"Ben Lewis fragt ungekünstelt und ungewohnt direkt. Gerade seine respektlose und dabei doch behutsame Art verhilft zu neuen Erkenntnissen." -- Jury des Adolf-Grimme-Preises
"Ein faszinierendes Buch, dass sich, obwohl in resolut nicht-akademischem Stil gehalten, gängige Theorien vorknöpft und zu dem Schluss kommt, dass die meisten falsch sind. Nebenbei schafft es DAS KOMISCHE MANIFEST, eine Menge Witze zu erzählen." -- The Telegraph
"Das komische Manifest macht seinem Titel alle Ehre: die Lektüre ist eine einziger Genuss." -- Aschot Manutscharjan, Das Parlament
Satire im Kommunismus: lediglich ein Ventil für Unmut oder der Anfang vom Ende des Unzumutbaren?
Jeder Witz, so George Orwell, ist eine kleine Revolution. Ein Flaschengeist, der sich, einmal in der Welt, von keiner noch so repressiven Staatsgewalt wieder bannen lässt, ein Refugium für die Würde der Menschen, denen man die Hände gebunden und den Mund verboten hat.
In seiner profunden Reportage "Das komische Manifest" vollzieht Grimme-Preisträger Ben Lewis nach, wie die Bürger des ehemaligen sogenannten Ostblocks vom Sturz des Zaren 1917 bis zum Fall der Mauer 1989 die Meinungsfreiheit unter kommunistischen Regierungen am Leben hielten. Ob leeres Einkaufsregal dank verfehlter Planwirtschaft oder hohl dröhnende Staatspropaganda, Ausreiseverbot oder Strafgefangenenlager, die Sowjetära beschwor satirischen Widerstand herauf wie kaum ein politisches System zuvor, und viele nahmen lieber eine Gefängnis- oder, zu Zeiten Stalins, gar Todesstrafe in Kauf, als auf einen guten Witz zu verzichten. Lewis dokumentiert subversive Arbeiten wie die des ins Exil geflohenen tschechischen Künstlers Ivan Steiger oder des inhaftierten Studenten Peter Sodann anhand von Archivmaterial und Interviews.
Lewis vermittelt die Geschichte des Kommunismus so nah wie nie nämlich durch Volkes Stimme.
"Ein faszinierendes Buch, dass sich, obwohl in resolut nicht-akademischem Stil gehalten, gängige Theorien vorknöpft und zu dem Schluss kommt, dass die meisten falsch sind. Nebenbei schafft es DAS KOMISCHE MANIFEST, eine Menge Witze zu erzählen." -- The Telegraph
"Das komische Manifest macht seinem Titel alle Ehre: die Lektüre ist eine einziger Genuss." -- Aschot Manutscharjan, Das Parlament
Satire im Kommunismus: lediglich ein Ventil für Unmut oder der Anfang vom Ende des Unzumutbaren?
Jeder Witz, so George Orwell, ist eine kleine Revolution. Ein Flaschengeist, der sich, einmal in der Welt, von keiner noch so repressiven Staatsgewalt wieder bannen lässt, ein Refugium für die Würde der Menschen, denen man die Hände gebunden und den Mund verboten hat.
In seiner profunden Reportage "Das komische Manifest" vollzieht Grimme-Preisträger Ben Lewis nach, wie die Bürger des ehemaligen sogenannten Ostblocks vom Sturz des Zaren 1917 bis zum Fall der Mauer 1989 die Meinungsfreiheit unter kommunistischen Regierungen am Leben hielten. Ob leeres Einkaufsregal dank verfehlter Planwirtschaft oder hohl dröhnende Staatspropaganda, Ausreiseverbot oder Strafgefangenenlager, die Sowjetära beschwor satirischen Widerstand herauf wie kaum ein politisches System zuvor, und viele nahmen lieber eine Gefängnis- oder, zu Zeiten Stalins, gar Todesstrafe in Kauf, als auf einen guten Witz zu verzichten. Lewis dokumentiert subversive Arbeiten wie die des ins Exil geflohenen tschechischen Künstlers Ivan Steiger oder des inhaftierten Studenten Peter Sodann anhand von Archivmaterial und Interviews.
