Eigentlich könnte es kaum besser laufen für Nathaniel Piven. Er hat seinen ersten Buchvertrag in der Tasche, schreibt für angesagte Magazine und tummelt sich in der hippen Kulturszene von Brooklyn. Auch sein Liebesleben hat Aufwind. Seine Exfreundin Elisa versucht, ihn wieder zu verführen, die attraktive Greer flirtet mit ihm, und als er die intelligente, selbstbewusste Hannah kennenlernt und eine Beziehung mit ihr eingeht, scheint das Glück endgültig vor seiner Tür zu stehen. Das Problem ist nur, dass Nate es nicht hereinlässt. Je ernster es zwischen ihm und Hannah wird, desto mehr wird er von Zweifeln geplagt. Ist er tatsächlich bereit, sich jetzt schon zu binden? Ist Hannah wirklich die richtige Frau? Ein quälender Zerfallsprozess beginnt ... Scharfsinnig und mit großer Beobachtungsgabe seziert Adelle Waldman die Psyche des modernen Mannes und sein Verhältnis zu Frauen. Ihr viel diskutierter Bestseller ist ein humorvolles, aber auch entlarvendes Porträt einer Generation, die alles hinterfragt, sich aber bei der ersten aller Fragen - wie passen Männer und Frauen überhaupt zusammen? - immer wieder selbst im Wege steht.
buecher-magazin.deWas ist nur los mit den Typen? In Zeiten von Tinder scheint die Welt, die Adelle Waldman in ihrem gefeierten Debüt beschreibt, schon fast archaisch altmodisch mit ihren analogen Dating-Dramen, und gleichsam symptomatisch. Diese saturierte New Yorker Hipster-Gesellschaft von jungen Intellektuellen aus der Medien- und Literaturwelt - in der sich ihr Antiheld Nathaniel P. bewegt. Die Art, wie Waldman Naths chronische Beziehungsunfähigkeit beschreit, ist faszinierend, weil sie dabei keine Partei ergreift und gerade deshalb das Soziogramm einer ganzen Generation narzisstischer Selbstdarsteller auffächert. Die von einer Beziehung in die nächste wechseln und am Ende doch am meisten in sich selbst verliebt sind. Durch Nathaniels Augen lernen wir Hannah kennen, erleben einen Sommer der Verliebtheit in diese Frau, die vorerst in keine seiner Schubladen passen will, weil sie so vernünftig, nicht lächerlich ist. Durch seine Rückblenden erleben wir ihn als einen Typen, der sich für einen Frauenversteher hält - doch mit zunehmendem Erfolg auf dem gesellschaftlichen Parkett immer geschicktere Ausreden vor sich selbst findet, sich am Ende doch wie ein total versnobtes Arschloch zu benehmen.
© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
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"Adelle Waldman ist die Jane Austen ihrer Generation." -- THE BOSTON GLOBE
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2015Die Liebe in Zeiten des Arugula
Die Amerikanerin Adelle Waldman und ihr aufschlussreicher Roman über Männer von heute und Beziehungen
Brooklyn, irgendwann jetzt: Nathaniel Piven, der Mann, um dessen Liebesleben es in Adelle Waldmans Debütroman "Das Liebesleben des Nathaniel P." geht, steht kurz vor der Veröffentlichung seines Debütromans. Parallel zu den Immobilienpreisen in seinem Viertel ist damit auch sein Marktwert enorm gestiegen. Nathaniel, genannt Nate, ist ein präzise gezeichneter Prototyp: Man trifft ihn in den upcoming Gegenden großer Städte, die sich wiederum durch ihr Lebensgefühl der Einzigartigkeit auszeichnen. Nate und seine Freunde verdienen nicht zwangsläufig mehr als ihre Vormieter, gehören aber einer anderen demografischen Gruppe an, ernähren sich von hochwertiger Hipster-Hausmannskost oder von Pizza, die aussieht wie ein Salat, weil sie mit Arugula überhäuft wurde, was man außerhalb der Vereinigten Staaten als Rucola kennt.
So weit, so verbreitet. Nate also befindet sich in der richtigen Stadt, in den richtigen Kreisen und am richtigen Punkt seiner Karriere, die nach harten Jahren als Freiberufler endlich Fahrt aufnimmt und damit auch seinem Status einen Schub verleiht - als Autor und als Mann. Nach Schul- und Uni-Tagen als freundlicher Nerd im Schatten der Coolen, Sportskanonen, Reichen und sehr Reichen, denn er hat in Harvard studiert, fühlt er sich nun bestätigt.
