Als die Schildbürger noch Lalen hießen: Die Welt steht Kopf, die Komik feiert Urstände. In sprachgenialer Übertragung bringt Reinhard Kaiser uns ein Grundbuch deutschen Humors wieder nahe.
Till Eulenspiegel, Dr. Faustus und das Schildbürgerbuch sind die berühmten Volksbücher des 16. Jahrhunderts. Das Schildbürgerbuch allerdings ist ein dreistes Plagiat des wenige Monate zuvor publizierten Lalebuchs; jemand hat den Titel geändert und das Wort »Lale« durch »Schildbürger« ersetzt. Sonst sind die Bücher weitgehend textgleich. Grimmelshausen-Übersetzer Reinhard Kaiser hat nun den echten »ersten komischen Roman Deutschlands« in modernes Deutsch übertragen, unter Beibehaltung des Sprachwitzes und -wahnsinns der Zeit.
Was geschieht? In Laleburg herrscht großes Durcheinander. Die durch ihre Weisheit im ganzen Land bekannten Männer dienen an den Höfen fremder Fürsten und Könige als Berater, die Frauen müssen die entvölkerte Stadt allein regieren - ein Zustand, der niemanden glücklich macht. Man schmiedet einen Plan: Die Männer sollen zurückkehren. Und dann nur noch närrisch agieren; so wird man sie in Frieden bei ihren Frauen in Laleburg lassen. Also begehen die Lalen eine skurrile Tat nach der anderen: Sie bauen ein Rathaus ohne Fenster, wollen das Tageslicht in Säcken tragen, stellen einen Krebs vor Gericht und und und ...
Ein vergessenes Kleinod in neuem Licht: Jetzt werden die kuriosen Geschichten der Lalen endlich wieder einer breiteren Lesewelt zugänglich gemacht. Erstmals mit dem fast vergessenen, jedoch urkomischen und lügengespickten Anhang des Lalebuch-Erstdrucks: die »Neuen Zeitungen aus der ganzen Welt«.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Till Eulenspiegel, Dr. Faustus und das Schildbürgerbuch sind die berühmten Volksbücher des 16. Jahrhunderts. Das Schildbürgerbuch allerdings ist ein dreistes Plagiat des wenige Monate zuvor publizierten Lalebuchs; jemand hat den Titel geändert und das Wort »Lale« durch »Schildbürger« ersetzt. Sonst sind die Bücher weitgehend textgleich. Grimmelshausen-Übersetzer Reinhard Kaiser hat nun den echten »ersten komischen Roman Deutschlands« in modernes Deutsch übertragen, unter Beibehaltung des Sprachwitzes und -wahnsinns der Zeit.
Was geschieht? In Laleburg herrscht großes Durcheinander. Die durch ihre Weisheit im ganzen Land bekannten Männer dienen an den Höfen fremder Fürsten und Könige als Berater, die Frauen müssen die entvölkerte Stadt allein regieren - ein Zustand, der niemanden glücklich macht. Man schmiedet einen Plan: Die Männer sollen zurückkehren. Und dann nur noch närrisch agieren; so wird man sie in Frieden bei ihren Frauen in Laleburg lassen. Also begehen die Lalen eine skurrile Tat nach der anderen: Sie bauen ein Rathaus ohne Fenster, wollen das Tageslicht in Säcken tragen, stellen einen Krebs vor Gericht und und und ...
Ein vergessenes Kleinod in neuem Licht: Jetzt werden die kuriosen Geschichten der Lalen endlich wieder einer breiteren Lesewelt zugänglich gemacht. Erstmals mit dem fast vergessenen, jedoch urkomischen und lügengespickten Anhang des Lalebuch-Erstdrucks: die »Neuen Zeitungen aus der ganzen Welt«.