Lewis vermittelt die Geschichte des Kommunismus so nah wie nie nämlich durch Volkes Stimme.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.08.2010Schlechte Zeiten – gute Witze
„Das komische Manifest“: Ben Lewis hat eine unterhaltsame Geschichte des Humors im Sozialismus geschrieben
Humorkritik kann, ja muss vielleicht eine todernste Sache sein. Das weiß jeder, der auch nur einmal in die Augen von Hans Mentz geblickt hat. Seit dreißig Jahren kann man das Monat für Monat tun, in der Frankfurter Satirezeitschrift Titanic : Auf drei Seiten fällt Hans Mentz letztgültige Urteile über Bücher, Filme, Kabarettisten: Komisch oder nicht komisch, das ist hier die Frage. Und das dazu abgedruckte Konterfei des Herrn Mentz, den viele Titanic Leser bis zum heutigen Tag für eine reale Person halten, verheißt nur eines: Schluss mit lustig! Hinter einer dicken Hornbrille lauern unbestechlich ernste Augen, die Mundwinkel weisen unerbittlich nach unten.
Unlängst zeigte Hans Mentz sich wieder einmal gar nicht amüsiert: Die Humorkritik würdigte das 460-Seiten-Opus „Das komische Manifest“ von Ben Lewis mit einem ausführlichen Verriss. Ohne Hans Mentz’ letztinstanzliche Autorität anzweifeln zu wollen, sei hier doch Einspruch erhoben: Der immerhin weltweit erste Versuch einer Gesamtdarstellung des Phänomens „Kommunismus und Satire von 1917 bis 1989“ ist erstens, das konzediert auch Hans Mentz, allein schon aufgrund der zahllosen kolportierten Witze recht unterhaltsam und lustig zu lesen. Und zweitens rücken die hie und da zu Tage tretenden Mängel eben dadurch in den Hintergrund, dass man bei der Lektüre so oft lachen muss.
Sicher, die dem Buch zugrundegelegte Fragestellung, ob der Flüsterwitz im Sowjetimperium zu dessen Zusammenbruch beitrug oder aber nur für die Herrschenden durchaus nützliche Ventilfunktion hatte, das ist eine „läppische, knopphaft politische“ Frage, da hat der oberste Humorkritiker schon recht. Doch das lernt man nun mal so, in Cambridge ebenso wie in Berlin (wo Ben Lewis studiert hat): Eine historische Untersuchung bedarf einer These, und sei sie noch so langweilig und irrelevant.
Die „knopphafte“ Frage spielt aber in Lewis’ Buch nicht wirklich eine Rolle, und deshalb sei sie ihm nachgesehen. Im Vordergrund steht der Witz, und dafür ist Ben Lewis, Jahrgang 1966, sehr zu loben; das Werk, das wie nebenbei eine zwar kursorische, aber dennoch profunde Geschichte der östlichen Hemisphäre des 20. Jahrhunderts erzählt, enthält mindestens 500 größtenteils recht gute Witze – angesichts dieser blutrünstigen Epoche kein schlechter Ertrag. Aber auf diese Dialektik weist Lewis gleich zu Beginn hin, indem er den Satiriker und Kabarettisten Ernst Röhl zitiert: „Es gibt so eine Faustregel: Schlechte Zeiten, gute Witze.“
Die guten Witze beginnen bei der kommunistischen Stunde Null: „Eine alte Bäuerin geht zum ersten Mal in ihrem Leben in den Moskauer Zoo und sieht dort ein Kamel. ,O Gott’, sagt sie, ,was haben die Bolschewiken nur mit dem armen Pferd gemacht!’“ Und sie reichen bis zum letzten verzweifelten Lacher, mit dem vorauseilend gleichsam das Licht ausgemacht wird: „Stimmt es, dass es keine politischen Witze mehr geben wird, wenn wir den Vollkommunismus erreicht haben? – Ja, bis auf den hier.“
Wie alle von Ben Lewis verhandelten Witze, so hat auch der letztgenannte einen sehr realen Grund und Boden: In den zwanziger Jahren wurde in Russland ernsthaft über die Frage diskutiert, „ob in einer utopischen Gesellschaft Witze zulässig seien“. Und selbst ein linientreuer Satiriker wie der Prawda -Redakteur Michail Kolzow (der 1938 verhaftet und 1940 hingerichtet wurde) musste beim legendären Schriftstellerkongress 1934 einräumen: „Wenn das System eines Tages perfekt sei, werde sich der Humor möglicherweise erübrigen.“ Dagegen hatte der Schriftsteller Panteleimon Romanow auf demselben Kongress eine positivere Vision: „Im Lande der Sowjets wird eine neue Komödie erschaffen: die Komödie der positiven Helden. Eine Komödie, die ihre Helden nicht verspottet, sondern sie heiter porträtiert und ihre positiven Qualitäten mit solcher Liebe und Zuneigung herausstreicht, dass das Lachen des Publikums fröhlich ist und die Zuschauer es den Helden der Komödie gleichtun, ihre Alltagsprobleme mit derselben Leichtigkeit, demselben Optimismus angehen wollen.“
Daraus wurde in der Sowjetunion bekanntlich nichts. Erst der kapitalistisch-imperialistische westdeutsche Staat kam der Verwirklichung dieser Utopie mit seinen Fernsehkomödien in den fünfziger Jahren recht nahe; und noch heute scheint so manche heiter-besinnliche TV-Seifenoper im Programm der Öffentlich-rechtlichen an der Einlösung dieses Anspruchs eifrig zu arbeiten.
