Die legendäre Hotelbesitzerin Anna Sacher - In ihrem Leben spiegelt sich Glanz und Niedergang von Wiens großer Epoche
Ihre Gäste und ihr Gespür für die Wiener Gesellschaft haben sie berühmt gemacht: Anna Sacher, Alleinerbin und legendäre Chefin des Hotel Sacher zur Zeit der Jahrhundertwende. Sie inszenierte den Ort, an dem wechselvoll Geschichte geschrieben wurde, an dem sich alle begegneten: Hof und Hochadel, Macht, Geld und Industrie. Die Künstler der Sezession, die Musiker und Schriftsteller aus Wiens großer Epoche. Monika Czernin erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Lebens und zugleich ein Stück europäischer Kulturgeschichte.
Ihre Gäste und ihr Gespür für die Wiener Gesellschaft haben sie berühmt gemacht: Anna Sacher, Alleinerbin und legendäre Chefin des Hotel Sacher zur Zeit der Jahrhundertwende. Sie inszenierte den Ort, an dem wechselvoll Geschichte geschrieben wurde, an dem sich alle begegneten: Hof und Hochadel, Macht, Geld und Industrie. Die Künstler der Sezession, die Musiker und Schriftsteller aus Wiens großer Epoche. Monika Czernin erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Lebens und zugleich ein Stück europäischer Kulturgeschichte.
buecher-magazin.deKaiserin Elisabeth, Gustav Klimt, Arthur Schnitzler und König Milan von Serbien scheint auf den ersten Blick nur ihre Zeitgenossenschaft zu einen. Und doch ist da bei genauerem Hinsehen noch mehr. Sie alle hatten zumindest einen Sehnsuchtsort gemeinsam, einen Ort, der bis heute real ist und doch als Mythos gelten kann: das Hotel Sacher in Wien. Monika Czernin spürt diesem Mythos anhand einzelner bekannter Persönlichkeiten und ihrer Beziehung zu seiner legendären Besitzerin Anna Sacher nach. Das geschieht auf unterhaltsame Art und Weise, stets verquickt die Autorin die Erzählung über den Besuch der prominenten Gäste mit Details zu Anna Sachers Leben und Wirken. Die Anwesenheit der Kaiserin Elisabeth gerät so zu einer Reflexion über die Rolle der Frau um die Jahrhundertwende, über Schönheitsideale und Magersucht. Letztere, die für Sisi eigentlich historisch verbürgt scheint, rückt für einen Moment in den Hintergrund, als die Kaiserin sich mit sichtbarem Genuss ein Stück Sacher-Torte schmecken lässt. Solche kleinen Details runden die große Erzählung über das Fin de Siècle und seine Stimmung, die der eigentliche Grundtenor des Textes ist, ab und machen es zu einem lesenswerten Buch.
© BÜCHERmagazin, Carsten Tergast (ct)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2015Lustbarkeiten in Séparées
Ein saftiger Schokoladenteig, gefüllt mit Marillenmarmelade, überzogen von edler Kuvertüre: Die Sachertorte ist ein flaumiges Stück Wiener Seligkeit und der Stolz aller Patissiers und "Pâtissières". Aber natürlich gibt es nur ein Original. Der damalige Kochlehrling Franz Sacher hat das Rezept erfunden und ihm zu Weltruhm verholfen. Die Liste der Zutaten lagert bis heute im Tresor des nach ihm und seinem Sohn benannten Hotels, das seit 1876 als Inbegriff österreichischer Gastlichkeit gilt - und das, wie es früher hieß, "eine vom spanischen Hofzeremoniell befreite Filiale der Hofburg" war. So jedenfalls stand es im Nachruf auf die wohl berühmteste Besitzerin des noblen Etablissements, die legendäre Anna Sacher, die 1930 im einundsiebzigsten Lebensjahr starb. Ihr und der Geschichte des gleichnamigen Hotels hat Monika Czernin nachgespürt. "Das letzte Fest des alten Europa" nennt sie ihr Buch, das die Epoche vor und nach dem Ersten Weltkrieg schildert. "Das Sacher, das bin ich und sonst niemand", pflegte Anna Sacher zu sagen, die eine resolute Unternehmerin war. Nach dem frühen Tod ihres Mannes steuerte sie das Hotelschiff allein durch stürmische Zeiten. Das Restaurant und die Salons waren damals beliebte Treffpunkte. Hier diskutierte man über neueste Theateraufführungen, hier wurde verhandelt, konspiriert und genossen. Das Sacher zählte zu den ersten Lokalen mit eleganten Séparées, in die man sich zum Tafeln und zu sonstigen Lustbarkeiten zurückzog. Über allem wachte Anna Sacher, klug und diplomatisch, aber auch selbstbewusst in ihren Haltungen. Als zum Beispiel der Antisemitismus aufbrandete, bezog sie klar dagegen Stellung. Monika Czernins Buch schlägt den leichten Plauderton an. Und doch gelingt es ihr, die Stimmung vor und nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches einzufangen: das Erstarken des Bürgertums, das wachsende Selbstbewusstsein der jüdischen Industriellen und Künstler und zugleich die Ohnmacht des Kaisers angesichts der Unruhen in einem zerrütteten Vielvölkerstaat, die dem Nationalismus den Weg bahnten. Mit Czernins Buch in der Hand kann man Wien mit neuem Blick erkunden. Das eine oder andere Stück Sachertorte wird einem dabei als Stärkung sehr willkommen sein.