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Ein willkommen hellsichtiges Vergnügen Oliver Jungen FAZ 20211007
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Oliver Jungen bekommt mit der von Reinhard Kaiser herausgegebenen Lalebuch-Ausgabe ein "hellsichtiges Vergnügen". An den Holzschnitten erfreut er sich ebenso wie am Nachwort, das seiner Meinnung nach "profunder" hätte sein dürfen. Vor allem aber der sprachliche Humor der an die Schildbürgstreiche angelehnten romanhaften Anekdotensammlung für Jungen etwas Herzerfrischendes. Reinhard Kaisers Übersetzung unterstreicht den Sprachwitz laut Jungen mit genauer Abbildung und behutsamen Eingriffen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2021Denkwürdiges für die Riesenrübe
Das Glück ist mit den Dummen: Reinhard Kaiser hat die Urfassung der Schildbürger-Sage neu ediert.
Laleburg ist überall. Und nicht einmal übermäßig zu schämen brauchen sich die Nachfahren der Lalen, wenn sie, sagen wir, in Berlin leben und einen Flughafen bauen wollen (den sie, welch feinste lalische Pointe, nach endlosen Verschiebungen just in dem Moment eröffnen, als kein einziger Flieger mehr abhebt), denn ihre Dummheit ist doch eine edle, und zwar rückwärts buchstabierte Weisheit. Schließlich waren die Ur-Lalen Nachfahren der alten Griechen und ein Ausbund an Klugheit. Weil sie jedoch nicht länger als gefragte Berater an Königshöfen darben wollten, stellten sie sich schlau dumm, allerdings derart erfolgreich, dass sie selbst den Unterschied irgendwann vergaßen. Das mag erklären, wie vernarrt das Publikum seit dem späten sechzehnten Jahrhundert in jene Narren ist, die wir unter dem Namen "Schildbürger" kennen, wobei da schon ein erster Schildbürgerstreich zugrunde liegt, ein Plagiat, so dreist, dass man damit durchkam und einen Bucherfolg erster Güte landete.
Schließlich hat der unbekannte Autor des "Schildbürger"-Buches von 1598, und da können selbst Armin Laschet und Annalena Baerbock noch etwas lernen, aus dem weit weniger bekannten "Buch der Lalen" von 1597 nicht nur abgeschrieben, sondern kurzerhand alles übernommen - bis auf die Worte "Lalen" und "Laleburg", aus denen "Schildbürger" und "Schilda" wurden (trotzdem eine herbe Entstellung, weil der Begriff "Bürger" die bäuerliche Lebensweise der Lalen verschleierte). So ließe sich heute, zumal uns die neueste Lalen-Sendung aus Berlin erreicht, ein weiterer verlegerischer Schildbürgerstreich vermuten: dass nämlich das in unzählbaren Ausgaben, Auflagen und Überarbeitungen verbreitete "Schildbürger"-Buch hier einfach noch einmal frisch herausgegeben wurde, nur diesmal wieder als "Lalebuch" annonciert, eine Rückplagiatisierung gewissermaßen.
Aber dem ist mitnichten so, jedenfalls nicht zur Gänze, denn was uns der Galiani Verlag da präsentiert, ist die Geschichte in ihrer ganzen initialen Wucht. Das ist das Verdienst des Herausgebers und Übersetzers Reinhard Kaiser, der bereits mit Grimmelshausen-Ausgaben auf sich aufmerksam gemacht und zuletzt Schriften des weitsichtigen Erotomanen Rétif de la Bretonne, eines Beobachters der französischen Revolutionszeit, in prächtigen Auszügen übersetzt hat. Dass die vorliegende Ausgabe des "Lalebuchs" so sehr zu überzeugen weiß, liegt zum einen daran, dass sie die besondere Anlage dieses Textes als in sich geschlossenen Roman mit Einstieg (Rahmenhandlung und weiser Narrenpakt), Mittelpart (Bau des Rathauses ohne Fenster, Wahl des Schweinehirten zum Schultheißen, Besuch des Kaisers, kuriose Beispiele für die in alle Bereiche ausgreifende Dummheit) und Schluss (ein selbstgelegter Brand, der Laleburg komplett zerstört, aber zugleich für die pandemische Ausbreitung des Lalentums sorgt) wieder erkennbar macht, und zwar im Gegensatz zu vielen "Schildbürger"-Adaptionen, die eher Schwanksammlungen darstellen, obwohl sich der Autor von 1597 von dieser gern moralistischen mittelalterlichen Tradition dezidiert absetzt.
