"Il Borgo" heißt eine alte Villa über dem Meer. Sie ist zur Festung geworden, seit das Land ringsum verrückt spielt und der einzigen bei Verstand gebliebenen Person, dem Erzähler, einen Belagerungszustand aufgezwungen hat. Er irrt durch die "Zimmer der Vergangenheit" und fühlt sich von den Nachbarn observiert - ein isolierter Bürger und Intellektueller, der sich vor der anbrandenden Barbarei in seinem Haus verbarrikadiert.
Bora Cosic schildert in sieben Kapiteln die Urszenen des osteuropäischen Daseins. Der Mensch in der Warteschlange: Steht er nicht wie vor den Toren des Paradieses? Die übervollen Magazine: Sind das nicht die Dinge, die bei Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Deportationen eingesammelt wurden? Das durch Bombardierung halbierte Haus: ein Puppenheim, das sich in den Wartesaal der Geschichte verwandelt hat?
Das Land Null, ein radikales Alterswerk, vollzieht den endgültigen Abschied von Belgrad, dem einstigen Schauplatz einer europäischen Avantgarde, der auch der Autor angehörte. In verblüffenden Bildern beschwört er den Zustand der Ereignislosigkeit, der Leere, der Monotonie, des Wartens, der wie ein verhangener Himmel über dem östlichen Europa lastete.
Bora Cosic schildert in sieben Kapiteln die Urszenen des osteuropäischen Daseins. Der Mensch in der Warteschlange: Steht er nicht wie vor den Toren des Paradieses? Die übervollen Magazine: Sind das nicht die Dinge, die bei Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Deportationen eingesammelt wurden? Das durch Bombardierung halbierte Haus: ein Puppenheim, das sich in den Wartesaal der Geschichte verwandelt hat?
Das Land Null, ein radikales Alterswerk, vollzieht den endgültigen Abschied von Belgrad, dem einstigen Schauplatz einer europäischen Avantgarde, der auch der Autor angehörte. In verblüffenden Bildern beschwört er den Zustand der Ereignislosigkeit, der Leere, der Monotonie, des Wartens, der wie ein verhangener Himmel über dem östlichen Europa lastete.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2004Ein Leben im Nichts
Bora Cosic stellt sein Alterswerk "Das Land 0" vor
Nur wer den real existierenden Sozialismus selbst erfahren hat, kennt das Land 0. Die innere und äußere Öde, die Langeweile und Sinnlosigkeit des Lebens unter der Diktatur. Im Gespräch mit dem Schriftsteller Thomas Meinecke und der Literaturwissenschaftlerin Alida Bremer stellte der serbische Schriftsteller Bora Cosic sein jüngst erschienenes Buch im Literaturhaus vor. Das Land 0 ist die innere Leere eines ungelebten Lebens in einem ungeliebten Land, die der Ich-Erzähler in sein Berliner Exil mitnimmt, den "Kanton Charlottenburg". "Ich verberge meine Invalidität nicht, obwohl sie von besonderer Art ist. Weil ich aus einem öden Land komme, das erfüllt ist von fast nichts und das lange Zeit in nullten Verhältnissen gelebt hat, wie eingefroren."
Wie eine bleierne Spur zieht sich dieses Grundgefühl durch "Das Land 0". Humor ist für Cosic die Rettung vor Langeweile. Der ist in seinem Alterswerk allerdings zu purer Bitterkeit geronnen. In sieben Kapiteln philosophiert und monologisiert das Ich, Alter ego des Autors, vor sich hin, assoziativ, surrealistisch, immer wieder kreisend um das Land, das ihn verfolgt wie ein böser Traum und das doch seine Heimat ist, überall, auch im Exil. Auf eine Handlung verzichtet er von vornherein. Dafür nimmt jedes Kapitel Bezug auf ein großes Werk der Vergangenheit wie etwa Kafkas "Das Schloß" oder Ibsens "Nora - Ein Puppenheim". "Die besten Bücher muß man mehrmals schreiben", findet er.
Schreiben war für Cosic eine Möglichkeit zu überleben in der Zeit der Diktatur. Und die hat er genutzt. Auf 40 Bücher hat es der 72 Jahre alte Autor im Lauf seines Lebens gebracht. Surrealistische Autoren wie Milos Crnjanski und Marko Ristic waren seine Vorbilder, vor allem aber die Verhältnisse im Sozialismus: "Niemand hätte sich so etwas Komisches einfallen lassen können wie die Führer dieser Länder." So war der Surrealismus nicht nur ein Stil, sondern auch eine Taktik - "das eine schreiben und das andere sagen". Trotzdem wurden seine Bücher verboten.
