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Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung war im Ersten Weltkrieg keineswegs nur auf die Exzesse Einzelner zurückzuführen. Die Übergriffe waren systematisch geplant und offiziell angeordnet. Sie waren Teil der Kriegsführung. Seit dem Ersten Weltkrieg, das dokumentiert dieser Band auf eindrückliche Weise, gehört der Krieg gegen Zivilisten zum Instrumentarium eines jeden modernen Krieges.Anton Holzer hat in jahrelangen Forschungen Fotodokumente zusammengetragen und analysiert, die von diesem brutalen Feldzug gegen die Zivilbevölkerung berichten. Viele der Hinrichtungen sind in Fotografien…mehr

Produktbeschreibung
Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung war im Ersten Weltkrieg keineswegs nur auf die Exzesse Einzelner zurückzuführen. Die Übergriffe waren systematisch geplant und offiziell angeordnet. Sie waren Teil der Kriegsführung. Seit dem Ersten Weltkrieg, das dokumentiert dieser Band auf eindrückliche Weise, gehört der Krieg gegen Zivilisten zum Instrumentarium eines jeden modernen Krieges.Anton Holzer hat in jahrelangen Forschungen Fotodokumente zusammengetragen und analysiert, die von diesem brutalen Feldzug gegen die Zivilbevölkerung berichten. Viele der Hinrichtungen sind in Fotografien festgehalten. Aufgenommen wurden die Bilder von Soldaten und Offizieren, die als Schaulustige und Voyeure Zeugen der Gewalttaten waren. Immer wieder stoßen wir auf ein und dieselbe Szene: Henker und Schaulustige umringen den Getöteten und lächeln triumphierend in die Kamera. Warum, so fragt der Autor, wurde an den Schauplätzen der Gewalt so häufig fotografiert? Ausgehend von Fotos aus dem Ersten Weltkrieg und weiteren Beispielen aus der Geschichte des Krieges beschäftigt er sich mit der Faszination der Gewalt in Bildern. Unweigerlich endet diese Rekonstruktion bei den Fotos aus Abu Ghraib.
Autorenporträt
Anton Holzer, geb. 1964, Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie, Dr. phil., ist Herausgeber der Zeitschrift Fotogeschichte . Er arbeitet als Fotohistoriker, Publizist und Ausstellungskurator in Wien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2009