Zum anderen aber weiß Kaiser, dass ein "Grundbuch deutschen Humors" es verdient, eine oft ignorierte, aber ganz zentrale Ebene dieses Witzes, die sprachliche, so getreu wie möglich abzubilden und nur dort behutsam einzugreifen, wo Wendungen kaum mehr verständlich wären. So behält er Wortspiele bei ("Ich habe den Hu hu husten"), ebenso bewusst überdrehte Formulierungen: "Aber die Last hatte ihn so sehr gedrückt und so tief hinuntergezogen, dass er, nachdem er genug Wasser geschluckt hatte, ja mehr, als ihm guttat, zu Tode starb und noch heutigen Tages tot ist und tot bleiben wird, soll und muss." Hier hätte sogar das originale wüste "gesoffen" statt "geschluckt" stehenbleiben dürfen. In welchen Ehren in der Straßburger Druckerei von Bernhard Jobin der grobianische Witz gehalten wurde, sieht man nämlich schon daran, dass dort insbesondere die Werke Johann Fischarts verlegt wurden. So tut Kaiser wohl daran, eine Zeile wie "daß der Schneyder ihm den Panzerpletz für den Arß gesetzt" ohne Umschweife zu übertragen: "dass der Schneider ihm die Panzerplatte vor den Arsch gesetzt". Selbiges stellt ein fliehender Lale erleichtert fest, als eine spitze Hellebarde an seinem Allerwerten abprallt (wieder war die Narrheit, diesmal die des Schneiders, der unter "Herz" etwas anderes verstand als der Auftraggeber, lebensrettend).
Positiv anzumerken bleibt zudem, dass diese Berliner Leseausgabe den immer noch und immer wieder lustigen Anekdoten rund um die Lalen - die etwa eine wertvolle Glocke zum Schutz im See versenken und, um sie wiederzufinden, an besagter Stelle eine Kerbe ins Boot schnitzen - die im Original von 1597 beigefügte, inhaltlich nur sehr frei mit den Geschehnissen verbundene und deshalb gern übergangene Versdichtung "Neue Zeitungen aus der ganzen Welt" wieder angehängt hat. Dabei wirkt deren Inhalt um einiges aktueller als die Lalen-Narretei. "Man drucket sonst der Zeitung viel, / Täglich ohn alles Maß und Ziel" beginnt dieser Part, und er macht gleich deutlich, wo das Volk irrt: "Das glaubet alles und ahnt nicht, / dass solches oft ist nur erdicht."
Erzählt wird hier, wie sich eine Gruppe junger Zecher mit erfundenen Neuigkeiten freie Kost mehr verdient als erschleicht, denn der Wirt ist ein Liebhaber "neuer Zeitungen", wobei er die Kreativität an sich zu schätzen weiß. Durch jeweils paarweise angelegte Kapitel zeigt sich aber auch, wie sich Gerüchte verfestigen, wenn eine kaum glaubhafte Nachricht aus anderer Quelle indirekt bestätigt wird. So zweifelt der Wirt die Entdeckung einer in drei Tagen nicht zu umrundenden Riesenrübe an, bis ihm von einem weiteren Gesellen von der Arbeit an einem Riesentopf ("dreihundert Schmiede") berichtet wird: "Was man darinnen sieden will? / Weil ich's nit weiß, so schweig ich still." Da schnappt die Falle zu, denn der Wirt glaubt nun, schlauer zu sein als der Erzähler: Besagte Rübe werde der Topf wohl fassen sollen, deduziert er. Besser lässt sich der Mechanismus von Fake News kaum erklären.
So ist diese nicht zuletzt mit alten Holzschnitten schmuck gestaltete "Lalebuch"-Ausgabe, auch wenn das Nachwort ein wenig profunder hätte ausfallen dürfen, zumal bei einem derart umfassend erforschten Stoff, ein willkommen hellsichtiges Vergnügen. OLIVER JUNGEN
"Das Lalebuch". Wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte und bisher unbeschriebene Geschichten und Taten der Lalen zu Laleburg.
Aus dem Deutschen des 16. Jahrhunderts und hrsg. von Reinhard Kaiser. Galiani Berlin Verlag, Berlin 2021. 240 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Glück ist mit den Dummen: Reinhard Kaiser hat die Urfassung der Schildbürger-Sage neu ediert.
Laleburg ist überall. Und nicht einmal übermäßig zu schämen brauchen sich die Nachfahren der Lalen, wenn sie, sagen wir, in Berlin leben und einen Flughafen bauen wollen (den sie, welch feinste lalische Pointe, nach endlosen Verschiebungen just in dem Moment eröffnen, als kein einziger Flieger mehr abhebt), denn ihre Dummheit ist doch eine edle, und zwar rückwärts buchstabierte Weisheit. Schließlich waren die Ur-Lalen Nachfahren der alten Griechen und ein Ausbund an Klugheit. Weil sie jedoch nicht länger als gefragte Berater an Königshöfen darben wollten, stellten sie sich schlau dumm, allerdings derart erfolgreich, dass sie selbst den Unterschied irgendwann vergaßen. Das mag erklären, wie vernarrt das Publikum seit dem späten sechzehnten Jahrhundert in jene Narren ist, die wir unter dem Namen "Schildbürger" kennen, wobei da schon ein erster Schildbürgerstreich zugrunde liegt, ein Plagiat, so dreist, dass man damit durchkam und einen Bucherfolg erster Güte landete.
Schließlich hat der unbekannte Autor des "Schildbürger"-Buches von 1598, und da können selbst Armin Laschet und Annalena Baerbock noch etwas lernen, aus dem weit weniger bekannten "Buch der Lalen" von 1597 nicht nur abgeschrieben, sondern kurzerhand alles übernommen - bis auf die Worte "Lalen" und "Laleburg", aus denen "Schildbürger" und "Schilda" wurden (trotzdem eine herbe Entstellung, weil der Begriff "Bürger" die bäuerliche Lebensweise der Lalen verschleierte). So ließe sich heute, zumal uns die neueste Lalen-Sendung aus Berlin erreicht, ein weiterer verlegerischer Schildbürgerstreich vermuten: dass nämlich das in unzählbaren Ausgaben, Auflagen und Überarbeitungen verbreitete "Schildbürger"-Buch hier einfach noch einmal frisch herausgegeben wurde, nur diesmal wieder als "Lalebuch" annonciert, eine Rückplagiatisierung gewissermaßen.
Aber dem ist mitnichten so, jedenfalls nicht zur Gänze, denn was uns der Galiani Verlag da präsentiert, ist die Geschichte in ihrer ganzen initialen Wucht. Das ist das Verdienst des Herausgebers und Übersetzers Reinhard Kaiser, der bereits mit Grimmelshausen-Ausgaben auf sich aufmerksam gemacht und zuletzt Schriften des weitsichtigen Erotomanen Rétif de la Bretonne, eines Beobachters der französischen Revolutionszeit, in prächtigen Auszügen übersetzt hat. Dass die vorliegende Ausgabe des "Lalebuchs" so sehr zu überzeugen weiß, liegt zum einen daran, dass sie die besondere Anlage dieses Textes als in sich geschlossenen Roman mit Einstieg (Rahmenhandlung und weiser Narrenpakt), Mittelpart (Bau des Rathauses ohne Fenster, Wahl des Schweinehirten zum Schultheißen, Besuch des Kaisers, kuriose Beispiele für die in alle Bereiche ausgreifende Dummheit) und Schluss (ein selbstgelegter Brand, der Laleburg komplett zerstört, aber zugleich für die pandemische Ausbreitung des Lalentums sorgt) wieder erkennbar macht, und zwar im Gegensatz zu vielen "Schildbürger"-Adaptionen, die eher Schwanksammlungen darstellen, obwohl sich der Autor von 1597 von dieser gern moralistischen mittelalterlichen Tradition dezidiert absetzt.