Es ist, denkt Nate, als hätte sich eine langatmige Diskussion endlich zu seinen Gunsten entschieden. Und zwar so rasant, dass er sich fragen muss, wie er jetzt sein Liebesleben organisiert, ohne sich fest zu binden, denn er ist nicht nur auf der Suche nach Sex, sondern auch nach einem lebenswerten Moralkodex. Nate schlägt sich also mit seinen eigenen Argumenten herum, mit seinem inneren Sexisten, Postfeministen und einem etwas altklugen Bürschchen, das auch noch Kant ins Spiel bringt. Dabei ist er nicht gewollt sympathisch, nicht besonders integer oder geradlinig, und man liest gern, was er denkt.
Es ist amüsant, wenn er sich etwa fragt, wo das Problem mit dem unverbindlichen Sex liegt. Respektive bei wem. Wir erraten es: Bei den Frauen, genauer gesagt in deren hoffnungsvoller Blauäugigkeit, ihrem Hunger nach Nähe und der ungenierten Annahme, dass Männer sich ebenso sehr danach sehnten. Doch worauf basierte die? Auf wem, fragt sich Nate, der nun auch mit der Schattenseite seines Erfolgs konfrontiert wird, nämlich der relativ neuen Gefahr, als Arschloch zu gelten.
Vielleicht auch, weil man ihn unter- oder überschätzt hat, denn er mag nicht nur Thomas Bernhard und Italo Svevo, sondern auch Pornos und eine bestimmte Form und Größe von Brüsten. Und auch ein Mann wie er ruft im Zweifel nie wieder an. Warum nicht? Weil er es kann.
Es sind diese Quasi-Enthüllungen, die diesem Roman, als er 2013 in den Vereinigten Staaten erschien, wo er es in nahezu alle namhaften Bücher-des-Jahres-Listen schaffte, die Attribute schonungslos und brutal ehrlich eingebracht haben. Und Lena Dunham sagte über ihn, er brächte die Lage der modernen Frau auf den Punkt. Die moderne Frau nämlich will den modernen Mann offenbar so dringend, dass Nates Beliebtheit nicht nur mit seinem Aufstieg zu tun hat, sondern auch mit einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu seinen Gunsten.
Auch mit Jane Austen wurde Waldman, 38, verglichen. Austens Romane gelten - wie der Waldmans auch - als psychologisch genaue Gesellschaftsporträts und werden nach wie vor ständig adaptiert und verfilmt. Außerdem sind sie zweihundert Jahre alt, und ihr Hauptthema ist Heiraten. Wenn Nathaniel P. mit einer Mischung aus Erleichterung und Wehmut von der Hochzeit einer Ex erfährt, ist das definitiv ein Jane-Austen-Moment. Auch wenn sich seither viel geändert hat. Besonders in der Theorie. Und im Wording. Und natürlich auch in der Beziehungsanbahnung. Und während seine platonische Freundin Aurit darüber sinniert, wie man Dating, dieses Leistungsgesellschaftsprocedere angewandt im Privatleben, mit halbwegs heiler Psyche überstehen soll, fragt sich Nate, ob es keine anderen Themen gibt als das Glück der Frauen der gehobenen Mittelklasse.
Gute Frage. Männer, Frauen und Beziehungen sorgen auf jeden Fall für erhellende Dialoge in diesem Buch, während man bei den Gesprächen zur Weltlage eher denkt: Okay. Muss man vielleicht dabei gewesen sein. Auf einem dieser Rhetorikkurs-Abendessen begegnet Nate einer Frau, die seinen Anforderungskatalog fast vollständig erfüllt. Diese Beziehung steht im Mittelpunkt von Waldmans Verhaltensstudie, in der sie aus Nates Sicht seziert, wie eine vermeintlich passende Verbindung, ein Match, wie es im Partnersuch-Jargon heißt, vergiftet und schließlich zersetzt wird. Besagte Frau also begegnet ihm auf der gewünschten Augenhöhe, inspiriert und fordert ihn, ist lustig und erfüllt sogar sein komplexes Wunschgeflecht nach Elite-Bewusstsein bei gleichzeitiger Unversnobtheit.