Die dokumentarische Evidenz der Bilder bleibt zweifelhaft
Anton Holzer will mit dem Buch „Das Lächeln der Henker” belegen, dass der ganze Erste Weltkrieg von Gräueltaten an der Zivilbevölkerung geprägt war
Anton Holzer ist ein international renommierter Kenner der Fotogeschichte des Ersten Weltkrieges. Seine Arbeiten, etwa „Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg” (2007) sind Vorreiter einer kritischen Geschichte der Kriegsfotografie. Holzers neues Buch verfolgt diese Spur produktiv weiter, und der Leser wird in den einzelnen Abschnitten dieses Werkes, die allerdings nur lose miteinander verbunden sind, viel Neues, Aufschlussreiches und Weiterführendes entdecken.
Insgesamt geht es Anton Holzer darum nachzuweisen, dass der Erste Weltkrieg keineswegs, wie so häufig angenommen, in erster Linie ein „Krieg der Soldaten” gewesen sei und sich nicht wirklich auf die Zivilbevölkerung ausgewirkt habe. Holzer widerspricht dieser gängigen Meinung dezidiert: Der Krieg habe sich „mindestens ebenso gegen die Zivilbevölkerung” gerichtet wie gegen die Soldaten. Das ist eine pointierte, ja scharfe These. Was spricht für ihre Richtigkeit?
Tatsächlich kann Holzer zeigen, dass der Erste Weltkrieg an der Ostfront in den ersten Monaten nach Kriegsausbruch von ungeheuerlichen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung geprägt war, so wie wir es durch die Arbeiten von John Horne und Alan Kramer („Kriegsgräuel 1914”, 2004) seit einiger Zeit für den „belgischen Fall” kennen. In Belgien hatten deutsche Soldaten beim eiligen Durchmarsch „nach Paris” mehr als 6000 Zivilisten auf barbarische Weise umgebracht, weil sie hinter jedem Busch einen „Freischärler” vermuteten. So war es offensichtlich auch im Osten, insbesondere an der von Holzer genau dokumentierten austro-serbischen Front.
„Serbien muss sterbien”
Die beigegebenen Fotos, arrangiert wie ein Fließband von aufgehängten Zivilisten, sind erhellend, genau wie die Dokumente, die Holzer aus serbischen und österreichischen Archiven zusammengetragen hat. Hinzu kommen zeitgenössische Dokumentationen, insbesondere der „Reiss-Bericht” von 1915. Diese im Auftrag der serbischen Regierung, aber mit größter Umsicht verfasste Dokumentation eines Schweizer Kriminologen ist Fachleuten gut bekannt, aber es ist richtig, ihn auf diesem Weg auch einer breiteren historisch interessierten Öffentlichkeit, an die sich Holzers Buch richtet, zugänglich zu machen. Es geht kein Weg daran vorbei: Der Krieg wurde 1914 mit größter Abscheulichkeit auch gegen Zivilisten geführt, im Osten wie Westen.
Allerdings fragt es sich, ob das so weiterging. War diese Gewalt gegen Zivilisten für den gesamten Krieg typisch? Für die Westfront ist das entschieden zu verneinen. Die „atrocities” beschränkten sich auf die Phase des wüsten Durchmarsches durch Belgien und Nordfrankreich und hörten mit der Stabilisierung der Fronten Ende 1914 fast gänzlich auf. Für die Teile der von Holzer untersuchten Ostfront muss die Frage vorerst offen- bleiben, da er sich stark auf die Ereignisse zu Beginn des Krieges konzentriert. Nicht von ungefähr stammen die meisten Bilder von erhängten „Spionen” aus den Jahren 1914/1915, gemäß der hysterischen Aufgeregtheit zu Beginn des Krieges (davon handelt das überzeugende Kapitel „Spione sehen”). Holzer kann zwar auch noch schreckliche Judenpogrome nach der Niederlage zeigen, aber die These des Buches ist somit vielleicht doch noch nicht hinreichend begründet.
Desungeachtet sind die Bilder in diesem Buch beeindruckend. Sie zeugen vom hohen Grad der Hysterie zu Beginn des Krieges. Die österreich-ungarischen Soldaten waren voller Hass gegen Serbien, und Vorkriegssprüche wie „Serbien muss sterbien” wurden nur allzu wörtlich genommen. Auch scheint die Brutalität ziemlich einseitig gewesen zu sein, denn die österreichisch-ungarische Regierung hatte größte Mühe, im Propagandakrieg von den Serben angerichtete Gräueltaten namhaft zu machen.
Weitere aufschlussreiche, aber nur bedingt mit diesem Thema zusammenhängende Kapitel sind der Darstellung von Kriegsgräueln in Magnus Hirschfelds berühmter „Sittengeschichte des Krieges” aus dem Jahre 1930 und Ernst Friedrichs nicht minder berühmter Foto-Montage „Krieg dem Kriege” von 1924 gewidmet. Man erhält eine weit ausgreifende „Dokumentation” von Kriegsverbrechen, wobei aber doch viele Fragen offenbleiben (müssen), etwa die, ob und in welchem Maße es an der österreichisch-serbischen Front wirklich Spione und Freischärler gegeben hat (einige Belege finden sich in dem Buch), die nach Kriegsrecht ohne weiteres gehängt werden durften.
Solchen anti-kritischen Fragen stellt sich Holzer leider nicht, sie hätten das Buch aber offener gemacht für weitere Forschung. Auch der Titel des Buches ist dem Rezensenten zu polemisch und sensationsheischend. „Lächeln der Henker”, ist das nicht eher ein sadistisches oder zufriedenes Grinsen? Gaffer, die sich an den Erhängten ergötzen? Karl Kraus, den Holzer insgesamt stark rezipiert, hat dieses „Lächeln” in seinen „Letzten Tagen der Menschheit” thematisiert, die gezeigten Fotos beweisen indessen nichts davon. Es gibt keine „lächelnden” Henker; der vom Titelbild des Buches (mit dem erhängten Cesare Battisti) lacht stolz und zufrieden genau wie seine Gehilfen. Auch die von Holzer beklagten „Gaffer” sind nicht evident. Wer will sagen, ob die bei den Erhängungszenen dabeistehenden Soldaten und Zivilisten nicht zur Exekution abkommandiert oder zum Zuschauen gezwungen worden sind? Hat nicht Holzer selber uns seit Jahren gezeigt, wie wichtig es ist, Bilder tiefenscharf anzusehen – also nicht mehr in sie hineinzulesen, als sie sagen können? Bei allem Respekt auch für diese Quellenforschung: Holzers neues Buch ist nicht frei von Einseitigkeiten und mit Fotos „belegten” Behauptungen, deren dokumentarische Evidenz aber zweifelhaft bleibt. GERD KRUMEICH
ANTON HOLZER: Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914-1918. Primus Verlag, Darmstadt 2009. 244 S., 39,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr interessiert hat sich Historiker Gerd Krumeich mit dem jüngsten Buch Anton Holzers auseinandergesetzt, der als bedeutender Kenner der Fotogeschichte des Ersten Weltkriegs gilt. Mit seinem Buch will der Autor die These belegen, dass der Erste Weltkrieg nicht, wie allgemein angenommen, vor allem ein Krieg unter Soldaten gewesen ist, sondern dass er von Anfang an massiv gegen die Zivilbevölkerung gerichtet war, lässt uns der Rezensent wissen. Insbesondere die Fotos, die gerade für die Ostfront zahlreiche Kriegsgräuel an Zivilisten belegen, untermauern den Befund, wie Krumeich herausstreicht. Für den Ersten Weltkrieg im Ganzen gesehen allerdings ist der Rezensent nicht überzeugt, und er meint, dass hier noch "viele Fragen offen" bleiben. Die "anti-kritische" Frage danach, ob es beispielsweise an der österreichisch-serbischen Front, wo viele Zivilisten als angebliche Spione gehängt wurden, tatsächlich Spione gegeben hat, hätte sich Krumeich gewünscht. Ärgerlich findet der Rezensent den reißerischen Titel des Bandes. Hier zeigt er sich vom Autor als ausgewiesene Autorität der Fotogeschichte enttäuscht, denn vom "Lächeln der Henker" könne bei Sichtung der Fotos keine Rede sein.

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