»Mutig, originell, unvergesslich« THE NEW YORK TIMESDie vierzehnjährige Adunni weiß genau, was sie will: Bildung. Denn das ist der einzige Weg für ein nigerianisches Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen, Unabhängigkeit zu erlangen und den eigenen Träumen ein Stück näherzukommen. Doch stattdessen verkauft ihr Vater sie als dritte Ehefrau an einen deutlich älteren Mann, damit sie ihm endlich den gewünschten Sohn schenkt. Adunni flieht in die Hauptstadt Lagos, in der Hoffnung, dort in die Schule gehen zu können. Doch auch hier muss sie zunächst viele Widerstände überwinden, bevor sie sich traut, ihre eigene Stimme zu erheben.»Adunni steht für die Stärke der Schwachen, Ausgebeuteten und Benachteiligten« FAZ»Einer der stärksten Kunstgriffe von Abi Daré ist Adunnis Sprache - von Simone Jakob wunderbar ins Deutsche übertragen« SZ
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2021Für zwei
Säcke Reis
Abi Darés Roman erzählt
vom Wert eines Frauenlebens
Kann das Leben mit 14 Jahren schon zu Ende sein? Adunni scheint keine Wahl zu haben. Das Dorfmädchen aus Nigeria muss alles zunächst einmal aufgeben: die Schule besuchen, Lehrerin werden, ein selbstbestimmtes Leben führen. Abi Darés Debüt „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ nimmt die Leser mit an einen Ort, an dem archaische Traditionen mehr zählen als Frauenrechte. „Wenn du zur Schule gehst, wird dich keiner in diesem Dorf zwingen, irgendeinen Mann zu heiraten“, das ist die letzte Ansprache der schwer kranken Mutter. Doch nach deren Tod will der Vater davon nichts mehr wissen und bietet seine Tochter dem sehr viel älteren Taxifahrer Morufu an, als Drittfrau, gegen die Miete, ein paar Ziegen, und zwei Säcke Reis.
Für Adunni beginnt eine lange Flucht: Vor Morufu, der sie vergewaltigt, vor dessen eifersüchtiger Erstfrau, vor einem Leben, in dem erwartet wird, dass Mädchen Ehemännern zu Diensten sind und ihnen (männlichen) Nachwuchs gebären. Als Hausangestellte einer reichen Familie kommt sie nach Lagos. Doch auch hier wird sie ausgebeutet. Jung, weiblich, arm: eine scheinbar unüberwindbare Hürde. Trotzdem gibt Adunni ihren Traum nie auf, sich über schulische Bildung Gehör zu verschaffen. Kurzum: „eine lauterne Stimme“ zu haben. Die tragische Heldin in „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ steht für das Schicksal Millionen junger Mädchen in Nigeria und ganz Westafrika. Hausmädchen zählen dort kaum mehr als Leibeigene. Oft werden sie von armen Eltern beziehungsweise Kupplern an vermögendere Familien „verkauft“. Viele finden sich dabei in ähnlichen Höllen wie Adunni wieder. Sexuell belästigt, beschimpft, geschlagen. Adunni wird gewarnt, sich nicht zu beschweren, wenn es ihr nicht so ergehen soll, wie ihrer verschollenen Vorgängerin.
Abi Daré, die selbst in einer reichen Mittelschichts-Familie in Lagos aufwuchs, studierte Jura und kreatives Schreiben und lebt heute in England. Der Roman (im Original „The Girl With The Louding Voice“) spielt im Jahr 2014: Präsidentschaftswahlen führen zu Spannungen, Boko Haram versetzt mit der Entführung von 276 Schulmädchen die Welt in Schrecken. Adunnis Realität spiegelt die Spaltung der Gesellschaft wieder: Nigeria, eines der reichsten Länder Afrikas, hat seine urbane Mittel- und Oberschicht in die Moderne katapultiert, während die arme Mehrheit in patriarchalen, mittelalterlichen Verhältnissen gefangen bleibt. Vor diesem Hintergrund gewinnt Adunnis Kampf um Schulbildung an gesellschaftlicher Brisanz.
