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»Du bist nicht so wie andere Mütter« - Von klein auf weiß Delphine, dass ihre Mutter talentierter, schöner, unkonventioneller ist als andere. Wie wenig diese jedoch dem Leben gewachsen ist, erkennt die Tochter erst als Erwachsene. Warum hat Lucile sich für den Freitod entschieden? Diese Frage treibt Delphine seit dem Tag um, an dem sie ihre Mutter tot aufgefunden hat. Sie trägt Erinnerungsstücke zusammen, spricht mit den Geschwistern ihrer Mutter, mit alten Freunden und Bekannten der Familie. Es entsteht das Porträt einer widersprüchlichen und geheimnisvollen Frau, die ihr ganzes Leben auf der…mehr

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Produktbeschreibung
»Du bist nicht so wie andere Mütter« - Von klein auf weiß Delphine, dass ihre Mutter talentierter, schöner, unkonventioneller ist als andere. Wie wenig diese jedoch dem Leben gewachsen ist, erkennt die Tochter erst als Erwachsene. Warum hat Lucile sich für den Freitod entschieden? Diese Frage treibt Delphine seit dem Tag um, an dem sie ihre Mutter tot aufgefunden hat. Sie trägt Erinnerungsstücke zusammen, spricht mit den Geschwistern ihrer Mutter, mit alten Freunden und Bekannten der Familie. Es entsteht das Porträt einer widersprüchlichen und geheimnisvollen Frau, die ihr ganzes Leben auf der Suche war - nach Liebe, Glück und nicht zuletzt nach sich selbst. Gleichzeitig zeichnet Delphine das lebendige Bild einer französischen Großfamilie im Paris der 50er und 60er Jahre. Erinnerung um Erinnerung lernt sie ihre Mutter und schließlich auch sich selbst zu verstehen.
Autorenporträt
de Vigan, Delphine
Delphine de Vigan wurde 1966 in Paris geboren, wo sie heute noch mit ihren zwei Kindern lebt. Sie arbeitet tagsüber für ein soziologisches Forschungsinstitut und schreibt nachts, wenn alle schlafen, ihre Romane. Ihr dritter Roman, "No & ich", wurde in 11 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet (u. a. 2008 mit dem Prix des Libraires und dem Prix Rotary International). Auch "Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin" war für den Prix Goncourt nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2013

Ich hasse dich, verlass mich nicht
Delphine de Vigans autobiographischer Bericht "Das Lächeln meiner Mutter" kann die Wunde nicht heilen

Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie man es eigentlich nicht machen sollte: Auf dem Cover dieses Buches ist das Schwarzweißfoto einer Frau im Halbprofil zu sehen; sie hat die Ellbogen auf einen Tisch gestützt, in der linken Hand hält sie eine Zigarette, den Mund hat sie leicht geöffnet, das blonde Haar hinter die Ohren geschoben, die Augen mit Kajalstift dunkel umrandet, und die Art, wie sie da sitzt, die Nonchalance dieser Sechzigerjahre-Pose, die ja gar keine ist, sondern nur so aussieht, ist absolut beeindruckend, kurzum: Sie sieht phantastisch aus.

Unter diesem Bild steht dann der Titel des Buches, der lautet "Das Lächeln meiner Mutter". Und die Assoziation, die das Foto in Zusammenhang mit diesem Titel zwangsläufig hervorruft, ist die eines seichten Liebesromans, in dem eine schöne Frau im Paris der wilden Jahre einen nicht minder schönen Mann verführt. Vermutlich wird das Ganze tragisch enden, aus diesen oder jenen Gründen. So genau möchte man das dann schon nicht mehr wissen. Denn solche Bücher, so geht die Assoziationskette weiter, gibt es zuhauf, und man möchte seine Zeit lieber nicht mit ihnen vergeuden. Und doch - würde man diesem naheliegenden Impuls folgen, liefe man Gefahr, ein wirklich bemerkenswertes Buch zu verpassen.

Es kann ja auch nichts dafür, dass die Verantwortlichen des deutschen Verlags auf die, pardon, schwachsinnige Idee kamen, den französischen Titel "Rien ne s'oppose à la nuit" mit "Das Lächeln meiner Mutter" zu übersetzen. Noch dazu ohne Not. Das Original ist ein Zitat aus dem Chanson "Osez Josephine" von Alain Bashung und Jean Fauque und hätte sich problemlos mit "Nicht widersteht der Nacht" oder "Nichts steht der Nacht entgegen" übertragen lassen. Dies wäre nicht nur korrekt gewesen, man hätte damit auch gleich jene besondere Ambivalenz angedeutet, die den Kern des Buches ausmacht und die in der Diskrepanz zwischen der großen Schönheit seiner Hauptperson - ebenjener Frau auf dem Cover - und ihrem grauenvollen Schicksal nur einen Ausdruck findet.

Die Frau heißt Lucile Poirier, das ist zumindest das Pseudonym, mit dessen Hilfe sie einst vergeblich versuchte, ein paar selbstgeschriebene Texte zu veröffentlichen. Schon lange war der Name in Vergessenheit geraten, nun aber hat ihn die Tochter, Delphine de Vigan, wieder hervorgeholt. Delphine de Vigan, 1966 in Paris geboren, ist eine in Frankreich keineswegs unbekannte Autorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht, von denen mindestens eines ähnliche autobiographische Züge aufwies wie das nun erschienene Werk. In "Jours sans faim" erzählte sie 2001 von einem jungen Mädchen, das an Magersucht erkrankt ist. Diese Krankheit, das erfahren wir jetzt, hängt unmittelbar mit der Geschichte ihrer Mutter zusammen, einer Frau, die so wenig in der Lage war, ihre Rolle als verantwortliches Familienoberhaupt auszufüllen, dass ihre Kinder viel früher, als ihnen guttat, lernen mussten, auf eigenen Füßen zu stehen.

