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'Ich habe nicht mein eigenes Leben gelebt - das Leben hat mich gelebt.' Renée-Marie Hausenstein Erst im Alter von vierzehn Jahren erfuhr Renée-Marie, Tochter von Wilhelm Hausenstein, namhafter Kunsthistoriker und erster deutscher Botschafter in Paris nach dem Zweiten Weltkrieg, dass ihre Mutter Jüdin ist. 1942 konnte die 20-Jährige, nachdem sie eine Scheinehe eingegangen war, nach Brasilien emigrieren, wo sie als mutmaßliche Spionin fast drei Monate inhaftiert war und sich allein durchschlug, während ihre Eltern in Deutschland nur knapp der Deportation entgehen. Das Leben der heute 90-jährigen…mehr

Produktbeschreibung
'Ich habe nicht mein eigenes Leben gelebt - das Leben hat mich gelebt.' Renée-Marie Hausenstein Erst im Alter von vierzehn Jahren erfuhr Renée-Marie, Tochter von Wilhelm Hausenstein, namhafter Kunsthistoriker und erster deutscher Botschafter in Paris nach dem Zweiten Weltkrieg, dass ihre Mutter Jüdin ist. 1942 konnte die 20-Jährige, nachdem sie eine Scheinehe eingegangen war, nach Brasilien emigrieren, wo sie als mutmaßliche Spionin fast drei Monate inhaftiert war und sich allein durchschlug, während ihre Eltern in Deutschland nur knapp der Deportation entgehen. Das Leben der heute 90-jährigen Renée-Marie Parry Hausenstein blieb unstet, ein Pendeln zwischen der alten und neuen Welt, war geprägt von der Suche nach einer Aufgabe und ihrer Bestimmung.
Autorenporträt
Eva-Maria Herbertz, 1947 in Oberhausen¿/¿Nordrhein-Westfalen geboren, studierte Germanistik und Geschichte in München, unterrichtete einige Jahre Deutsch und Geschichte und lebt seit 1982 in Feldafing am Starnberger See. Sie schrieb zahlreiche Kurzbiografien namhafter Künstler/Innen, die von Münchner Tageszeitungen veröffentlicht wurden. In der edition monacensia sind von ihr bereits »¿Der heimliche König von Schwabylon¿. Der Graphiker und Sammler Rolf von Hoerschelmann in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten« (2005) und »Leben in seinem Schatten. Frauen berühmter Künstler« (2009) erschienen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.10.2012

