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Produktdetails
  • Verlag: Neue Kritik
  • Seitenzahl: 140
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 268g
  • ISBN-13: 9783801503130
  • Artikelnr.: 21986870

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.1997

Land des Fragebogens
Ein Bericht von John Dos Passos als Vorabdruck in der F.A.Z.

Unter den von den Siegern geschriebenen Zeugnissen über das Deutschland der ersten Nachkriegsmonate stehen ein englisches und ein amerikanisches Seite an Seite: Stephen Spenders "Deutschland in Ruinen" (European Witness), das wir vor zwei Jahren vorabgedruckt haben, und John Dos Passos' "Das Land des Fragebogens" (Tour of Duty), das von morgen an in dieser Zeitung zu lesen sein wird. Spender und Dos Passos waren Angehörige einer desillusionierten Linken, die in Spanien ihre Erfahrungen mit stalinistischem Terror gemacht hatte; bei Dos Passos war über dieser Frage die Freundschaft mit Hemingway zerbrochen. Spender wie Dos Passos verabscheuten das nationalsozialistische Regime, verweigerten sich nach Kriegsende aber dem informellen Mitleidsverbot der Besatzungsmächte. Weil sie zunächst einmal beschreiben, was sie sehen und hören, ihre Beobachterposition nicht arrogant, sondern skeptisch ist, haben ihre Bücher auch heute noch einen über das Dokumentarische hinausgehenden Wert.

John Dos Passos, der 1925 mit dem Roman "Manhattan Transfer" berühmt geworden ist, kommt im November 1945 nach Deutschland. Für das Magazin "Life" soll der Einundfünfzigjährige von den Nürnberger Prozessen berichten und beschließt, ein bereits konzipiertes Buch um seine europäischen Eindrücke zu erweitern. (Die deutsche Ausgabe beschränkt sich auf die Europa betreffenden Kapitel.) "Das Land des Fragebogens" schildert Eindrücke der Entnazifizierungsverfahren in Hessen und den Unterschied zwischen den zerbombten Städten und dem verschonten Land. Es beschreibt das zerstörte Wien, wie man es aus dem "Dritten Mann" kennt, und das wachsende Mißtrauen unter den Besatzungsmächten. Die Informationen, die Dos Passos erhält, sind ein Gemisch aus hausgemachter politischer Theorie, zufälligen Befragungen und aufgeschnappten Gerüchten. Für eine kurze Zeit bröckeln die Feindbilder, weil der Krieg vorbei ist und die neuen Fronten noch nicht erstarrt sind.

Das "Nürnberger Tagebuch" schließlich ist ein dramatisches und physiognomisches Protokoll: Dos Passos läßt den vorschriftsmäßigen Abscheu vor den Verbrechern des Regimes weitgehend beiseite und beobachtet ihre Haltung, ihre Gestik, ihre Mienen. Im Gerichtssaal wirken sie wie Zuschauer, nicht wie Akteure des Prozesses. Daß sie ihren eigenen Stimmen lauschen können, während sie aussagen, muntert sie eine Zeitlang auf. Die Atmosphäre ändert sich rasch. Dos Passos beobachtet die deutsche Dolmetscherin, deren Stimme der des Staatsanwalts "wie ein schrilles Echo der Vergeltung" folgt, ihr Gesicht "eine Maske des Schreckens".

Der letzte Teil der Reise ist "Rückzug aus Europa" betitelt. Inzwischen hat der Autor Mühe, die Eindrücke auf Distanz zu halten: Das Elend der Zivilbevölkerung und die Selbstzufriedenheit der eigenen Seite bedrücken ihn. Er bietet poetische Bilder dagegen auf. Das zerstörte Berlin nimmt die "schreckliche Großartigkeit eines Naturphänomens" an, "wie der Grand Canyon oder die Große Salzwüste". Angesichts von Frauen aller Altersgruppen, die in einem schmierigen Berliner Nieselregen Schutt aus den Ruinen schleppen, mißtraut Dos Passos der "offiziellen Traumwelt aus internationalen Konferenzen, diplomatischen Geheimnissen, Absprachen der Großen". Sein Buch ist ein Zeugnis aus einem ungeordneten Mittelreich, das erst viel später Nachkriegsordnung genannt wurde. Er selbst verließ es 1953 durch den Ausgang ganz rechts, als er sich dem Untersuchungsausschuß gegen "unamerikanische Umtriebe" zur Verfügung stellte. PAUL INGENDAAY

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