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"Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!"
Sein Gedicht an Anna Blume hat Kurt Schwitters berühmt gemacht. Durch seine Sonate in Urlauten wurde er zum Klassiker unter den Sprachartisten und Kunst-Avantgardisten des 20. Jahrhunderts.
Parallel zu seinen bildnerischen Arbeiten mit Malerei und Collage schuf Kurt Schwitters ein hochoriginelles literarisches Werk, dessen Umfang und Vielseitigkeit diese neue gebundene Ausgabe beweist: Neben dem verspielten Lyriker ist der Erzähler Schwitters zu entdecken, der Dramatiker des Grotesken, der bissige Kritiker und scharfsichtige…mehr

Produktbeschreibung
"Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!"

Sein Gedicht an Anna Blume hat Kurt Schwitters berühmt gemacht. Durch seine Sonate in Urlauten wurde er zum Klassiker unter den Sprachartisten und Kunst-Avantgardisten des 20. Jahrhunderts.

Parallel zu seinen bildnerischen Arbeiten mit Malerei und Collage schuf Kurt Schwitters ein hochoriginelles literarisches Werk, dessen Umfang und Vielseitigkeit diese neue gebundene Ausgabe beweist: Neben dem verspielten Lyriker ist der Erzähler Schwitters zu entdecken, der Dramatiker des Grotesken, der bissige Kritiker und scharfsichtige Pamphletist.

Kurt Schwitters, "unser Zauberer aus Hannover" (Peter Demetz in der F.A.Z), bietet radikale literarische Kunst für alle 27 Sinne.

Band 1: Lyrik

320 Seiten mit 16 einfarbigen Abbildungen, 6 Zeichnungen, 9 Faksimiles, Verzeichnis der Gedichtanfänge

Band 2: Prosa 1918-1930

438 Seiten mit Collagetexten nach Originalvorlagen und alphabetischem Verzeichnis

Band 3: Prosa 1931-1948

340 Seiten mit alphabetischem Verzeichnis

Band 4: Schauspiele und Szenen

372 Seiten mit alphabetischem Verzeichnis

Band 5: Manifeste und kritische Prosa

464 Seiten mit zahlreichen Textwiedergaben in Faksimiles,

Nachträge zu den Bänden 1-4, Gesamtregister und Personenregister
Autorenporträt
Kurt Schwitters wurde 1887 in Hannover geboren. Er studierte an der Kunstgewerbeschule Hannover und der Königlich Sächsischen Akademie der Künste in Dresden. Nach impressionistischen und expressionistischen Gemälden entstanden ab 1918 zunehmend abstrakter werdende Collagen und Assemblagen. Fortan deklarierte er alle seine Arbeiten als "Merz"-Kunst. Als Mitglied der IVEKF, der "Internationalen Vereinigung von Expressionisten, Kubisten und Futuristen" stand Schwitters auch den Berliner Dadaisten um Hans Arp, Hannah Höch und Raoul Hausmann nah und war mit Tristan Tzara und El Lissitzky befreundet. Schwitters betätigte sich jedoch nicht nur als bildender Künstler. Der Herausgeber der Zeitschrift "Merz" war auch ein Lyriker und Schriftsteller von Rang. Unvergessen sind sein Gedicht "An Anna Blume" oder das Lautgedicht "Sonate in Urlauten", aber auch seine übrigen poetischen und dramatischen Werke, in denen er Erzählkonventionen auf virtuose und mitunter hochkomische Weise unterwandert,

sind von Bedeutung. Vor den Nationalsozialisten, denen seine Kunst als "entartet" galt, flüchtete Schwitters 1937 zunächst nach Norwegen und von dann nach England. Dort verstarb er 1948 in Kendal.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2006

Bei Husten und Schnupfen
Wiedergelesen: Was bleibt vom Schriftsteller Kurt Schwitters?

