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Antonio Gramsci (1891-1937) gehörte zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens und gilt als einer der bedeutendsten marxistischen Denker des 20. Jahrhunderts. Bis zu seiner Verhaftung durch die Faschisten im Jahr 1926 war er Abgeordneter im italienischen Parlament; er verstarb nach zehnjähriger Haft, während der er wertvolle und weitsichtige neue Überlegungen zu Fragen der proletarischen Demokratie, zum Verhältnis von Faschismus und Arbeiterbewegung sowie zur Möglichkeit einer sozialistischen Revolution gegen den entwickelten bürgerlichen Staat verfasste. In seiner packenden und…mehr

Produktbeschreibung
Antonio Gramsci (1891-1937) gehörte zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens und gilt als einer der bedeutendsten marxistischen Denker des 20. Jahrhunderts. Bis zu seiner Verhaftung durch die Faschisten im Jahr 1926 war er Abgeordneter im italienischen Parlament; er verstarb nach zehnjähriger Haft, während der er wertvolle und weitsichtige neue Überlegungen zu Fragen der proletarischen Demokratie, zum Verhältnis von Faschismus und Arbeiterbewegung sowie zur Möglichkeit einer sozialistischen Revolution gegen den entwickelten bürgerlichen Staat verfasste. In seiner packenden und jetzt neu aufgelegten Biographie schildert Giuseppe Fiori das Leben dieses großen Denkers. Indem er die Person Gramscis der politischen Geschichte und den sozialen Verhältnisse Italiens hineinstellt, schafft er ein vielschichtiges Porträt, das bis heute seine Aktualität nicht verloren hat. Mit Das Leben des Antonio Gramsci ist Fiori etwas ganz Außergewöhnliches und Seltenes gelungen: Die ergreifende Darstellung eines sehr schweren, aktiven und zugleich sehr einsamen Lebens.
Autorenporträt
Giuseppe Fiori, geboren 1923 in Silanus auf Sardinien, begann seine Karriere als Journalist der Tageszeitung L'Unione Sarde. Viele Jahre war er stellvertretender Direktor des italienischen Fernsehsenders TG2 und über drei Legislaturperioden hinweg Senator von Paese Sera. Seine Biographie über Antonio Gramsci, die erstmals 1966 erschien und seitdem ohne Unterbrechung lieferbar ist, gilt bis heute als sein Hauptwerk. Er starb 2003 in Rom.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rudolf Walther hält diese erstmals bereits 1979 auf Deutsch publizierte Biografie über den sozialistischen Theoretiker Antonio Gramsci von Guiseppe Fiori noch immer für lesenswert. Wie der Journalist Fiori das kurze, doch bewegte Leben des bescheidenen und gedemütigten Mannes nachzeichnet, findet Walther anrührend, aber von seiner Anlage her unsentimental und präzise. Der Rezensent erfährt unter anderem, wie Gramsci seine emanzipatorische Gesellschaftskritik im Sinne von Marx entwickelte. Vor allem aber zeigt ihm der Autor das Lebensschicksal eines von Mussolini mit aller Härte Verfolgten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2014

Der schüchterne Kämpfer
Antonio Gramsci, einer der wichtigen sozialistischen Theoretiker, verbrachte seine Kindheit in Armut und starb früh: nach elf Jahren in Mussolinis Gefängnissen.
Giuseppe Fioris anrührende Biografie zeigt einen bescheidenen Mann, der eine emanzipatorische Gesellschaftskritik übte und mitunter irrte
VON RUDOLF WALTHER
Der Politiker und Philosoph Antonio Gramsci gehört zu den bekanntesten und zugleich rätselhaftesten italienischen Autoren seit Machiavelli. Die Schlüsselbegriffe „Hegemonie“, „organischer Intellektueller“, „Block“ haben sich im internationalen sozialwissenschaftlichen Jargon etabliert. Aber viel von dem, was im Schatten von Gramscis Schriften als „Gramsci“ herzitiert wird, hält einer kritischen, historisch und politisch kontextualisierten Lesart seines Werks nicht stand – etwa die Gleichsetzung seines Begriffs „Philosophie der Praxis“, mit dem er Stalins Konstrukt des „Marxismus-Leninismus“ kritisierte, mit „Marxismus“.