Überhaupt steht der kommunistische Witz keineswegs so isoliert in der Weltgeschichte, wie man meinen möchte. Da gibt es den Witz aus der Stalinzeit: „Eine Schafherde wird an der russisch-finnischen Grenze angehalten. ,Warum wollt ihr Russland verlassen?’, fragen die Grenzsoldaten. ,Wegen der Geheimpolizei’, erwidern die verängstigten Schafe. ,Berija hat befohlen, alle Elefanten festzunehmen.’ ,Aber ihr seid doch gar keine Elefanten!’ ,Erklär das mal der Geheimpolizei!’“ – Diesen Witz aus dem Jahr 1933 kann Ben Lewis mittels eines Gedichts des persischen Dichters Anwari, das eine deutlich analoge Geschichte erzählt, bis ins Arabien des zwölften Jahrhunderts zurückverfolgen.
Derlei humorhistorische Highlights erfreuen den Leser nicht nur, sie bilden auch – ist doch auf diesem Feld witzwissenschaftlich sehr wenig erst geschehen. Wann werden die Doktorarbeiten geschrieben, die ergründen, auf welches finstere Jahrhundert etwa die Flüsterwitze zurückgehen, die man sich derzeit im Bistum Regensburg über Bischof Gerhard Ludwig Müller erzählt?
Das 20. Jahrhundert als einziger sarkastischer Witz – diese Gesamtdarstellung ist Ben Lewis durchaus gelungen. Da ist es schon zu verkraften, wenn mal ein Detail nicht so umwerfend komisch ist: Das Kommunistische Manifest, an das ja immerhin der deutsche Titel erinnert, wird nach einer komplizierten Internetseite zitiert, die dann verkündet: „Die angeforderte Seite kann leider nicht angezeigt werden. Der Inhalt gefällt der von Ihnen gewählten Regierung nicht, weswegen er zensiert wurde. Zur Lösung des Problems schalten Sie Ihren Computer aus. Zu viele Informationen schaden nur.“ – Naja, in einem anständigen Haushalt geht man zur Lösung dieses Problems ans Bücherregal. FLORIAN SENDTNER
BEN LEWIS: Das komische Manifest. Kommunismus und Satire von 1917 bis 1989. Aus dem Englischen von Anne Emmert. Karl Blessing Verlag, München 2010. 460 Seiten, 22,95 Euro.
Florian Sendtner ist freier Journalist. Er lebt in Regensbu rg, wo man die Religion und die Satire pflegt.
Der kleine, rote Ulbricht hat wenig zu melden an der Hand des großen Bruderwolfs Stalin. 1951 war die satirische DDR-Zeitschrift „Tarantel“ kess genug, auf ihrem Titelbild zu zeigen, was viele Bürger damals dachten. Ben Lewis’ Geschichte des kommunistischen Humors ist schon deshalb lesenswert, weil die Witze komisch sind.