Einer von Darés stärksten Kunstgriffen ist dabei Adunnis Sprache: Ihre Erzählstimme macht den Leser in einfachem, oft falschem Englisch, beziehungsweise Deutsch, zum Komplizen ihrer kindlichen Gefühlswelt. Ihre – von Simone Jakob wunderbar ins Deutsche übertragenen – Neologismen sorgen für Komik: Fernseher heißt für Adunni „Fernseh“, Ausland nennt sie „Außenland“, ein Flugzeug „Aeloplane“. Es ist gerade diese vermeintliche Kindersprache, die als Folie umso mehr das Gekünstelte und Korrupte ihrer Umwelt spürbar macht. Dass sie am Ende doch noch einen Weg aus der Misere findet, verdankt sie nicht allein ihrer Intelligenz und Beharrlichkeit. Es ist Frauensolidarität, die sie immer wieder rettet. Und das Glück, auf eine Freundin aus der Oberschicht zu stoßen, die Adunnis Unschuld anrührt. Die die „lauterne Stimme“ des Mädchens als Teil ihrer eigenen Menschlichkeit hören kann.
JONATHAN FISCHER
Abi Daré: Das Mädchen
mit der lauternen Stimme. Roman. Aus dem
Englischen von
Simone Jakob.
Eichborn, Frankfurt
am Main, 2021.
368 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Säcke Reis
Abi Darés Roman erzählt
vom Wert eines Frauenlebens
Kann das Leben mit 14 Jahren schon zu Ende sein? Adunni scheint keine Wahl zu haben. Das Dorfmädchen aus Nigeria muss alles zunächst einmal aufgeben: die Schule besuchen, Lehrerin werden, ein selbstbestimmtes Leben führen. Abi Darés Debüt „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ nimmt die Leser mit an einen Ort, an dem archaische Traditionen mehr zählen als Frauenrechte. „Wenn du zur Schule gehst, wird dich keiner in diesem Dorf zwingen, irgendeinen Mann zu heiraten“, das ist die letzte Ansprache der schwer kranken Mutter. Doch nach deren Tod will der Vater davon nichts mehr wissen und bietet seine Tochter dem sehr viel älteren Taxifahrer Morufu an, als Drittfrau, gegen die Miete, ein paar Ziegen, und zwei Säcke Reis.
Für Adunni beginnt eine lange Flucht: Vor Morufu, der sie vergewaltigt, vor dessen eifersüchtiger Erstfrau, vor einem Leben, in dem erwartet wird, dass Mädchen Ehemännern zu Diensten sind und ihnen (männlichen) Nachwuchs gebären. Als Hausangestellte einer reichen Familie kommt sie nach Lagos. Doch auch hier wird sie ausgebeutet. Jung, weiblich, arm: eine scheinbar unüberwindbare Hürde. Trotzdem gibt Adunni ihren Traum nie auf, sich über schulische Bildung Gehör zu verschaffen. Kurzum: „eine lauterne Stimme“ zu haben. Die tragische Heldin in „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ steht für das Schicksal Millionen junger Mädchen in Nigeria und ganz Westafrika. Hausmädchen zählen dort kaum mehr als Leibeigene. Oft werden sie von armen Eltern beziehungsweise Kupplern an vermögendere Familien „verkauft“. Viele finden sich dabei in ähnlichen Höllen wie Adunni wieder. Sexuell belästigt, beschimpft, geschlagen. Adunni wird gewarnt, sich nicht zu beschweren, wenn es ihr nicht so ergehen soll, wie ihrer verschollenen Vorgängerin.