aber
"Das letzte Fest des alten Europa - Anna Sacher und ihr Hotel" von Monika Czernin. Albrecht Knaus Verlag, München 2015. 351 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 19,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein saftiger Schokoladenteig, gefüllt mit Marillenmarmelade, überzogen von edler Kuvertüre: Die Sachertorte ist ein flaumiges Stück Wiener Seligkeit und der Stolz aller Patissiers und "Pâtissières". Aber natürlich gibt es nur ein Original. Der damalige Kochlehrling Franz Sacher hat das Rezept erfunden und ihm zu Weltruhm verholfen. Die Liste der Zutaten lagert bis heute im Tresor des nach ihm und seinem Sohn benannten Hotels, das seit 1876 als Inbegriff österreichischer Gastlichkeit gilt - und das, wie es früher hieß, "eine vom spanischen Hofzeremoniell befreite Filiale der Hofburg" war. So jedenfalls stand es im Nachruf auf die wohl berühmteste Besitzerin des noblen Etablissements, die legendäre Anna Sacher, die 1930 im einundsiebzigsten Lebensjahr starb. Ihr und der Geschichte des gleichnamigen Hotels hat Monika Czernin nachgespürt. "Das letzte Fest des alten Europa" nennt sie ihr Buch, das die Epoche vor und nach dem Ersten Weltkrieg schildert. "Das Sacher, das bin ich und sonst niemand", pflegte Anna Sacher zu sagen, die eine resolute Unternehmerin war. Nach dem frühen Tod ihres Mannes steuerte sie das Hotelschiff allein durch stürmische Zeiten. Das Restaurant und die Salons waren damals beliebte Treffpunkte. Hier diskutierte man über neueste Theateraufführungen, hier wurde verhandelt, konspiriert und genossen. Das Sacher zählte zu den ersten Lokalen mit eleganten Séparées, in die man sich zum Tafeln und zu sonstigen Lustbarkeiten zurückzog. Über allem wachte Anna Sacher, klug und diplomatisch, aber auch selbstbewusst in ihren Haltungen. Als zum Beispiel der Antisemitismus aufbrandete, bezog sie klar dagegen Stellung. Monika Czernins Buch schlägt den leichten Plauderton an. Und doch gelingt es ihr, die Stimmung vor und nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches einzufangen: das Erstarken des Bürgertums, das wachsende Selbstbewusstsein der jüdischen Industriellen und Künstler und zugleich die Ohnmacht des Kaisers angesichts der Unruhen in einem zerrütteten Vielvölkerstaat, die dem Nationalismus den Weg bahnten. Mit Czernins Buch in der Hand kann man Wien mit neuem Blick erkunden. Das eine oder andere Stück Sachertorte wird einem dabei als Stärkung sehr willkommen sein.
aber
"Das letzte Fest des alten Europa - Anna Sacher und ihr Hotel" von Monika Czernin. Albrecht Knaus Verlag, München 2015. 351 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 19,99 Euro.
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"Mit Czernins Buch in der Hand kann man Wien mit neuem Blick erkunden." Frankfurter Allgemeine Zeitung