Foto: akg-images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
„Das komische Manifest“: Ben Lewis hat eine unterhaltsame Geschichte des Humors im Sozialismus geschrieben
Humorkritik kann, ja muss vielleicht eine todernste Sache sein. Das weiß jeder, der auch nur einmal in die Augen von Hans Mentz geblickt hat. Seit dreißig Jahren kann man das Monat für Monat tun, in der Frankfurter Satirezeitschrift Titanic : Auf drei Seiten fällt Hans Mentz letztgültige Urteile über Bücher, Filme, Kabarettisten: Komisch oder nicht komisch, das ist hier die Frage. Und das dazu abgedruckte Konterfei des Herrn Mentz, den viele Titanic Leser bis zum heutigen Tag für eine reale Person halten, verheißt nur eines: Schluss mit lustig! Hinter einer dicken Hornbrille lauern unbestechlich ernste Augen, die Mundwinkel weisen unerbittlich nach unten.
Unlängst zeigte Hans Mentz sich wieder einmal gar nicht amüsiert: Die Humorkritik würdigte das 460-Seiten-Opus „Das komische Manifest“ von Ben Lewis mit einem ausführlichen Verriss. Ohne Hans Mentz’ letztinstanzliche Autorität anzweifeln zu wollen, sei hier doch Einspruch erhoben: Der immerhin weltweit erste Versuch einer Gesamtdarstellung des Phänomens „Kommunismus und Satire von 1917 bis 1989“ ist erstens, das konzediert auch Hans Mentz, allein schon aufgrund der zahllosen kolportierten Witze recht unterhaltsam und lustig zu lesen. Und zweitens rücken die hie und da zu Tage tretenden Mängel eben dadurch in den Hintergrund, dass man bei der Lektüre so oft lachen muss.
Sicher, die dem Buch zugrundegelegte Fragestellung, ob der Flüsterwitz im Sowjetimperium zu dessen Zusammenbruch beitrug oder aber nur für die Herrschenden durchaus nützliche Ventilfunktion hatte, das ist eine „läppische, knopphaft politische“ Frage, da hat der oberste Humorkritiker schon recht. Doch das lernt man nun mal so, in Cambridge ebenso wie in Berlin (wo Ben Lewis studiert hat): Eine historische Untersuchung bedarf einer These, und sei sie noch so langweilig und irrelevant.
Die „knopphafte“ Frage spielt aber in Lewis’ Buch nicht wirklich eine Rolle, und deshalb sei sie ihm nachgesehen. Im Vordergrund steht der Witz, und dafür ist Ben Lewis, Jahrgang 1966, sehr zu loben; das Werk, das wie nebenbei eine zwar kursorische, aber dennoch profunde Geschichte der östlichen Hemisphäre des 20. Jahrhunderts erzählt, enthält mindestens 500 größtenteils recht gute Witze – angesichts dieser blutrünstigen Epoche kein schlechter Ertrag. Aber auf diese Dialektik weist Lewis gleich zu Beginn hin, indem er den Satiriker und Kabarettisten Ernst Röhl zitiert: „Es gibt so eine Faustregel: Schlechte Zeiten, gute Witze.“
Die guten Witze beginnen bei der kommunistischen Stunde Null: „Eine alte Bäuerin geht zum ersten Mal in ihrem Leben in den Moskauer Zoo und sieht dort ein Kamel. ,O Gott’, sagt sie, ,was haben die Bolschewiken nur mit dem armen Pferd gemacht!’“ Und sie reichen bis zum letzten verzweifelten Lacher, mit dem vorauseilend gleichsam das Licht ausgemacht wird: „Stimmt es, dass es keine politischen Witze mehr geben wird, wenn wir den Vollkommunismus erreicht haben? – Ja, bis auf den hier.“
Wie alle von Ben Lewis verhandelten Witze, so hat auch der letztgenannte einen sehr realen Grund und Boden: In den zwanziger Jahren wurde in Russland ernsthaft über die Frage diskutiert, „ob in einer utopischen Gesellschaft Witze zulässig seien“. Und selbst ein linientreuer Satiriker wie der Prawda -Redakteur Michail Kolzow (der 1938 verhaftet und 1940 hingerichtet wurde) musste beim legendären Schriftstellerkongress 1934 einräumen: „Wenn das System eines Tages perfekt sei, werde sich der Humor möglicherweise erübrigen.“ Dagegen hatte der Schriftsteller Panteleimon Romanow auf demselben Kongress eine positivere Vision: „Im Lande der Sowjets wird eine neue Komödie erschaffen: die Komödie der positiven Helden. Eine Komödie, die ihre Helden nicht verspottet, sondern sie heiter porträtiert und ihre positiven Qualitäten mit solcher Liebe und Zuneigung herausstreicht, dass das Lachen des Publikums fröhlich ist und die Zuschauer es den Helden der Komödie gleichtun, ihre Alltagsprobleme mit derselben Leichtigkeit, demselben Optimismus angehen wollen.“
Daraus wurde in der Sowjetunion bekanntlich nichts. Erst der kapitalistisch-imperialistische westdeutsche Staat kam der Verwirklichung dieser Utopie mit seinen Fernsehkomödien in den fünfziger Jahren recht nahe; und noch heute scheint so manche heiter-besinnliche TV-Seifenoper im Programm der Öffentlich-rechtlichen an der Einlösung dieses Anspruchs eifrig zu arbeiten.