Abi Daré, die selbst in einer reichen Mittelschichts-Familie in Lagos aufwuchs, studierte Jura und kreatives Schreiben und lebt heute in England. Der Roman (im Original „The Girl With The Louding Voice“) spielt im Jahr 2014: Präsidentschaftswahlen führen zu Spannungen, Boko Haram versetzt mit der Entführung von 276 Schulmädchen die Welt in Schrecken. Adunnis Realität spiegelt die Spaltung der Gesellschaft wieder: Nigeria, eines der reichsten Länder Afrikas, hat seine urbane Mittel- und Oberschicht in die Moderne katapultiert, während die arme Mehrheit in patriarchalen, mittelalterlichen Verhältnissen gefangen bleibt. Vor diesem Hintergrund gewinnt Adunnis Kampf um Schulbildung an gesellschaftlicher Brisanz.
Einer von Darés stärksten Kunstgriffen ist dabei Adunnis Sprache: Ihre Erzählstimme macht den Leser in einfachem, oft falschem Englisch, beziehungsweise Deutsch, zum Komplizen ihrer kindlichen Gefühlswelt. Ihre – von Simone Jakob wunderbar ins Deutsche übertragenen – Neologismen sorgen für Komik: Fernseher heißt für Adunni „Fernseh“, Ausland nennt sie „Außenland“, ein Flugzeug „Aeloplane“. Es ist gerade diese vermeintliche Kindersprache, die als Folie umso mehr das Gekünstelte und Korrupte ihrer Umwelt spürbar macht. Dass sie am Ende doch noch einen Weg aus der Misere findet, verdankt sie nicht allein ihrer Intelligenz und Beharrlichkeit. Es ist Frauensolidarität, die sie immer wieder rettet. Und das Glück, auf eine Freundin aus der Oberschicht zu stoßen, die Adunnis Unschuld anrührt. Die die „lauterne Stimme“ des Mädchens als Teil ihrer eigenen Menschlichkeit hören kann.
JONATHAN FISCHER
Abi Daré: Das Mädchen
mit der lauternen Stimme. Roman. Aus dem
Englischen von
Simone Jakob.
Eichborn, Frankfurt
am Main, 2021.
368 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Berührt hat Rezensentin Birgit Koß diesen Debütroman der nigerianischen Autorin Abi Daré gelesen. Erzählt wird die Geschichte von Adunni, die nach dem Tod der Mutter und aus Geldmangel als dritte Ehefrau an einen über 50jährigen Taxifahrer verheiratet wird, nach Lagos fliegt, als Sklavin an eine reiche Familie vermittelt wird und doch ihren Bildungshunger und Überlebenswillen nicht verliert, resümiert die Rezensentin. Für Koß ist das Buch nicht nur ein differenziertes Bild der nigerianischen Gesellschaft, sondern dank der "gewagten", an Neologismen reichen Sprache der Autorin auch ein spannendes Experiment, das sie nach kurzen Mühen bald in den Bann zieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Starker Tobak, dem Daré feinfühlig Aufmerksamkeit verschafft" Glamour "Eine hinreißende Geschichte über Selbstermächtigung und Resilienz, über das Überwinden von Widerständen, erzählt von einer unvergesslichen Protagonistin." Buch-Magazin "Daré verpackt die brisanten Themen in eine mitreißende Geschichte voll lebendiger Charaktere, die sich einer stereotypen Lesart entziehen." Die Presse "Dieser Roman ist großartig. Genial geschrieben, spannend bis zum Ende ist er eine Entdeckung, die man sich nicht entgehen lassen sollte." InMagazin "Abi Daré ist ein mitreißendes Debüt gelungen, das Leser:innen ermutigen möchte, im Angesicht von Ungerechtigkeiten ebenfalls immer wieder den Mund auf zu machen." Anna von Rath, poco.lit, Büchermagazin Die außergewöhnliche, kindliche Sprache hat eine große Verspieltheit und Leichtigkeit, die einen immer weiter lesen lässt. Sie macht das Buch zu etwas sehr besonderem. Eine harte und berührende nigerianische Geschichte voller Kraft und Poesie." Jörg Petzold, FluxFM