1995 floh er nach Berlin. Freiwillig, aber unter Protest gegen den verbrecherischen Nationalismus Milosevics. "Nicht ich habe mein Land verlassen, mein Land hat mich verlassen", sagt er heute.
rehm.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bora Cosic stellt sein Alterswerk "Das Land 0" vor
Nur wer den real existierenden Sozialismus selbst erfahren hat, kennt das Land 0. Die innere und äußere Öde, die Langeweile und Sinnlosigkeit des Lebens unter der Diktatur. Im Gespräch mit dem Schriftsteller Thomas Meinecke und der Literaturwissenschaftlerin Alida Bremer stellte der serbische Schriftsteller Bora Cosic sein jüngst erschienenes Buch im Literaturhaus vor. Das Land 0 ist die innere Leere eines ungelebten Lebens in einem ungeliebten Land, die der Ich-Erzähler in sein Berliner Exil mitnimmt, den "Kanton Charlottenburg". "Ich verberge meine Invalidität nicht, obwohl sie von besonderer Art ist. Weil ich aus einem öden Land komme, das erfüllt ist von fast nichts und das lange Zeit in nullten Verhältnissen gelebt hat, wie eingefroren."
Wie eine bleierne Spur zieht sich dieses Grundgefühl durch "Das Land 0". Humor ist für Cosic die Rettung vor Langeweile. Der ist in seinem Alterswerk allerdings zu purer Bitterkeit geronnen. In sieben Kapiteln philosophiert und monologisiert das Ich, Alter ego des Autors, vor sich hin, assoziativ, surrealistisch, immer wieder kreisend um das Land, das ihn verfolgt wie ein böser Traum und das doch seine Heimat ist, überall, auch im Exil. Auf eine Handlung verzichtet er von vornherein. Dafür nimmt jedes Kapitel Bezug auf ein großes Werk der Vergangenheit wie etwa Kafkas "Das Schloß" oder Ibsens "Nora - Ein Puppenheim". "Die besten Bücher muß man mehrmals schreiben", findet er.
Schreiben war für Cosic eine Möglichkeit zu überleben in der Zeit der Diktatur. Und die hat er genutzt. Auf 40 Bücher hat es der 72 Jahre alte Autor im Lauf seines Lebens gebracht. Surrealistische Autoren wie Milos Crnjanski und Marko Ristic waren seine Vorbilder, vor allem aber die Verhältnisse im Sozialismus: "Niemand hätte sich so etwas Komisches einfallen lassen können wie die Führer dieser Länder." So war der Surrealismus nicht nur ein Stil, sondern auch eine Taktik - "das eine schreiben und das andere sagen". Trotzdem wurden seine Bücher verboten.
1995 floh er nach Berlin. Freiwillig, aber unter Protest gegen den verbrecherischen Nationalismus Milosevics. "Nicht ich habe mein Land verlassen, mein Land hat mich verlassen", sagt er heute.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Schon zu Beginn macht Rezensentin Ilma Rakusa klar, dass es sich hier nicht um leichte Kost handelt: Ein "herbes Alterswerk" habe Bora Cosic verfasst, eine monologische Bilanz seiner von ihm als trostlos empfundenen Heimat wie seines "rudimentären" Lebens". In einem "radikal desillusioniertem Ton" klagt er über Herkunft und Existenz und bringt es trotz der nichtexistenten Handlung auf ganze 300 Seiten, staunt Rakusa. Dabei leiste er Paradoxes. Durch die Montage von Bildern, Gedanken, Zitaten und Motiven schaffe Cosic einen "zusammenhanglosen Zusammenhang". Der Protagonist, den Rakusa "leicht" als Alter Ego des Autors erkennt, sei von sich und der Welt dermaßen entfremdet, dass er zum Zuschauer im Film seines eigenen Lebens werde. Am Ende schlägt der Nihilismus auch beim Leser durch, meint Rakusa, und übrig bleibt der "Sound einer Sprache", der sich ob der ständigen Wiederholungen als "monotoner Singsang" im Kopf festsetze.
© Perlentaucher Medien GmbH
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