„Die verspätete Aktualität des kommunistischen Manifests“ findet man als weiteren Untertitel, sobald man das Buch dann aufgeschlagen hat. Das weckt etwas die gruselige Erwartung der Verteidigung einer toten Ideologie, deren Prämissen sowohl theoretisch als auch empirisch lange widerlegt sind. Der
Autor aber macht keine langen Umschweife, problematische Kernelemente zu analysieren und zu entblößen…mehr„Die verspätete Aktualität des kommunistischen Manifests“ findet man als weiteren Untertitel, sobald man das Buch dann aufgeschlagen hat. Das weckt etwas die gruselige Erwartung der Verteidigung einer toten Ideologie, deren Prämissen sowohl theoretisch als auch empirisch lange widerlegt sind. Der Autor aber macht keine langen Umschweife, problematische Kernelemente zu analysieren und zu entblößen und positioniert sich zunächst kritisch gegenüber Ideologien im Allgemeinen, was schon einmal etwas Vernunft verspricht. Allerdings hält er auch an einem pathologischen Zug der Ideologien fest: der Utopie. Er stellt sie als destruktives Element in Frage und erklärt die Antiideologie zur Ideologie, was sie vielleicht auch sein kann?! Jedenfalls läuft es auf die Idee hinaus, dass ein radikaler Wandel nicht ideologisch antiideologisch zurückzuweisen sei. Einen solchen kann man aber nur als erstrebenswert ansehen, wenn man eine pessimistische Sicht auf den Status quo vertritt und selbst ein Zyniker ist, wie er es Skeptikern bzw. Antiideologischen Ideologen (?) – nämlich denen, die eine pessimistische Perspektive auf das Element der Ideologie vertreten, was sich historisch wohl deutlich besser anhand der Erfahrungen vertreten lässt, als die theoretische Vorstellung es ginge doch anders – unterstellt.
Beim Lesen wird man das Gefühl nicht los, er versuche durch Cherry Picking irgendwie etwas am verrotteten marxistischen Fundament zu retten, um nicht jeglichem sozialistischen Weltbild die Grundlage zu entziehen. Aber es gibt nichts zu retten. Da hilft auch keine noch so großzügig Deutung ausgewählter Passagen. Dabei schwafelt er oft recht viel ohne wirklich erkennbare Pointe, während er sich bei manchen Themen um Trivialitäten dreht und bei anderen Themen wohl versucht der Dresche aus dem Weg zu gehen, die der versuchten Neudeutung bei zu deutlichem Ausdruck ebenfalls droht.
Seine eigene Kapitalismuskritik wirkt letztlich neben den beispiellosen Errungenschaften und Freiheiten, die das System hervorgebracht hat, wie ein pathetischer Trotzanfall, der immerzu derselben linken Leier von angeblicher Ausbeutung und Unterdrückung folgt, aber selbst ohne ideologische Einseitigkeit nicht aufrecht erhalten werden kann. Auch bei den Bezügen auf Hegel entsteht der Eindruck, er nutze ihn als Cope um sich selbst zu gaslighten, um wiederum ein linkes Weltbild aufrecht erhalten zu können. Oder Hegel war tatsächlich so ein Schwurbler, was ich leider nicht beurteilen kann.
Im hinteren Teil des Buches folgt der Originaltext. Die Vorreden der verschiedenen Ausgaben scheinen recht überflüssig. Der Text selbst ist das, was man erwartet und zeigt recht gut, dass Gewalt und Wahnhaftigkeit den Ideen von Anbeginn inhärent waren und es nicht erst eines Lenins oder gar Stalins bedarf, um dystopische Zustände herbeizuführen. „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ (S.145) Dazu kommt mir das milton’sche Zitat in den Sinn: „Besser ist es, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel dienen.“
An welcher Stelle sich letztlich eine angebliche Aktualität konkret ableiten lässt bleibt letztlich schleierhaft.
Letztendlich liefert dieses Buch keinen ausreichenden Erkenntnisgewinn. Es wird weder eine vernünftige Sichtweiße klar herausgearbeitet, noch eine neue Sichtweise als unvernünftig entblößt. Dafür wird in dem ohnehin schon nicht besonders umfangreichen Werk viel darum herum geschrieben. Daher rate ich vom Lesen ab. Es ist davon auszugehen, dass bessere kritische Literatur zum Thema, auch aus linker Perspektive zu finden ist.