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Das lange 19. Jahrhundert erlebte die Geburt der klassischen Moderne. Es begann bereits mit der Französischen Revolution und endete mit dem Ersten Weltkrieg. Es war die bürgerlichste Epoche der deutschen Geschichte, geprägt von Industrialisierung, Kapitalismus, Nationalismus, Klassenkonflikten und ausgeprägter Ungleichheit der Geschlechter. Es war die Zeit der großen Migrationen und der entstehenden Zivilgesellschaft.

Produktbeschreibung
Das lange 19. Jahrhundert erlebte die Geburt der klassischen Moderne. Es begann bereits mit der Französischen Revolution und endete mit dem Ersten Weltkrieg. Es war die bürgerlichste Epoche der deutschen Geschichte, geprägt von Industrialisierung, Kapitalismus, Nationalismus, Klassenkonflikten und ausgeprägter Ungleichheit der Geschlechter. Es war die Zeit der großen Migrationen und der entstehenden Zivilgesellschaft.
Autorenporträt
Jürgen Kocka geboren 1941, studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Marburg, Wien, Berlin und Chapel Hill (North Carolina), promovierte 1968 an der FU Berlin und habilitierte sich 1972 für Neuere Geschichte in Münster. 1973-1988 lehrte er Sozialgeschichte in Bielefeld. Seit 1988 ist er Professor für Geschichte der Industriellen Welt an der FU Berlin und seit 2001 Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Leibniz-Preis der DFG 1991. Präsident der Internationalen Historikerorganisation seit 2000.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2002