Und es gibt Sex. Adelle Waldman schreibt gute Sexszenen, deutlich, unkitschig und unverklemmt. Nate könnte jetzt aufhören, die Frau zu taxieren, doch er kann nicht. Er wägt ab, vergleicht, zerstreut anfängliche Zweifel, um kurz darauf wieder von ihnen eingeholt zu werden. Was richtig scheint, passt irgendwie doch nicht. Daraus entwickelt sich keine amour fou, sondern ein sprachloses Auseinanderdriften. Etwas, das nicht ungewöhnlich ist, aber unerklärlich und das Waldman jetzt erklärt.
Das Unausgesprochene, die gruseligen Antworten auf die verbotene Frage: Schatz, was denkst du?, sie sind es, die dieser Geschichte über Leute, denen es im Grunde gut geht, ihre Abgründe verleiht. Es ist kein großer Rausch, dem Ernüchterung und schließlich ein Kater folgen. Hier scheitert ein Versuch, der kurzfristig zur Beziehung hätte werden können. Sie hat vieles, das er perfekt finden müsste, umso schwerer tut er sich mit dem Eingeständnis, dass ihr trotzdem etwas fehlt.
In diesen Momenten will man mit dem Paar in diesem eigentlich so leicht daherkommenden Zeitgeistroman so wenig tauschen wie mit Leuten auf Galeeren oder in Felsspalten. Waldman schildert, wie aus Nates anfänglichem Bewerten ein Belauern wird, unter dem die Frau sich windet, wie er sich zurückzieht und sie nicht etwa klammert, sondern seinen Freiraum vergrößert, worin er eine Schwäche sieht, die ihn abstößt, wofür er sich schuldig fühlt, was er wiederum auf sie projiziert, sie, die Auslöserin, die ihm damit noch lästiger wird. Sie leidet, ihm tut es leid. Und dann auch wieder nicht. Dann, wenn er Partei für sich ergreift, was er selbstverständlich tut. Adelle Waldman ergreift keine Partei für Männer oder Frauen, kritisiert nicht, sondern protokolliert eine Talfahrt am Beispiel zweier Personen, denen klar ist, dass sie auch in der Rolle des anderen hätten sein können, denn so geht dieses Spiel.
Was lief schief? Der Erklärungskatalog für angeschlagene Egos greift nicht: Nein, es ist nicht die Angst der Männer vor starken Frauen und keine Glücksphobie. Es ist auch keine Bindungsunfähigkeit, die mittlerweile weiter verbreitet sein dürfte als Laktose-Intoleranz. Bindungsunfähigkeit ist zudem komfortabler als viele Wahrheiten, und deshalb bringt auch Nate sie kurz als Begründung an. Erfolglos.
Dieser Roman hat gnadenlose Stellen, das macht ihn gut und wahr, er verrät jedoch niemals seine Figuren, ist nicht zynisch und auch nicht unromantisch, er verzichtet nur auf die Art von Romantik, in der Liebe unabhängig von Äußerlichkeiten zu entstehen hat.
Im letzten Teil beschreibt der Roman dann, nun konsequent und ohne Nebenhandlung, eine funktionierende Beziehung, die rätselhafte Rezeptur aus Begehren, Faszination und einer Neuordnung der Vorlieben und Abneigungen - Liebe, wenn man so will.
JACKIE THOMAE
Adelle Waldman: "Das Liebesleben des Nathaniel P.". Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Liebeskind, 300 Seiten, 19,90 Euro. Von Jackie Thomae erscheint Ende Juli auch ein Roman über das Scheitern von Beziehungen: "Momente der Klarheit" (Hanser Berlin).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Amerikanerin Adelle Waldman und ihr aufschlussreicher Roman über Männer von heute und Beziehungen
Brooklyn, irgendwann jetzt: Nathaniel Piven, der Mann, um dessen Liebesleben es in Adelle Waldmans Debütroman "Das Liebesleben des Nathaniel P." geht, steht kurz vor der Veröffentlichung seines Debütromans. Parallel zu den Immobilienpreisen in seinem Viertel ist damit auch sein Marktwert enorm gestiegen. Nathaniel, genannt Nate, ist ein präzise gezeichneter Prototyp: Man trifft ihn in den upcoming Gegenden großer Städte, die sich wiederum durch ihr Lebensgefühl der Einzigartigkeit auszeichnen. Nate und seine Freunde verdienen nicht zwangsläufig mehr als ihre Vormieter, gehören aber einer anderen demografischen Gruppe an, ernähren sich von hochwertiger Hipster-Hausmannskost oder von Pizza, die aussieht wie ein Salat, weil sie mit Arugula überhäuft wurde, was man außerhalb der Vereinigten Staaten als Rucola kennt.
