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Sie ist in der Blüte ihrer Jugend. Doch seit ihrem Fehltritt im Roggen ist Freda von Rützow eine gebrochene Frau. Das Kind jener romantischen Stunden hat sie auf Drängen ihres Vaters weggegeben. Jahrelang lastet die Erinnerung an die wenigen Minuten, die sie mit ihrem Baby verbringen durfte, auf ihr. Unter der Schreckensherrschaft der Nazis bekommt Freda Gelegenheit, ihre Schuld zu sühnen. Sie hält einen jüdischen Jungen in ihrer Wohnung versteckt, betreut und erzieht ihn. So befreit sie sich von der Last der Vergangenheit und findet in düsterer Zeit doch noch Glück und Liebe. 'Irina…mehr

Produktbeschreibung
Sie ist in der Blüte ihrer Jugend. Doch seit ihrem Fehltritt im Roggen ist Freda von Rützow eine gebrochene Frau. Das Kind jener romantischen Stunden hat sie auf Drängen ihres Vaters weggegeben. Jahrelang lastet die Erinnerung an die wenigen Minuten, die sie mit ihrem Baby verbringen durfte, auf ihr. Unter der Schreckensherrschaft der Nazis bekommt Freda Gelegenheit, ihre Schuld zu sühnen. Sie hält einen jüdischen Jungen in ihrer Wohnung versteckt, betreut und erzieht ihn. So befreit sie sich von der Last der Vergangenheit und findet in düsterer Zeit doch noch Glück und Liebe. 'Irina Korschunow ist mit packenen Schilderungen von Menschen und Milieu bekannt geworden.' Welt am Sonntag
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Irina Korschunow, geboren und aufgewachsen in Stendhal, veröffentlichte zahlreiche erfolgreiche Romane. Darüber hinaus ist sie eine der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Ihre Bücher werden weltweit übersetzt. Die vielfach ausgezeichnete Autorin lebt in der Nähe von München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2002

Das märkische Gretchen
Alltag unterm Hakenkreuz: Irina Korschunow vertauscht Kinder

In den bald fünfzig Jahren ihres Schaffens hat die Autorin Irina Korschunow vornehmlich auf zwei Feldern geackert, die eigentlich nicht viel miteinander gemein haben. Sie schrieb zunächst Kinder- und Jugendbücher, dann Romane für den erwachsenen Leser. Mit beiden kam sie gut an, was auf den ersten Blick staunen macht, denn jede Gattung fordert ja ihr eigenes, von der anderen durchaus unterschiedenes Publikum.

Doch eine Geschichte lebt nicht nur von ihrer Fabel, sondern sendet, je nachdem, wie sie vorgetragen wird, auch untergründige Signale aus. Leser aller Art öffnen sich ihrer jeweiligen Lektüre um so bereitwilliger, je mehr sie sich von ihr persönlich angesprochen fühlen. Und die Autorin Korschunow hat immer verstanden, ihren Lesern, den kleinen wie später den großen, zu suggerieren, sie hätten die jeweilige Geschichte auch selbst erzählen können, wären sie dafür begabt gewesen. Sie fanden sich sozusagen in ihren Büchern wieder, entdeckten Wahrheiten über sich und ihr Leben, die sie eigentlich schon immer gekannt hatten; sie hatten das nur nicht gewußt.

Genau darin besteht der Reiz auch des neuen Romans aus Korschunows Feder, betitelt "Das Luftkind". Er spielt vor, in und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Zunächst scheint es, als liefere die Autorin die modernere Variante eines Gesellschaftsbildes, wie wir es von Fontane kennen. Ihre Heldin Freda, Tochter aus märkischem Landadel, erliegt einer Verführung, sie wird schwanger, das Kind wird ihr weggenommen, ihr Leben scheint ruiniert. Aber Freda ist nicht einfach eine Nachfolgerin von Effi Briest. Die Erdbeben des Säkulums haben ihre Ursprungswelt längst erschüttert, das ärgste, der braune Terror, beginnt soeben, andere Tragödien als das eines märkischen Gretchens bereiten sich vor.

Freda löst sich vom Vaterhaus und wird Lehrerin in einem Kleinstadtgymnasium. Noch trauert sie um den gestohlenen Sohn, aber dann spielt ihr die braune Politik einen Pflegling zu, der auf unerwartete Art ersetzt, was man ihr nahm, das Kind und dessen Vater. Der Jüngling Harro entstammt einer jüdischen Familie, die ihr Judentum lange verbirgt, es jedoch nicht auf Dauer verleugnen kann. Die Demaskierung bedeutet für die Eltern den Tod, für Harro, der seine ahnungslosen Knabenjahre als blonder Hitlerjunge lebte, den Absturz. Freda, deren Träume jählings mit der Realität konfrontiert werden, bietet ihm Asyl.

Die Asylgeschichte ist der Kern des Romans. Nicht deswegen, weil hier ein besonderes Beispiel der Zivilcourage im "Dritten Reich" abgebildet würde. Zwar räumt die Autorin Fredas Widerstandshandlung den gebührenden Platz ein, dennoch geht es nicht um die möglichen Stärken des einzelnen, vielmehr um seine Schwächen, den Kampf mit der Angst, die großen Niederlagen, die viel zu kleinen Siege. Das märkische Schulstädtchen ist bevölkert von einigen großmäuligen Jasagern, vielen furchtsamen Schweigern, einer Minderzahl tapferer Widerständler, einer Population also, wie sie seinerzeit überall zu finden war und wieder gefunden werden könnte, würde das Unheil sich wiederholen.

Die Rettungsaktion, so politisch die gegebenen Umstände sie erscheinen lassen, ist vor allem eine Menschengeschichte, ein Blick in den Alltag einer ungeheuerlichen Zeit. Fredas Mut setzt sie in Gang, aber die Persönlichkeit der Romanheldin erklärt sich nicht nur aus heroischen Eigenschaften. Genaugenommen: zum wenigsten aus ihnen. Freda ist, bei allem, was sie tut, immer auch die geschundene Tochter, Geliebte, Mutter. So scheint es niemals absurd, daß ihre politische Aktion ganz private Konsequenzen zeitigt, eine spröde Love-Story zwischen ihr und dem von ihr verborgenen Jungen, schließlich die noch unklare Verheißung einer neuen Mutterschaft.

Der Umstand, daß Freda die Romanheldin ist, macht dieses Stück Fabel wichtig. Und doch ist es nur ein Strang in der Erzählgirlande, die die Autorin windet. Irina Korschunow konstruiert aus menschlichen Alltäglichkeiten einen Gesamtblick auf eine Geschichtsära und leitet aus den Eigenarten dieser Ära das Tun und Lassen ihrer Zeitgenossen ab. Niemals erteilt sie uns Lehren. Sie zeigt bloß, wie das verbreitete Versagen und der spärliche Anstand in schwerer Zeit zustande kommen, wie wenig nötig ist, um ein Schuft, und wie unendlich viel, um ein braver Kerl zu sein. Sie porträtiert den Durchschnittsmenschen.

SABINE BRANDT

Irina Korschunow: "Das Luftkind". Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2002. 271 S., geb., 19,90 [Euro].

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