  Die Biografie des Journalisten und Politikers Giuseppe Fiori (1923 – 2003) erschien 1966 auf Italienisch und 1979 erstmals auf Deutsch. Dann wurde sie vergessen. Fiori beschäftigt sich weniger mit den politischen und wissenschaftlichen Konjunkturen der Gramsci-Interpretation als mit dem in seiner abgründigen Härte berührenden Lebensschicksal des Italieners, der nur 46 Jahre alt wurde und elf davon in Mussolinis Gefängnissen verbrachte.
  Kurz vor dem Prozess, in dem ihn ein Militärgericht 1928 zu 20 Jahren, vier Monaten und fünf Tagen Gefängnis verurteilte, verabschiedete sich Gramsci von seiner Mutter mit den schlichten Worten: „Das Leben ist sehr hart, und manchmal müssen die Kinder ihren Müttern großes Leid zufügen, wenn sie ihre Ehre und Menschenwürde bewahren wollen.“
  Geboren wurde Antonio Gramsci am
22. Januar 1891 in der Kleinstadt Ghilarza auf Sardinien. Sein Vater war Angestellter in der staatlichen Verwaltung und wurde 1900 wegen Unterschlagung im Amt zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Verbüßung der Strafe wurde er rehabilitiert, aber die Mutter musste die sieben Kinder während der Haftzeit allein durchbringen. Mit elf Jahren arbeitete Antonio als Bürodiener im Katasteramt und lernte autodidaktisch, da der Besuch des Gymnasiums zunächst nicht finanzierbar war. Von 1905 an ermöglichten die für die Familie arbeitenden Schwestern den Schulbesuch, aber die Armut blieb ein Dauergast. Antonio schrieb nach Hause, er könne nicht zur Schule, weil er seine „Schuhe besohlen lassen“ müsse.
  Ein Stipendium ermöglichte ihm das Studium in Turin (1911–1915). In dieser Zeit begann er, sich mit Politik zu befassen und trat 1914 in die Sozialistische Partei ein, der zu dieser Zeit auch Benito Mussolini noch angehörte. Die Partei war gespalten in Anhänger einer bedingten Neutralität im Krieg (Benito Mussolini) und in Vertreter der absoluten Neutralität (Angelo Tasca). Gramsci bewegte sich zwischen beiden Flügeln. Von 1916 an schrieb er Artikel für sozialistische Zeitungen, zeichnete aber seine Artikel „aus Schüchternheit“ (Pier Paolo Pasolini) nicht. Als armer, körperlich gezeichneter Provinzler lebte er zurückgezogen und einsam „wie ein Wolf in seinem Bau“ (Gramsci).
  Als früher, herausragender Zug in seiner intellektuellen Entwicklung erweist sich im Nachhinein seine Stellung zur Religion. Entgegen dem verbiesterten Antiklerikalismus und dem platten Materialismus erkannte er die Bedeutung der Religion in der Politik: „Ich gehe auch nicht in die Kirche, denn ich bin nicht gläubig. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass die Mehrheit religiös ist. Wenn wir weiterhin nur mit Atheisten zu tun haben wollen, bleiben wir immer in der Minderheit.“ Diese Einsicht leitete ihn später auch beim Streit um die politische Strategie im Kampf gegen den Faschismus. Während die Stalinisten auf einen rein proletarisch-kommunistischen Arbeiterkampf setzten, plädierte er – vergeblich – für eine „antifaschistische Volksbewegung“ aus Bauern, Arbeitern, linken Katholiken und Bürgerlich-Liberalen. Von 1918 an arbeitete Gramsci für den Avanti der Sozialisten und von 1919 an für die Wochenzeitschrift L'Ordine nuovo , die für die „democrazia operaia“, das heißt eine Arbeiter- beziehungsweise Rätedemokratie eintrat, aber zugleich noch am Konzept der „Diktatur des Proletariats“ festhielt. Die Spannungen innerhalb der Sozialistischen Partei (PSI) wuchsen und führten zur Spaltung in eine proletarisch-maximalistische, eine sozialdemokratisch-reformistische und eine kommunistische Fraktion. Zu letzterer zählte sich Gramsci.