Überhaupt steht der kommunistische Witz keineswegs so isoliert in der Weltgeschichte, wie man meinen möchte. Da gibt es den Witz aus der Stalinzeit: „Eine Schafherde wird an der russisch-finnischen Grenze angehalten. ,Warum wollt ihr Russland verlassen?’, fragen die Grenzsoldaten. ,Wegen der Geheimpolizei’, erwidern die verängstigten Schafe. ,Berija hat befohlen, alle Elefanten festzunehmen.’ ,Aber ihr seid doch gar keine Elefanten!’ ,Erklär das mal der Geheimpolizei!’“ – Diesen Witz aus dem Jahr 1933 kann Ben Lewis mittels eines Gedichts des persischen Dichters Anwari, das eine deutlich analoge Geschichte erzählt, bis ins Arabien des zwölften Jahrhunderts zurückverfolgen.
Derlei humorhistorische Highlights erfreuen den Leser nicht nur, sie bilden auch – ist doch auf diesem Feld witzwissenschaftlich sehr wenig erst geschehen. Wann werden die Doktorarbeiten geschrieben, die ergründen, auf welches finstere Jahrhundert etwa die Flüsterwitze zurückgehen, die man sich derzeit im Bistum Regensburg über Bischof Gerhard Ludwig Müller erzählt?
Das 20. Jahrhundert als einziger sarkastischer Witz – diese Gesamtdarstellung ist Ben Lewis durchaus gelungen. Da ist es schon zu verkraften, wenn mal ein Detail nicht so umwerfend komisch ist: Das Kommunistische Manifest, an das ja immerhin der deutsche Titel erinnert, wird nach einer komplizierten Internetseite zitiert, die dann verkündet: „Die angeforderte Seite kann leider nicht angezeigt werden. Der Inhalt gefällt der von Ihnen gewählten Regierung nicht, weswegen er zensiert wurde. Zur Lösung des Problems schalten Sie Ihren Computer aus. Zu viele Informationen schaden nur.“ – Naja, in einem anständigen Haushalt geht man zur Lösung dieses Problems ans Bücherregal. FLORIAN SENDTNER
BEN LEWIS: Das komische Manifest. Kommunismus und Satire von 1917 bis 1989. Aus dem Englischen von Anne Emmert. Karl Blessing Verlag, München 2010. 460 Seiten, 22,95 Euro.
Florian Sendtner ist freier Journalist. Er lebt in Regensbu rg, wo man die Religion und die Satire pflegt.
Der kleine, rote Ulbricht hat wenig zu melden an der Hand des großen Bruderwolfs Stalin. 1951 war die satirische DDR-Zeitschrift „Tarantel“ kess genug, auf ihrem Titelbild zu zeigen, was viele Bürger damals dachten. Ben Lewis’ Geschichte des kommunistischen Humors ist schon deshalb lesenswert, weil die Witze komisch sind.
Foto: akg-images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Florian Sendtner lacht sich scheckig beim Lesen dieser weltweit immerhin ersten Gesamtdarstellung der Zusammenhänge von Kommunismus und Satire 1917-1989. Ja, Mängel hat das Buch von Ben Lewis auch zu bieten (eine nervende Guido-Knopp-Haftigkeit dann und wann), doch sieht Sendtner nicht ein, deswegen auf das befreiende Lachen zu verzichten, das ihm die 500 (!) enthaltenen Witze entlocken. Angesichts einer reichlich blutrünstigen Epoche doch keine so schlechte Ernte, meint Sendtner und lässt dem Autor manch kursorische historische Einlassung durchgehen. Profund genug findet er die von Lewis wie en passant aufgeschriebene Geschichte der östlichen Welt des 20. Jahrhunderts, in der die Witze ihren realen Grund haben, sowieso.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH