Juan MarÌa Brausen steckt in einer tiefen Krise. Mit vierzig Jahren scheint das Leben für ihn keine Überraschungen mehr parat zu haben: „Mittlerweile bin ich dieser kleine, schüchterne, unveränderliche Mann, verheiratet mit der einzigen Frau, die mich verführt hat, außerstande, (...) die Willenskraft zu haben, ein anderer zu sein.“ Brausen hat sein frustrierendes Leben satt. Er möchte ausbrechen. Nur wie? Beim Schreiben eines Drehbuchs erfindet er eine neue Existenz, einen Doppelgänger. Er beginnt, dessen Leben zu führen. Es ist das Gegenteil seiner bislang so bürgerlichen Existenz, ein Leben voller Prostituierten, Kriminalität und Drogen, aber auch voller Liebe und Begehren.
Das kurze Leben (1950) ist Onettis wichtigster Roman. Die fiktive Stadt Santa MarÌa, die er darin erstehen lässt, wird zum Hintergrund mehrerer späterer Romane. Der Text gilt als Wegbereiter und Vorläufer des modernen lateinamerikanischen Romans, wie man ihn später etwa bei Gabriel Garcìa Marquez oder Mario Vargas Llosa findet. Er erzählt mit viel Raffinesse die Geschichte eines Mannes, der aus seinem Leben ausbricht und sich neu erfindet.
Das kurze Leben (1950) ist Onettis wichtigster Roman. Die fiktive Stadt Santa MarÌa, die er darin erstehen lässt, wird zum Hintergrund mehrerer späterer Romane. Der Text gilt als Wegbereiter und Vorläufer des modernen lateinamerikanischen Romans, wie man ihn später etwa bei Gabriel Garcìa Marquez oder Mario Vargas Llosa findet. Er erzählt mit viel Raffinesse die Geschichte eines Mannes, der aus seinem Leben ausbricht und sich neu erfindet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.1999Aufgelesen
Der Suhrkamp Verlag bringt seit einiger Zeit innerhalb seiner Taschenbuchreihe "suhrkamp taschenbücher" eine kleine Serie "Die Romane des Jahrhunderts" heraus, die - im Gegensatz zu den unbekümmert eklektischen Entdeckungen des weiland "Rowohlt Jahrhundert" - mit "Ulysses", "Eine Liebe von Swann" und "Das Schloß" sich schon früh kanonische Maßstäbe gesetzt hat, angesichts derer verlagspolitisch naheliegende Titel wie "Narziß und Goldmund" oder "Halbzeit" eine etwas kuriose Figur machen. Nun ist jedoch ein neuer Titel hinzugekommen, der auch in der nobelsten Romangesellschaft des Säculums das Entrée hat: Juan Carlos Onettis Roman "La vida breve" aus dem Jahre 1950, 1978 von Curt Meyer-Clason übersetzt - eine phantastische und wirklichkeitsgetreue Meditation über die unzulängliche Kürze des Menschenlebens und über den Irrealis, der uns treibt, lebend und schreibend andere Existenzen zusammenzuträumen, ein leuchtend schwarzes und gewalttätig stilles Buch. Durs Grünbein stellt nun, in seinem begeisterten Nachwort zur Neuauflage, der beim deutschen Lesepublikum endemischen Begeisterung für den magischen Realismus à la García Márquez die lange Zeit unerschütterliche Ignoranz desselben Publikums für Onetti entgegen. Der Suhrkamp Verlag hat für diesen Autor, der heute neunzig Jahre alt geworden wäre, viel getan; man wünscht dem schön ausgestatteten neuen Buch endlich viele Leser. Denn was ist ein Klassiker? Laut Calvino ein Buch, von dem man nie gestehen würde: "Ich lese das . . .", sondern nur sagen wollte: "Ich lese jetzt wieder das . . ." Tun wir es wenigstens in diesem Falle, in unserem kurzen Leben. (Juan Carlos Onetti: "Das kurze Leben". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Curt Meyer-Glason. Mit einem Nachwort von Durs Grünbein. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1999. 438 S., geb., 22,80 DM.)
JOACHIM KALKA
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Suhrkamp Verlag bringt seit einiger Zeit innerhalb seiner Taschenbuchreihe "suhrkamp taschenbücher" eine kleine Serie "Die Romane des Jahrhunderts" heraus, die - im Gegensatz zu den unbekümmert eklektischen Entdeckungen des weiland "Rowohlt Jahrhundert" - mit "Ulysses", "Eine Liebe von Swann" und "Das Schloß" sich schon früh kanonische Maßstäbe gesetzt hat, angesichts derer verlagspolitisch naheliegende Titel wie "Narziß und Goldmund" oder "Halbzeit" eine etwas kuriose Figur machen. Nun ist jedoch ein neuer Titel hinzugekommen, der auch in der nobelsten Romangesellschaft des Säculums das Entrée hat: Juan Carlos Onettis Roman "La vida breve" aus dem Jahre 1950, 1978 von Curt Meyer-Clason übersetzt - eine phantastische und wirklichkeitsgetreue Meditation über die unzulängliche Kürze des Menschenlebens und über den Irrealis, der uns treibt, lebend und schreibend andere Existenzen zusammenzuträumen, ein leuchtend schwarzes und gewalttätig stilles Buch. Durs Grünbein stellt nun, in seinem begeisterten Nachwort zur Neuauflage, der beim deutschen Lesepublikum endemischen Begeisterung für den magischen Realismus à la García Márquez die lange Zeit unerschütterliche Ignoranz desselben Publikums für Onetti entgegen. Der Suhrkamp Verlag hat für diesen Autor, der heute neunzig Jahre alt geworden wäre, viel getan; man wünscht dem schön ausgestatteten neuen Buch endlich viele Leser. Denn was ist ein Klassiker? Laut Calvino ein Buch, von dem man nie gestehen würde: "Ich lese das . . .", sondern nur sagen wollte: "Ich lese jetzt wieder das . . ." Tun wir es wenigstens in diesem Falle, in unserem kurzen Leben. (Juan Carlos Onetti: "Das kurze Leben". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Curt Meyer-Glason. Mit einem Nachwort von Durs Grünbein. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1999. 438 S., geb., 22,80 DM.)
JOACHIM KALKA
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