Den Anfang und das Ende des Buches bildet daher, das sei an dieser Stelle schon erwähnt, der Selbstmord von de Vigans Mutter. Am Freitag, dem 25. Januar 2008, setzte sie ihrem Leben in der winzigen Sozialwohnung, die sie am Rand von Paris bewohnte, ein Ende. Die Tochter Delphine fand sie, nachdem sie mehrere Tage lang vergeblich versucht hatte, Lucile zu erreichen, auf dem Bett liegend vor, mit blau angelaufenen Fingerknöcheln und einer Schimmelspur auf der Wange. Ein paar Jahre später begann sie, die Geschichte der Mutter aufzuschreiben.

Diesem Schreiben ging eine Art Familienrecherche voraus, die durchaus selbsttherapeutische Züge hatte und auch haben sollte. Delphine de Vigan macht keinen Hehl daraus, dass die Suche nach den Ursachen für den Suizid der Mutter, dem ein Leben vorausging, in dessen Verlauf Lucile nicht nur mehrmals wegen einer bipolaren Störung in eine Nervenheilanstalt kam, sondern auch das Sorgerecht für ihre Kinder, den Arbeitsplatz und diverse Geliebte verlor, dass diese Erforschung also auch eine Suche nach den Gründen für das eigene Schreiben war. Um dies ins Werk zu setzen, wechselt de Vigan ständig die Erzählperspektive zwischen der dritten und der ersten Person: Dort, wo es um die Mutter geht, um deren Kindheit in einer Schar von sieben weiteren Geschwistern, um die tragischen Todesfälle in der Familie und um den sexuellen Missbrauch durch den Vater Georges, für den es allerdings keine Beweise, nur Indizien gibt ("Vielleicht ist das das Schwierigste, dass man Georges nie hassen, ihn aber auch nie ganz freisprechen konnte. Lucile hat uns als Erbe diesen Zweifel hinterlassen, und der Zweifel ist ein Gift"), immer dort schreibt Delphine de Vigan wie eine Biographin, die mehr weiß, als sie verrät. Und dort, wo es um sie selbst geht, wählt sie die Perspektive eines erlebenden Ichs. Erlebend ist es deswegen, weil de Vigan wieder und wieder die Folgen ihrer Enthüllungen für das eigene Schreiben reflektiert - und weil dieser Reflexion die Möglichkeit eines Scheiterns ständig innewohnt. "Schreiben", so heißt es etwa an einer Stelle", "verschafft Zugang zu gar nichts."

Der Versuch von Delphine de Vigan, den Tod der Mutter in einen größeren Zusammenhang zu betten, eine Ursache zu erkennen, um Klarheit und Trost zu finden, mündet somit in das Anerkennen jener alles durchdringenden Ambivalenz, von der schon die Rede war. Sie zeichnet nämlich nicht nur Lucile aus, die "eine seltsame Mischung aus krankhafter Scheu und Selbstbehauptung" war. Sie ist auch das charakteristische Merkmal der gesamten Familie, die sich in der Lage zeigte, unvergessliche, grandios fröhliche Ferien mit fünfunddreißig Personen zu organisieren und gleichzeitig die Augen vor den sexuellen Übergriffen des Patriarchen Georges zu verschließen. Schließlich hält die Ambivalenz eben auch in die Sprache selbst Einzug, wobei Delphine de Vigan klug genug ist, sich das Heft nicht vollständig aus der Hand nehmen zu lassen. Der Spannungsbogen, den sie über die zahlreichen, überall sich auftuenden Abgründe hinweg baut, hält jedenfalls bis zum letzten Buchstaben.

LENA BOPP

Delphine de Vigan: "Das Lächeln meiner Mutter".

Aus dem Französischen von Doris Heinemann. Droemer Knaur Verlag, München 2013. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Lena Bopp weiß Delphine de Vigans autobiografischen Bericht über ihre Mutter zu schätzen, auch wenn ihr der deutsche Titel des Buchs irreführend erscheint. Eindrucksvoll beschreibe die französische Schriftstellerin das Schicksal ihrer Mutter: von den gescheiterten Versuchen, als Autorin Fuß zu fassen, von Kindheit, bipolarer Störung, Aufenthalten in Kliniken, vom Entzug der elterlichen Sorge für ihre Kinder, vom Verlust des Arbeitsplatzes und nicht zuletzt vom Suizid der Mutter. Bopp sieht in dem Buch zugleich die Suche der Autorin nach den Gründen für ihr eigenes Schreiben abgebildet. Sie hebt den Wechsel der Erzählperspektive zwischen der ersten und der dritten Person hervor, und sie lobt den gekonnten Spannungsbogen, der durchgehend hält.

© Perlentaucher Medien GmbH
Dort, wo es um die Mutter geht, schreibt Delphine de Vigan wie eine Biographin, die mehr weiß, als sie verrät. Und dort, wo es um sie selbst geht, wählt sie die Perspektive eines erlebenden Ichs. Erlebend ist es deswegen, weil de Vigan wieder und wieder die Folgen ihrer Enthüllungen für das eigene Schreiben reflektiert. - und weil dieser Reflexion die Möglichkeit eines Scheiterns ständig innewohnt. ... Den Spannungsbogen, den sie über die zahlreichen, überall sich auftuenden Abgründe hinweg baut, hält jedenfalls bis zum letzten Buchstaben. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20130511