Seit dem späten Mittelalter existiert - im christlichen Abendland - das Loch zur Steuerung von Glocken, Tönen und Ton-Automaten, später von Webstühlen und Rechenmaschinen. Später gerät es zur Perforation des Films und wird zum Essential der Hollerithmaschine sowie der Punchcards der Computer, bis am Ende Finger und Augen, also das Keyboard und der Screen, die Lücken schließen. Genau in diesem Augenblick aber verschwindet das Loch im Silizium, als zentraler Elementarbaustein der operationalistischen Quantenmechanik des Transistors. Das wiederum hat ermöglicht, den Hubble-Satelliten und seine Computer ins Weltall zu schießen, die uns seither Kunde geben von (mindestens) einem 'Schwarzen Loch' in jeder Galaxie. Neben dem, dass das Universum zu 95% von ('dunkler') Materie und Kräften durchdrungen ist, die wir nicht kennen, ist es durchsetzt von 'Löchern', deren Physik wir nicht verstehen, weil in ihnen kein Raum und keine Zeit existiert. Diese lochhafte 'Singularität' kündigt nun aber vom Ende her eine Vereinbarung auf, die - mit Newton - die Neuzeit eröffnete und den Grund aller Aufklärung legte: nämlich dass die Dinge im Himmel so seien wie auf Erden. Sie sind es nicht. So schwindet das Sein des Menschen und seiner Dinge im Operationalismus einer Differenz, die sich nicht schließen lässt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Bierernst kann Rezensent Michael Opitz den Essay des Medientheoretikers Wolfgang Hagen über das Loch nicht nehmen. Dafür spricht schon, dass sich Hagen bei seiner Erkundung des umrandeten Nichts unter anderem auf Tucholsky bezieht, wie Opitz erwähnt. Kulturgeschichtlich wertvoll aber scheint dem Rezensenten allemal, was Hagen durchaus mit Humor über die Bedeutung von Löchern für die Menschheitgeschichte zu erzählen hat, etwa in Sachen Camera obscura, Lochprogramme, Lochkarten. Für Opitz steht am Ende der Lektüre jedenfalls fest, dass die negative Konnotation des Lochs (säuft wie ein Loch, finsteres Loch, Loch im Kopf etc.) nicht länger haltbar ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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