Remedur
Der neuen „Gebhardt”:
von Grund auf modernisiert
Alexis de Tocqueville erkannte bereits in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, dass Vielfalt und nicht Homogenisierung in modernen Gesellschaften soziale Gleichheit erzeugt. Die Gesellschaften wurden komplexer, auch die Art sie zu betrachten musste differenzierter werden. So ist es nur folgerichtig, das 19. Jahrhundert als „Epoche, in der die klassische Moderne entstand” (Jürgen Kocka), methodisch in all seinen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen, aber auch regional unterschiedlichen Ausprägungen zu erfassen. Dieses Bemühen freilich ist postmodern, es kennzeichnet erst die Historiographie der vergangenen dreißig Jahre.
Es war vor diesem Wandel, als das traditionsreichste Handbuch der deutschen Geschichte mit Namen „Gebhardt” letztmals grundsätzlich überarbeitet wurde. Seitdem schreibt sich Geschichte anders und heißt historische Sozialwissenschaft. Der „Gebhardt” hingegen blieb seiner Tradition eines „naiven Positivismus” (Wolfgang Reinhard) treu, verstand sich als Chronist politischer Ereignisgeschichte und verlor allmählich den Kontakt zur Leser- und Studentenschaft.
Nun rollt der so Abgehängte das Feld von hinten auf. Methodisch, konzeptionell und in der Gestaltung hat die zehnte Auflage des „Gebhardt” mit ihrem Vorgänger nichts mehr gemeinsam. Statt wie bislang vier dicke Bände hat der neue „Gebhardt” 24 Teilbände, von denen im letzten Jahr die beiden ersten zur Frühen Neuzeit erschienen sind. Jetzt folgen mit Jürgen Kockas „Das lange 19. Jahrhundert” und Wolfgang Mommsens „Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg” zwei von fünf Bänden, die das lange 19. Jahrhundert umfassen.
Wie ernst es dem neuen „Gebhardt” mit seinem Wunsch ist, mit der deutschen Geschichtsschreibung wieder auf Augenhöhe zu sein, zeigt unter anderem die Tatsache, dass man mit Jürgen Kocka einen Pionier der historischen Sozialforschung als Herausgeber für die Teilbände zum 19. Jahrhundert auswählte. Im Zentrum sollen die Analyse, das Verstehen von Prozessen und Strukturen des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland stehen und nicht mehr Daten und Schlachten.
Dennoch gliedern politische Ereignisse das 19. Jahrhundert im „Gebhardt”: Mit dem Jahr 1806, dem Ende des Alten Reiches, beginnt es und setzt seine Zäsuren zwischen den einzelnen Teilbänden bei der Deutschen Revolution 1848 und der Gründung des Kaiserreichs 1871, um schließlich die Epoche mit dem Ersten Weltkrieg abzuschließen. Den Auftakt zu diesen vier Bänden macht Kockas Überblicksdarstellung über die gesamte Zeitspanne wie es sie vom jeweiligen Herausgeber zu jeder der vier Großepochen im neuen „Gebhardt” geben wird.
Geschichte von unten
Kocka seziert sein 19. Jahrhundert mit den „vier Längsschnitten” Industrialisierung, Bevölkerungsexplosion, Nationalstaat und Bürgertum. Sie bilden den Rahmen, in dem der Autor jeweils Politik-, Wirtschafts-, Sozial- und Kirchengeschichte verknüpft. Der Einfluss von Kunst, Naturwissenschaft und einzelner Persönlichkeiten kommt dabei zu kurz.
Dieser Konzentration auf die Grundlinien ist es geschuldet, dass Kockas Band kein Handbuch im eigentlichen Sinne ist, sondern Vorwissen über die wichtigsten Ereignisse des 19. Jahrhunderts voraussetzt. Die Rolle Bismarcks oder des Kaisers, das Hambacher Fest oder die Sozialistengesetze werden, wenn überhaupt, nur knapp abgehandelt. Auf sie genauer einzugehen, wird Aufgabe der folgenden Teilbände sein.
Doch gerade diese analytisch anspruchsvollen, von Chronistenpflicht freien Einleitungsbände (neben Kocka hat zur Frühen Neuzeit auch schon Wolfgang Reinhard einen solchen Band vorgelegt) versprechen die Prunkstücke des neuen „Gebhardt” zu werden. Sie bemühen sich, das Charakteristische der jeweiligen Epoche allgemeinverständlich zu erklären und systematisch einzuordnen.
Wolfgang Mommsens Band zum Ersten Weltkrieg folgt weitgehend der klassischen Kriegsgeschichtsschreibung. Neben einem kurzen und guten Überblick über die an Kontroversen reiche Kriegsforschung gliedern die Julikrise, die politischen und militärischen Ereignisse bis 1918 und ein Kapitel über die deutsche Gesellschaft im Krieg diesen Band. Leider kommt dabei das Leben in den Kriegsgräben – das Charakteristische am Ersten Weltkrieg – zu kurz, was auch einer generellen Schwäche des „Gebhardt” zuzuschreiben ist: Fotos und Karten fehlen.
Mommsens wie Kockas Verdienst ist es, neben profunder Analyse immer wieder den Blick auf Kontroversen und Tendenzen der Forschung zu lenken. Der Trend zu internationalen Vergleichen und zur so genannten Mikrogeschichte, die das Bild einer Epoche von unten anhand von Regionalstudien und Kleingruppenanalysen zeichnet, ist beiden Bänden anzumerken. So ist am neuen „Gebhardt” nur noch der Name alt.
THOMAS THIEMEYER
GEBHARDT. Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearb. Auflage, 24 Bde.. Hrsg. von Alfred Haverkamp, Wolfgang Reinhard, Jürgen Kocka und Wolfgang Benz. Bd. 13: JÜRGEN KOCKA: Das lange 19. Jahrhundert. Bd. 17: WOLFGANG MOMMSEN: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001 und 2002. 187 und 188 Seiten, jeder Band 30 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der "Gebhardt" als materialienreiches Handbuch zur deutschen Geschichte ist nicht länger unangefochten, also hat man für die neue Ausgabe das Konzept geändert. Den Einzelbänden der vier Abteilungen ist jeweils ein Einleitungsband vorangestellt - und um den zum 19. Jahrhundert handelt es sich hier. Recht glücklich wird der Rezensent Karl Heinz Metz mit der neuen Systematik am Beispiel dieses Bandes jedoch nicht. Zwar sei Jürgen Kocka ohne jeden Zweifel ein ausgewiesener Kenner seines Gegenstands - das Problem, über den Empirismus der Handbücher mit umfassenderer Hypothesenbildung hinauszugelangen, ohne den Handbuchcharakter zu beeinträchtigen, werde hier jedoch nicht gelöst. Überhaupt bleibt, bemängelt Metz, methodisch alle Theorie außen vor und inhaltlich ist ihm das Buch für die Zeit vor Königgrätz zu preußenfixiert. Dennoch: Als "nützliche Einführung in Grundzüge" taugt das Buch, wie der Rezensent einräumt, auf alle Fälle.

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