So weit, so verbreitet. Nate also befindet sich in der richtigen Stadt, in den richtigen Kreisen und am richtigen Punkt seiner Karriere, die nach harten Jahren als Freiberufler endlich Fahrt aufnimmt und damit auch seinem Status einen Schub verleiht - als Autor und als Mann. Nach Schul- und Uni-Tagen als freundlicher Nerd im Schatten der Coolen, Sportskanonen, Reichen und sehr Reichen, denn er hat in Harvard studiert, fühlt er sich nun bestätigt.
Es ist, denkt Nate, als hätte sich eine langatmige Diskussion endlich zu seinen Gunsten entschieden. Und zwar so rasant, dass er sich fragen muss, wie er jetzt sein Liebesleben organisiert, ohne sich fest zu binden, denn er ist nicht nur auf der Suche nach Sex, sondern auch nach einem lebenswerten Moralkodex. Nate schlägt sich also mit seinen eigenen Argumenten herum, mit seinem inneren Sexisten, Postfeministen und einem etwas altklugen Bürschchen, das auch noch Kant ins Spiel bringt. Dabei ist er nicht gewollt sympathisch, nicht besonders integer oder geradlinig, und man liest gern, was er denkt.
Es ist amüsant, wenn er sich etwa fragt, wo das Problem mit dem unverbindlichen Sex liegt. Respektive bei wem. Wir erraten es: Bei den Frauen, genauer gesagt in deren hoffnungsvoller Blauäugigkeit, ihrem Hunger nach Nähe und der ungenierten Annahme, dass Männer sich ebenso sehr danach sehnten. Doch worauf basierte die? Auf wem, fragt sich Nate, der nun auch mit der Schattenseite seines Erfolgs konfrontiert wird, nämlich der relativ neuen Gefahr, als Arschloch zu gelten.
Vielleicht auch, weil man ihn unter- oder überschätzt hat, denn er mag nicht nur Thomas Bernhard und Italo Svevo, sondern auch Pornos und eine bestimmte Form und Größe von Brüsten. Und auch ein Mann wie er ruft im Zweifel nie wieder an. Warum nicht? Weil er es kann.
Es sind diese Quasi-Enthüllungen, die diesem Roman, als er 2013 in den Vereinigten Staaten erschien, wo er es in nahezu alle namhaften Bücher-des-Jahres-Listen schaffte, die Attribute schonungslos und brutal ehrlich eingebracht haben. Und Lena Dunham sagte über ihn, er brächte die Lage der modernen Frau auf den Punkt. Die moderne Frau nämlich will den modernen Mann offenbar so dringend, dass Nates Beliebtheit nicht nur mit seinem Aufstieg zu tun hat, sondern auch mit einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu seinen Gunsten.
Auch mit Jane Austen wurde Waldman, 38, verglichen. Austens Romane gelten - wie der Waldmans auch - als psychologisch genaue Gesellschaftsporträts und werden nach wie vor ständig adaptiert und verfilmt. Außerdem sind sie zweihundert Jahre alt, und ihr Hauptthema ist Heiraten. Wenn Nathaniel P. mit einer Mischung aus Erleichterung und Wehmut von der Hochzeit einer Ex erfährt, ist das definitiv ein Jane-Austen-Moment. Auch wenn sich seither viel geändert hat. Besonders in der Theorie. Und im Wording. Und natürlich auch in der Beziehungsanbahnung. Und während seine platonische Freundin Aurit darüber sinniert, wie man Dating, dieses Leistungsgesellschaftsprocedere angewandt im Privatleben, mit halbwegs heiler Psyche überstehen soll, fragt sich Nate, ob es keine anderen Themen gibt als das Glück der Frauen der gehobenen Mittelklasse.