  Auf dem Parteitag des PSI in Livorno wurde 1921 die Kommunistische Partei Italiens (KPI) gegründet – eine rein sektiererische Abspaltung, von Gramsci hintergründig als „größter Triumph der Reaktion“ bezeichnet. Den dogmatischen Leninismus der Dritten Internationale sah er schon 1922 skeptisch.
  Nach dem faschistischen „Marsch auf Rom“ im Oktober 1922 floh Gramsci nach Moskau. Fast die gesamte kommunistische Parteiführung wurde verhaftet. In diese Zeit fällt die lebensgeschichtlich wichtige Begegnung Gramscis mit der Violinistin Giulia Schucht. Er lernte sie während seines Aufenthalts in einem Sanatorium bei Moskau kennen und schrieb ihr: „Bevor ich Dich liebte, habe ich nicht gewusst, was Leben bedeutet: etwas Großes und Schönes.“ Nach seiner Abreise aus Moskau im Mai 1924 und seiner Wahl ins Abgeordnetenhaus in Rom gebar Giulia in Moskau einen Sohn, den der Vater nur für ganz kurze Zeit sehen wird. Einen zweiten Sohn, der nach Giulias Besuch in Italien 1925/26, ebenfalls in Moskau geboren wurde, hat Gramsci nie gesehen.
  Mussolinis Machtübernahme versetzten die KPI und Gramsci in völlig illusionäre Hoffnungen: „Die Lage ist sehr günstig für uns. Der Faschismus bricht auseinander“, meinte Gramsci am 18. August 1924. Statt des „Todeskampfes des Faschismus“ (Gramsci), über den er wie die stalinisierte Internationale phantasierte, erlebten die Kommunisten in Italien eine Verhaftungswelle mit Zeitungsverboten und Hausdurchsuchungen. Trotz seiner Immunität als Abgeordneter wurde er am 8. Mai 1926 verhaftet. Er kam nie mehr frei.
  Der später sehr einflussreiche marxistische Ökonom Piero Sraffa übernahm die Kosten für die Bücher, die Gramsci im Gefängnis las und derweil schuf, was man heute als „Gefängnishefte“ lesen kann: ein Konvolut von 32 Heften mit insgesamt 2848 Seiten. Gramsci verstand seine Notizen nicht als abgeschlossenes Werk oder gar als Lehrbuch, sondern ganz bescheiden als „Anhaltspunkte. Sie sind alle genau zu überarbeiten und zu überprüfen“. Einer nicht leninistisch-stalinistisch zurechtgebogenen Lektüre zeigen die Fragmente die Konturen einer emanzipatorischen Gesellschaftskritik im Sinne der Marxschen Theorie.
  Gramscis Briefe aus dem Gefängnis, in denen sich seine fortschreitende Tuberkulose und sein langsamer körperlicher Zerfall verfolgen lassen, gehören zu den berührenden Dokumenten der Zeitgeschichte. Fiori beschreibt das von Demütigungen und Enttäuschungen geprägte Leben Gramscis präzis und ohne Sentimentalitäten.
Giuseppe Fiori: Das Leben des Antonio Gramsci. Eine Biografie (1966). Aus dem Italienischen von Renate Heimbucher und Susanne Schoop. Rotbuchverlag, 2013. 416 Seiten, 24.99 Euro.
Rudolf Walther ist freier Publizist. Zuletzt erschien von ihm: „Aufgreifen, begreifen, angreifen. Historische und politische Essays“, Band 3, Münster 2013 (Oktober Verlag).
Gramsci machte sich Illusionen:
1924 sagte er: „Der Faschismus
bricht auseinander.“
Seine berühmten „Gefängnishefte“ verstand Gramsci lediglich als „Anhaltspunkte“.
Zeichnung: Schopf
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