Ein gefährliches Geheimnis
Reneé-Marie Hausenstein führte ein filmreifes Leben zwischen Münchner Villenviertel und Exil in Rio de Janeiro.
Eva-Maria Herbertz hat eine Biografie über die Tochter des Schriftstellers Wilhelm Hausenstein geschrieben
VON ANNE GOEBEL
Die Schrift seiner Tochter, notiert der Vater 1944 streng im Tagebuch, „dürfte besser sein; die französische Orthographie leidet unter Fehlern aus Zerstreutheit“. Immerhin, das Französische sei „recht gut gehandhabt“. Man muss sich das vorstellen: Da wird eine Münchner Familie während des Naziterrors über Jahre auseinandergerissen, die Tochter schlägt sich nach der Emigration in Brasilien durch, die Eltern bleiben zurück und leben in zunehmender Armut, ständiger Angst vor Denunziation. Und als einer der seltenen, sehnlich erwarteten Briefe des Kindes eintrifft, bekrittelt Wilhelm Hausenstein Lappalien wie Rechtschreibfehler. Wobei man zusätzlich bedenken muss: das Kind ist zu diesem Zeitpunkt bereits über 20 Jahre alt. Aber dass Hausenstein, der hochgebildete Schriftsteller, Kunstkritiker und Diplomat, ein anspruchsvoller Vater war, lässt sich leicht vorstellen. Und es sind ja gerade die alltäglichen Vorkommnisse und Sorgen, auch die Zeugnisse allzu menschlicher Schwächen, die das neue Buch über Wilhelm Hausenstein interessant machen. Wobei die knapp 200 Seiten genau genommen von der Tochter handeln, Renée-Marie Hausenstein. Doch die Figur des Vaters ist stets präsent, und ohne ihn, ohne den berühmten Namen wäre ihre Geschichte kaum so ausführlich gewürdigt worden.
  „Das Leben hat mich gelebt“: Dieses Zitat hat die Autorin Eva-Maria Herbertz als Titel gewählt, und er passt gut zu einer bewegten Biografie in aufregenden Zeiten. Der Ausspruch belegt aber auch auf sympathische Weise, dass die Protagonistin sich nicht übermäßig wichtig nimmt – vielmehr weiß sie sehr wohl, dass ihr filmreifes Leben zwischen dem Münchner Villenviertel Bogenhausen und Rio de Janeiro, zwischen dramatischer Flucht aus Deutschland und Kaffeeplaudereien mit Konrad Adenauer sozusagen nicht ihr Verdienst, sondern einer dramatischen Epoche geschuldet ist. Alle Stationen ihrer Biografie sind zeitgeschichtlich interessant, und das lässt einen über die Tatsache hinwegsehen, dass Eva-Maria Herbertz, eine versierte Biografin, in diesem Fall fast schon ehrfurchtsvoll zu Werke geht. Dadurch liest sich die reich bebilderte Geschichte der heute über 90-Jährigen Renée-Marie Hausenstein stellenweise unnötig sperrig. Ansonsten gibt es nur das teils ungelenke Layout zu bemängeln: Etwa wenn ein Foto von 1927, Renée-Marie als Kind in Wollmäntelchen und Hut, auf einer Seite steht, die von der 23-Jährigen handelt.
  Genau dazwischen, als Halbwüchsige, erlebte die Tochter aus gutem Hause die einschneidende Kehrtwende ihres Lebens, mit der Herbertz das Buch beginnen lässt. Als Schülerin des Lyzeums in Tutzing, wohin die Hausensteins gerade aus München gezogen waren, wird Renée-Marie an einem Sommertag des Jahres 1936 unvermittelt von einer Mitschülerin als „Judenweib“ beschimpft. Wie vor den Kopf gestoßen flüchtet sie nach Hause und wird von den Eltern gezwungenermaßen aufgeklärt über das gefährliche Geheimnis der Familie: die Mutter ist Jüdin. Offenbar wissen das aber mehr Menschen in dem idyllischen Ort, als den Neuzugezogenen lieb sein konnte. Wilhelm Hausenstein, als höchst erfolgreicher Kunst- und Reiseschriftsteller damals einer der angesehensten Münchner Intellektuellen und vehementer Gegner der Nazis, hatte gehofft, abseits der Hauptstadt der Bewegung die jüdische Herkunft seiner Frau Margot verbergen zu können. Für die 14-jährige Tochter ist die Offenbarung ein Schock, nicht nur, weil sie eine Lüge der Eltern eingesteht, sondern auch, weil sie Furcht sät. Und die ist berechtigt. Werke Wilhelm Hausensteins werden wenig später verboten. Warnungen an den recht lebhaft auftretenden Sprössling, sich angepasst zu verhalten, gehören bald zu den Konstanten in Hausensteins Briefen an die Tochter in einem Garmischer Internat. Unbedingte Diskretion und Zurückhaltung – die Vorsichtsmaßnahmen vermischen sich mit einem recht konventionellen Rollenbild zu permanenten Ermahnungen wie: „Die Frau ist die beste, die nicht auffällt und von der man nicht spricht.“ So lebenslustig das nach dem befreundeten Dichter Rilke benannte Mädchen Renée-Marie gewesen sein mag, es muss ein Schatten der Bedrohung, der permanenten Sorge über ihrer Jugend gelegen haben. Als der „Nazi Spuk“ für Juden immer unerträglicher wird, arrangiert Hausenstein 1941 eine Scheinehe samt Emigration seiner Tochter nach Brasilien.
  Die Jahre in Rio de Janeiro, wo sich die junge Frau als Kindermädchen durchschlägt und als mutmaßliche Spionin drei Monate im Gefängnis verbringt, bevor sie in die USA auswandert, gehören zu den eindringlichsten Schilderungen des Buchs. Das gilt auch für das Los der Eltern in dieser Zeit mit Krankheiten, Fliegeralarmen, dem nach Luftangriffen verwüsteten München, wo Hausenstein das Geburtshaus seiner Tochter in Bogenhausen besucht. „In dem Geburtszimmer war die Lampe von der Straße her sichtbar; die Fenster fehlten“, notiert er. Im Juli 1948 sieht sich die Familie am Starnberger See wieder, und für diese Begegnung fehlten die Worte. „Weder in seinem Tagebuch noch in irgendeinem Brief hat Hausenstein darüber etwas erwähnt“, schreibt Herbertz.
  Im letzten Viertel des Buchs, das von Hausensteins Zeit als Adenauers Botschafter in Paris handelt, seinem Verzicht auf den Posten des Chefredakteurs der Süddeutschen Zeitung , wird deutlich, wie sich die Tochter vom Vater emanzipiert. Renée-Marie widmet sich zwar nach dessen Tod 1957 der Betreuung seines Nachlasses, geht aber nach der späten Heirat mit einem englischen Geschäftsmann ganz eigene Wege: Als engagierte Anti-Atomwaffen-Kämpferin, Anhängerin des christlich-marxistischen Dialogs und Freundin Kubas. Ihren 90.Geburtstag feierte sie 2012 in Havanna, ihr ebenso betagter Ehemann ist noch immer passionierter Schnorchler – ein ungewöhnliches Paar. Was zu erwarten war, bei dieser Lebensgeschichte.
  
Eva-Maria Herbertz: Das Leben hat mich gelebt. Die Biografie der Renée-Marie Hausenstein, Edition Monacensia, Euro 19,90
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Berühmter Vater mit Tochter: Renée-Marie und Wilhelm Hausenstein 1952 in dessen Pariser Residenz als Botschafter.
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