Gute Frage. Männer, Frauen und Beziehungen sorgen auf jeden Fall für erhellende Dialoge in diesem Buch, während man bei den Gesprächen zur Weltlage eher denkt: Okay. Muss man vielleicht dabei gewesen sein. Auf einem dieser Rhetorikkurs-Abendessen begegnet Nate einer Frau, die seinen Anforderungskatalog fast vollständig erfüllt. Diese Beziehung steht im Mittelpunkt von Waldmans Verhaltensstudie, in der sie aus Nates Sicht seziert, wie eine vermeintlich passende Verbindung, ein Match, wie es im Partnersuch-Jargon heißt, vergiftet und schließlich zersetzt wird. Besagte Frau also begegnet ihm auf der gewünschten Augenhöhe, inspiriert und fordert ihn, ist lustig und erfüllt sogar sein komplexes Wunschgeflecht nach Elite-Bewusstsein bei gleichzeitiger Unversnobtheit.
Und es gibt Sex. Adelle Waldman schreibt gute Sexszenen, deutlich, unkitschig und unverklemmt. Nate könnte jetzt aufhören, die Frau zu taxieren, doch er kann nicht. Er wägt ab, vergleicht, zerstreut anfängliche Zweifel, um kurz darauf wieder von ihnen eingeholt zu werden. Was richtig scheint, passt irgendwie doch nicht. Daraus entwickelt sich keine amour fou, sondern ein sprachloses Auseinanderdriften. Etwas, das nicht ungewöhnlich ist, aber unerklärlich und das Waldman jetzt erklärt.
Das Unausgesprochene, die gruseligen Antworten auf die verbotene Frage: Schatz, was denkst du?, sie sind es, die dieser Geschichte über Leute, denen es im Grunde gut geht, ihre Abgründe verleiht. Es ist kein großer Rausch, dem Ernüchterung und schließlich ein Kater folgen. Hier scheitert ein Versuch, der kurzfristig zur Beziehung hätte werden können. Sie hat vieles, das er perfekt finden müsste, umso schwerer tut er sich mit dem Eingeständnis, dass ihr trotzdem etwas fehlt.
In diesen Momenten will man mit dem Paar in diesem eigentlich so leicht daherkommenden Zeitgeistroman so wenig tauschen wie mit Leuten auf Galeeren oder in Felsspalten. Waldman schildert, wie aus Nates anfänglichem Bewerten ein Belauern wird, unter dem die Frau sich windet, wie er sich zurückzieht und sie nicht etwa klammert, sondern seinen Freiraum vergrößert, worin er eine Schwäche sieht, die ihn abstößt, wofür er sich schuldig fühlt, was er wiederum auf sie projiziert, sie, die Auslöserin, die ihm damit noch lästiger wird. Sie leidet, ihm tut es leid. Und dann auch wieder nicht. Dann, wenn er Partei für sich ergreift, was er selbstverständlich tut. Adelle Waldman ergreift keine Partei für Männer oder Frauen, kritisiert nicht, sondern protokolliert eine Talfahrt am Beispiel zweier Personen, denen klar ist, dass sie auch in der Rolle des anderen hätten sein können, denn so geht dieses Spiel.
Was lief schief? Der Erklärungskatalog für angeschlagene Egos greift nicht: Nein, es ist nicht die Angst der Männer vor starken Frauen und keine Glücksphobie. Es ist auch keine Bindungsunfähigkeit, die mittlerweile weiter verbreitet sein dürfte als Laktose-Intoleranz. Bindungsunfähigkeit ist zudem komfortabler als viele Wahrheiten, und deshalb bringt auch Nate sie kurz als Begründung an. Erfolglos.
Dieser Roman hat gnadenlose Stellen, das macht ihn gut und wahr, er verrät jedoch niemals seine Figuren, ist nicht zynisch und auch nicht unromantisch, er verzichtet nur auf die Art von Romantik, in der Liebe unabhängig von Äußerlichkeiten zu entstehen hat.
Im letzten Teil beschreibt der Roman dann, nun konsequent und ohne Nebenhandlung, eine funktionierende Beziehung, die rätselhafte Rezeptur aus Begehren, Faszination und einer Neuordnung der Vorlieben und Abneigungen - Liebe, wenn man so will.
JACKIE THOMAE
Adelle Waldman: "Das Liebesleben des Nathaniel P.". Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Liebeskind, 300 Seiten, 19,90 Euro. Von Jackie Thomae erscheint Ende Juli auch ein Roman über das Scheitern von Beziehungen: "Momente der Klarheit" (Hanser Berlin).
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