In fünf schön aufgemachten Bänden hat der Deutsche Taschenbuch Verlag das literarische Werk von Kurt Schwitters vorgelegt: ein Band Lyrik, zwei Bände Prosa, ein Band Schauspiele und Szenen, ein Band Manifeste und kritische Prosa. Es handelt sich um einen Nachdruck der von Friedhelm Lach besorgten Ausgabe, die von 1973 bis 1981 bei DuMont realisiert wurde. Als 1973 der erste Band erschienen war, gab es eine kleine Kontroverse, weil ein Kritiker die philologische Genauigkeit der Ausgabe bezweifelte. Zu bemerkenswerten Korrekturen scheint dies nicht genötigt zu haben; wenigstens ist in der neuen Ausgabe nichts Entsprechendes angezeigt, und so darf man wohl davon ausgehen, daß die Wiedergabe der Manuskripte, auch derjenigen, die in der Gabelsberger Kurzschrift gehalten sind, so zuverlässig wie möglich ist. Wer Schwitters genauer kennenlernen oder gar gründlich studieren will, hat nun jedenfalls die Möglichkeit, dieser Absicht - und diesem Vergnügen - anhand einer erschwinglichen und zudem schönen Ausgabe zu frönen.

Zu danken ist dem Verlag für diese Ausgabe, die die Vorzüge des Taschenbuchs, also günstiger Preis und Handlichkeit, mit dem großen Format der Originalausgabe vereinigt, weil nun endlich eine breitere Beschäftigung mit dem literarischen Werk von Schwitters einsetzen kann. Die Glanzstücke, die Schwitters um 1920 berühmt gemacht haben, kennt jeder: die tolldrastische Hymne auf Anna Blume "A - N - N - A: Du bist von hinten wie von vorne"); das "i-Gedicht" (in Sütterlin zu denken: "rauf, runter, rauf, Pünktchen drauf"); die "Cigarren (ELEMENTAR): Ci / garr / ren / Ce / i / ge ...").

Dann auch die späteren Klassiker: die aberlogische "Auguste Bolte" von 1922; das Lachtränen treibende Vortragsstück "Schacko" von 1926 und die lautartistische "Ursonate" aus den folgenden Jahren. Aber wer kennt seine zahlreichen Märchen, die von 1924 an entstanden sind? Oder die Bühnentexte, die Schwitters von 1922 an geschrieben hat? Oder die famosen "Tran"-Texte, in denen sich Schwitters mit seinen Kritikern auseinandersetzt: "Kritiker sind eine besondere Art Menschen. Zum Kritiker muß man geboren sein. Mit ganz außergewöhnlichem Schaafsinn findet der geborene Kritiker das heraus, worauf es nicht ankommt. Er sieht nie den Fehler des zu kritisierenden Kunstwerks oder des Künstlers, sondern sein eigenes Fehlen, sichtbar gemacht durch das Kunstwerk. Der Kritiker erkennt durch angeborenen Schaafsinn gewissermaßen seinen eigenen Fehler durch das Kunstwerk. Das ist die Tragik aller Kritiker, sie sehen Fehler, statt Kunst."

Auf eine allzu biedere Kritik, die für die heiteren Spiele von Schwitters keinerlei Sensorium hatte, antwortete er mit dadaistisch zugespitzten Diatriben, die den solchermaßen kritisierten Kritiker ziemlich dämlich dastehen ließen und ihn wohl für eine Weile mundtot gemacht haben dürften; freilich ist Schwitters nie auf manche Rezensenten getroffen, die als Dadaist so grandios wie als Kritiker sind. Jenseits des Spaßigen haben die "Tran"-Texte aber auch eine ernste und literaturgeschichtlich interessante Seite, insofern sie Dokumente für das Unverständnis sind, auf das Schwitters mit seiner heiteren Kunstauffassung und mit seiner experimentell-innovativen Kunstpraxis stieß. Das wäre heute anders. Das Verständnis für die Leistung dieser Art von Poesie: für die Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten, für die Erkenntnis sprachlicher Mechanismen, für die Sprengung ideologischer Fixierungen, für die Schulung der Rezeptionsmöglichkeiten von Kunst - das Verständnis für diese und andere Leistungen dieser vermeintlichen Nonsense-Kunst ist bei der Literaturkritik wie bei der Literaturwissenschaft und - als Folge davon - im breiteren Publikum gewachsen.

Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem literarischen Schaffen von Schwitters, das hier komplett mit Varianten und Übersetzungen dokumentiert ist, insgesamt zukommt. Der Rang der obengenannten Klassiker aus der ersten Hälfte der zwanziger Jahre ist unbestritten. Mit ihnen gab Schwitters Muster, die immer wieder anregend wirkten und zum Kanon der Moderne gehören. Auch in den dreißiger Jahren gelangen ihm noch überraschende Inventionen: das "kleine Gedicht für große Stotterer" (um 1934), das einen, wenn es vorgetragen wird, zwischen Lachen und Entsetzen hin und her wirft; das "Niesscherzo" ("tesch / haisch / tschiiaa") und "Hustenscherzo" ("kraff / püsch / kraff"), mit denen Schwitters 1936/37 nach Worten, Lauten und Stimmgeräuschen auch akustische Krankheitsäußerungen in den Rang von kunsttauglichen Ausdrucksmitteln erhoben hat (hoffentlich liest das die Ministerin Ulla Schmidt nicht, sonst kommt sie noch auf die Idee, Niesen und Husten mit Vergnügungssteuer zu belegen).

Dennoch ist festzustellen, daß die innovative oder expansive Phase spätestens um die Mitte der zwanziger Jahre zu Ende ging, weil das Prinzip von Schwitters' "MERZ-Kunst", die Integration aller möglichen Materialien und Techniken ins Kunstwerk, ausgereizt und hinreichend exemplifiziert war. Von da an ist wiederholender und leicht abwandelnder Ausbau zu beobachten, im Bereich der Prosa und der dramatischen Texte auch eine Rückkehr zu konventionelleren Darstellungsweisen. Vieles blieb im übrigen fragmentarisch, und dies vermutlich nicht nur, weil Schwitters nach 1933 als "entartet" betrachtet wurde und im Januar 1937 nach Norwegen emigrierte: Auch viele Texte aus den zwanziger Jahren sind unvollendet oder blieben ungedruckt, und so drängt sich der Verdacht auf, daß Schwitters sie nicht zum Abschluß beziehungsweise zum Druck brachte, weil sie ihm als avantgardistische Texte zu konventionell und als konventionelle Texte nicht pfiffig (oder "MERZig") genug waren.

Wahrscheinlich hatte Gottfried Benn recht, als er 1951 in seiner vielberufenen Rede "Probleme der Lyrik" sagte, die Avantgardisten der zehner und zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts seien Innovatoren und "Vollender" in einem Sprung gewesen. Der Herausgeber der Schwitters-Ausgabe, Friedhelm Lach, sieht das zwar anders und vertritt in seinen Vorworten zu den einzelnen Bänden mehrfach die These, daß sich in Schwitters' Schaffen ein konsequenter Ausbau und durchaus auch eine qualitative Steigerung beobachten ließen. Den Nachweis dafür bleibt er aber schuldig, und die Forschung hat seit dem Abschluß der Originalausgabe vor 25 Jahren nicht eben viel zur Bestätigung der Ausbau- und Steigerungsthese beigetragen. Möge die Taschenbuchausgabe dazu anregen, dieser Frage nachzugehen und die Entwicklung des Avantgardisten Schwitters nach 1930 genauer zu untersuchen und qualifizierend zu beschreiben.

HELMUTH KIESEL.

Kurt Schwitters: "Das literarische Werk". Herausgegeben von Friedhelm Lach. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. Bd. 1: Lyrik, 319 S., br., 14,50 [Euro]; Bd. 2: Prosa 1918-1930, 438 S., br., 18,- [Euro]; Bd. 3: Prosa 1931-1948, 338 S., br., 18,- [Euro]; Bd. 4: Schauspiele und Szenen, 371 S., br., 18,- [Euro]; Bd. 5: Manifeste und kritische Prosa, 480 S., br., 18,- [Euro].

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