Mit Romanen über junge, selbstbewusste Frauen, die in der Gesellschaft der Weimarer Republik ihren Weg suchen, machte Irmgard Keun im Berlin der Weltwirtschaftskrise Furore. Die Nationalsozialisten verboten ihre Bücher und vertrieben sie ins Exil. Heute zählt Das kunstseidene Mädchen zu den Klassikern der Berlin-Literatur. Mit großem Sprachwitz schildert der Roman die Odyssee der minderjährigen Doris durch Bars und Betten, Mietskasernen und Luxuswohnungen, Kinos und Bahnhofswartesäle.Das kunstseidene Berlin stellt erstmals alle Schauplätze mit Fotos, Adressen und Dokumenten vor. In den Blick kommen auch die Kindheitsorte Irmgard Keuns, die in Charlottenburg geboren wurde und in Wilmersdorf zur Schule ging, ehe die Familie nach Köln umzog. Erzählt wird, wie Keun 1931 in Berlin einen Verlag fand, wie sie sich 1933 in einen "nichtarischen" Charité-Arzt verliebte und versuchte, als unerwünschte Autorin im nationalsozialistischen Deutschland zu überleben. Unbekannte Briefe und Dokumente aus Archiven beleuchten ihre damalige Schreibsituation und ihre Kontakte nach Ost-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Entdeckungsreise auf den Spuren einer herausragenden Autorin der Moderne streift das Berlin der Kaiserzeit, der Weimarer Republik, der NS-Zeit, der frühen DDR-Jahre - und verliert die Gegenwart nie aus dem Blick.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Rose-Maria Gropp folgt Michael Bienert durch das Berlin der Irmgard Keun, so wie die Romane der Autorin es widerspiegeln. Sie erlebt den etwas schäbigen Glanz aus dem "kunstseidenen Mädchen", lernt in Zitaten den teils expressionistischen, teils neu-sachlichen Stil Keuns kennen und erlebt mit Gewinn, wie Bienert Erzählhandlungen und Biografie, äußere und innere Topografie zusammenführt. Ruhm und Fall (im Nationalsozialismus) der Autorin werden für die Rezensentin ebenso nachvollziehbar wie das fiebrige Berlin ab Ende der Weimarer Zeit, das der Band laut Gropp auch in Fotos, Stadtplänen, Werbung und Zeitungsartikeln einfängt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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