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Clara Dupont-Monod, 1973 in Paris geboren, studierte an der Sorbonne Literaturwissenschaft und arbeitet als Journalistin für "Marianne". "Eova Luciole", so der Orginaltitel des bei Grasset erschienen Werks, ist der erste Roman dieser hoffnungsvollen Neuentdeckung. Einfühlsam und voller Poesie erzählt Clara Dupont-Monod die Geschichte eines kleinen Mädchens, welches unschuldig, durch den Aberglauben seiner Umgebung in eine Außenseiterposition gerät, aber auch Hilfe und Schutz erfährt. Ein modernes Märchen über die Magie der Liebe.

Produktbeschreibung
Clara Dupont-Monod, 1973 in Paris geboren, studierte an der Sorbonne Literaturwissenschaft und arbeitet als Journalistin für "Marianne". "Eova Luciole", so der Orginaltitel des bei Grasset erschienen Werks, ist der erste Roman dieser hoffnungsvollen Neuentdeckung. Einfühlsam und voller Poesie erzählt Clara Dupont-Monod die Geschichte eines kleinen Mädchens, welches unschuldig, durch den Aberglauben seiner Umgebung in eine Außenseiterposition gerät, aber auch Hilfe und Schutz erfährt. Ein modernes Märchen über die Magie der Liebe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.1999

Flügel machen Elfen
Clara Dupont-Monod probt Stürze aus der Himmelshöhe

Der Titel gibt nur eine vage Auskunft: "Das Mädchen mit Flügeln". Handelt es sich um eine Fee, eine Elfe, einen Engel? Die Herkunft des Werkes aus dem romanischen Kulturkreis scheint das erste nahezulegen. Zwar ist die Feenmode in Frankreich seit dem achtzehnten Jahrhundert etwas abgeflaut, aber luftige Wesen haben hier immer noch ihre Heimstatt. Andererseits sind Feenflügel wirklich belegt nur bei Walt Disney. Und die Beschaffenheit der Flügel - weiß, spitz zulaufend und flaumig - spricht ohnehin für einen Engel, ebenso wie die dazugehörige Botschaft. Die Elfe scheidet aus charakterlichen Gründen aus.

Clara Dupont-Monod bereichert die dargestellte Welt um ein paar phantastische Gliedmaßen und greift dafür auf die europäische Märchentradition und den magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur zurück. Eines Tages sieht sich die schöne Witwe Theodora Lucile Palombio, die auf einer kleinen Insel vor der Küste Venezuelas ihre Tochter großzieht, dem Unglaublichen gegenüber. Ihre Tochter kratzt sich am Rücken, ist in der Schule unruhig und weckt in der Nacht ihre Mutter: "Theodora öffnete die Augen. Ganz nackt und bloß, wirkte ihre Tochter so schwach wie ein Schilfrohr: ihre Rippen traten unter der Haut hervor, die Handgelenke waren so dünn wie junge Bambussprossen . . . Sie bewegte die Finger, schaute verlegen drein. Im selben Augenblick gewahrte Theodora über Eovas Kopf zwei Flügel. Riesig, schimmernd weiß, bebten sie leicht bei jedem Atemzug des kleinen Mädchens." Flügel haben immer etwas Poetisches, wenn sie von ätherischen Wesen getragen werden und gut zur Figur passen. Literarisch interessant ist aber erst die Frage, wie mit dem Wunderbaren umgegangen wird. Für Eova sind ihre Flügel selbstverständlich. Die Mutter zweifelt an ihrem Verstand. Octavio, Dorfkrämer und Liebhaber der schönen Witwe, löst den Konflikt zwischen physikalisch Möglichem und biologisch Unmöglichem durch Flugstunden mit seiner kleinen Freundin. Die Kirche sieht sich in einem religiösen Dilemma: Da Eova im Fleische empfangen wurde, kann sie kein Engel sein. Das Spiel mit wissenschaftlicher und scholastischer Logik in Anbetracht des Wunderbaren ist nicht ohne Witz.

Gelernt hat Clara Dupont-Monod von den hispanoamerikanischen Dichtern, die wie Borges rational-realistische Beschreibung und magische Elemente eng miteinander verbinden und die spätestens seit dem Boom der phantastischen Literatur die Leser weltweit in ähnliche Zweifel an ihrer Weltwahrnehmung stürzen wie Eova Luciole die Dorfbewohner der kleinen Insel. Ratlos stehen sie dem sonderbaren Mädchen gegenüber. Als es zu einer Naturkatastrophe kommt, glauben sie an dämonische Kräfte, und Eova muß ihre Heimat verlassen. Auszug und spätere Wiederkehr entsprechen Märchenmustern, und diesen Eindruck verstärken formelhafte sprachliche Wendungen und Archaismen. Ansonsten weist die Sprache wenig Märchenhaftes und kaum Magie auf, und daran hat auch die Übersetzerin Anteil. Syntaktisch zu nahe am Französischen, baut sie im Deutschen unverständliche Sätze, formuliert unpassend, wenn fortwährend vom reizvollen "Hinterteil" der schönen Theodora die Rede ist, und falsch, wenn der verliebte Krämer gefragt wird: "Octavio, wie ist mit Ihnen?" Schuld an der Verwirrung des Krämers hat die Witwe, die der Grammatik hat die Autorin zu verantworten. Entsprechendes gilt für die Bildlichkeit der Autorin, ihre manchmal allzu kühnen sprachlichen Flugübungen: "Eova Luciole war ein Traum aus Baumwolle, eine über den Ozean schaukelnde weiße Hoffnung, ihr Haar hing wirr ins Gesicht, sie war zögerlich und anmutsvoll, und weder Octavio noch Theodora konnten den Blick von diesem Wunder lösen, dem herrlichen, unerwarteten Beweis dessen, was hinter den Dingen ist, ein weit dahinter, weit zurückliegendes, für alle Brisen, die uns durchwehen, offenes Fenster." Das alles schaukelt harmonisch, paßt aber nicht zusammen.

Aus einer Anstalt für verwilderte Jugendliche kehrt Eova nach langem Leid auf die Insel zurück. Unterwegs hat sie den Jungen Paco bezaubert, der ihr nicht nur sein Leben widmet, sondern auch zur Klärung der Flügelfrage beiträgt: "Für mich war einzig sie fähig, die Geheimnisse der Welt festzuhalten, die keiner hier auch nur wahrzunehmen vermochte." Also: Eova ist Mittlerin zwischen den Sphären, eines jener gefiederten Wesen, denen man auch im Luftraum der deutschen Literatur schon begegnet ist. Wie nannte Rilke, einer der intimsten Kenner dieser Kreise, jene Mittler, diese "Pollen der blühenden Gottheit"? - Engel.

SANDRA KERSCHBAUMER.

Clara Dupont-Monod: "Das Mädchen mit Flügeln". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Maria Dessauer. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999. 160 S., geb., 34,- DM.

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