sie von einer Aktivität zur nächsten schickt.
Ohnehin ist Paulig mit den Eltern nicht allzu zimperlich: Eltern seien schnell bereit, die Schuld für Erziehungsprobleme dem "schwierigen" Kind in die Schuhe zu schieben. Zu Unrecht, meint der Autor. Denn zum einen haben sich die Kinder ihre Eltern nicht ausgesucht. Zum anderen sind Eltern oft selbst ein schlechtes Vorbild, manchmal sind sie zu bequem, manchmal sind sie feige. Manche lassen das Kind gewähren, weil sie Angst haben, seine Liebe zu verlieren, andere setzen herzlos ihre Erziehungsregeln durch und wundern sich, dass keine vertrauensvolle Beziehung aufkommen will. Wieder andere versuchen sich als guter Kumpel, was ihre Sprösslinge peinlich finden.
Da ist die Mutter, die sich über ihren lügenden Sohn beschwert und ihn in Anwesenheit des Autors zum Telefon schickt: Er soll behaupten, sie sei einkaufen. Eine andere beschwert sich, dass ihr Sohn zu Hause nichts erzählt, und ruft seine Freunde an, um ihm nachzuspionieren. Da ist der Vater, der den mit einer Ehrenurkunde freudestrahlend vom Sportfest kommenden Sohn an eine Lüge von letzter Woche erinnert, statt sich mit ihm zu freuen.
Läuft die Entwicklung des Kindes dann nicht so wie erwartet, stellt sich Rat- und Hilflosigkeit ein. Paulig, der einen erzieherischen Beratungsdienst, eine pädagogische Akademie und eine Elternschule gegründet hat, berichtet von den typischen Fragen von Eltern, die mit ihren Erziehungsbemühungen nicht weiterkommen. Paulig plädiert für eine einfühlsame Strenge, die das Kind als Individuum ernst nimmt und Zuwendung und Anerkennung an die erste Stelle stellt.
Zugleich warnt er davor, Kinder zu sehr zu behüten, ihnen die Möglichkeit auf eigene Erfahrungen zu nehmen oder sie zu verwöhnen. Aufgaben, die ein Kind bewältigen kann, soll es auch übernehmen. Sonst wird allzu schnell aus dem niedlichen kleinen Schatz, dem man jeden Wunsch erfüllt, ein kleiner Tyrann. Beschließt die geschaffte Mutter dann, dass jetzt auf der Stelle alles anders zu werden habe, ist die große Krise programmiert.
Paulig erläutert den Unterschied zwischen (willkürlichen) Strafen und (einsehbaren) Konsequenzen, betont die Bedeutung von Regeln, Revieren und Ritualen und macht natürlich darauf aufmerksam, dass Gewalt keine zulässige Erziehungsmaßnahme ist. Er erzählt von Erlebnissen mit seinen eigenen sechs Kindern und verweist zur Vertiefung einzelner Themen auf andere Ratgeber. Doch er verspricht keine schnellen Lösungen: Es gibt Probleme, die zu lösen Zeit braucht. So gibt es keinen einfachen Trick, um ein verschüchtertes, verschlossenes Kind aus seiner seelischen Festung zu locken. Und es gibt auch Probleme, die sich gar nicht lösen lassen. Vor allem aber geht es darum, Kinder stark zu machen, so dass sie nicht an Ungerechtigkeiten, Bosheiten oder Trennungsschmerz zerbrechen, mit dem wir sie immer früher konfrontieren.
Was die Bewertung religiöser Erziehung angeht, der sich nach Pauli niemand entziehen darf, kann man sicher anderer Meinung sein, doch zweifellos hat Paulig ein weises Buch geschrieben, das in seinen Ratschlägen alltagserprobt und in seiner Grundhaltung zutiefst menschlich ist.
MANUELA LENZEN.
Peter Paulig: "Das Kinderversteherbuch". Alles, was Eltern wissen wollen. Pattloch Verlag, München 2009. 352 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Manuela Lenzen hat Peter Pauligs "Kinderversteherbuch" mit großer Zustimmung gelesen. Der Erziehungsratgeber des Pädagogen zeichnet sich für sie durch sein gut ausbalanciertes Verhältnis von Konkretheit und Grundsätzlichkeit aus. So schätzt sie sowohl die kritische Haltung des Autors gegenüber dem eigenen Genre und gegenüber der Ratgebergläubigkeit vieler Eltern, als auch dessen konkrete, "alltagserprobte", nie weltfremde Ratschläge. Pauligs Plädoyer, das Kind als Individuum ernst zu nehmen, ihm mit Zuwendung, Anerkennung, aber auch mit einfühlsamer Strenge zu begegen, kann sie nur unterschreiben. Auch dass der Autor mit den Eltern kritisch ins Gericht geht, findet die Rezensentin okay, da wohlbegründet. Ihr Fazit: ein "weises Buch" mit einer "zutiefst menschlichen Grundhaltung".
© Perlentaucher Medien GmbH
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