Zum anderen aber weiß Kaiser, dass ein "Grundbuch deutschen Humors" es verdient, eine oft ignorierte, aber ganz zentrale Ebene dieses Witzes, die sprachliche, so getreu wie möglich abzubilden und nur dort behutsam einzugreifen, wo Wendungen kaum mehr verständlich wären. So behält er Wortspiele bei ("Ich habe den Hu hu husten"), ebenso bewusst überdrehte Formulierungen: "Aber die Last hatte ihn so sehr gedrückt und so tief hinuntergezogen, dass er, nachdem er genug Wasser geschluckt hatte, ja mehr, als ihm guttat, zu Tode starb und noch heutigen Tages tot ist und tot bleiben wird, soll und muss." Hier hätte sogar das originale wüste "gesoffen" statt "geschluckt" stehenbleiben dürfen. In welchen Ehren in der Straßburger Druckerei von Bernhard Jobin der grobianische Witz gehalten wurde, sieht man nämlich schon daran, dass dort insbesondere die Werke Johann Fischarts verlegt wurden. So tut Kaiser wohl daran, eine Zeile wie "daß der Schneyder ihm den Panzerpletz für den Arß gesetzt" ohne Umschweife zu übertragen: "dass der Schneider ihm die Panzerplatte vor den Arsch gesetzt". Selbiges stellt ein fliehender Lale erleichtert fest, als eine spitze Hellebarde an seinem Allerwerten abprallt (wieder war die Narrheit, diesmal die des Schneiders, der unter "Herz" etwas anderes verstand als der Auftraggeber, lebensrettend).
Positiv anzumerken bleibt zudem, dass diese Berliner Leseausgabe den immer noch und immer wieder lustigen Anekdoten rund um die Lalen - die etwa eine wertvolle Glocke zum Schutz im See versenken und, um sie wiederzufinden, an besagter Stelle eine Kerbe ins Boot schnitzen - die im Original von 1597 beigefügte, inhaltlich nur sehr frei mit den Geschehnissen verbundene und deshalb gern übergangene Versdichtung "Neue Zeitungen aus der ganzen Welt" wieder angehängt hat. Dabei wirkt deren Inhalt um einiges aktueller als die Lalen-Narretei. "Man drucket sonst der Zeitung viel, / Täglich ohn alles Maß und Ziel" beginnt dieser Part, und er macht gleich deutlich, wo das Volk irrt: "Das glaubet alles und ahnt nicht, / dass solches oft ist nur erdicht."
Erzählt wird hier, wie sich eine Gruppe junger Zecher mit erfundenen Neuigkeiten freie Kost mehr verdient als erschleicht, denn der Wirt ist ein Liebhaber "neuer Zeitungen", wobei er die Kreativität an sich zu schätzen weiß. Durch jeweils paarweise angelegte Kapitel zeigt sich aber auch, wie sich Gerüchte verfestigen, wenn eine kaum glaubhafte Nachricht aus anderer Quelle indirekt bestätigt wird. So zweifelt der Wirt die Entdeckung einer in drei Tagen nicht zu umrundenden Riesenrübe an, bis ihm von einem weiteren Gesellen von der Arbeit an einem Riesentopf ("dreihundert Schmiede") berichtet wird: "Was man darinnen sieden will? / Weil ich's nit weiß, so schweig ich still." Da schnappt die Falle zu, denn der Wirt glaubt nun, schlauer zu sein als der Erzähler: Besagte Rübe werde der Topf wohl fassen sollen, deduziert er. Besser lässt sich der Mechanismus von Fake News kaum erklären.
So ist diese nicht zuletzt mit alten Holzschnitten schmuck gestaltete "Lalebuch"-Ausgabe, auch wenn das Nachwort ein wenig profunder hätte ausfallen dürfen, zumal bei einem derart umfassend erforschten Stoff, ein willkommen hellsichtiges Vergnügen. OLIVER JUNGEN
"Das Lalebuch". Wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte und bisher unbeschriebene Geschichten und Taten der Lalen zu Laleburg.
Aus dem Deutschen des 16. Jahrhunderts und hrsg. von Reinhard Kaiser. Galiani Berlin Verlag, Berlin 2021. 240 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main