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14 Kundenbewertungen

Die Welt hat Zähne. Und mit denen beißt sie zu, wann immer sie will. Diesmal trifft es die neunjährige Trisha. In einem Moment der Unachtsamkeit verirrt sie sich hoffnungslos im dichten Wald. Sie erlebt eine Odyssee voller Schrecken, von der ersten flatternden Unruhe im Bauch über die Stürze in der Wildnis bis hin zum Abstieg in eine Welt voller Halluzinationen. Dazu die nervenzersägenden Moskitos.

Produktbeschreibung
Die Welt hat Zähne. Und mit denen beißt sie zu, wann immer sie will. Diesmal trifft es die neunjährige Trisha. In einem Moment der Unachtsamkeit verirrt sie sich hoffnungslos im dichten Wald. Sie erlebt eine Odyssee voller Schrecken, von der ersten flatternden Unruhe im Bauch über die Stürze in der Wildnis bis hin zum Abstieg in eine Welt voller Halluzinationen. Dazu die nervenzersägenden Moskitos.
Autorenporträt
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2000

Liebe ist doch wärmer als der Tod
Stephen King sieht in seinem neuen Roman „Das Mädchen” den Wald vor lauter Bäumen
Obwohl schon seit Jahrhunderten vermessen, durchforstet, urbanisiert und domestiziert, ist der Wald noch immer die beste aller denkbaren Welten, um Verlassenheit, Einsamkeit, Angst und Schrecken Wirklichkeit werden zu lassen. Das zeigte jüngst das Kino mit dem „Blair Witch Project”, und es zeigt sich jetzt auch wieder in der Literatur. Alle Waldgeschichten schienen längst erzählt zu sein, Hexen und Werwölfe längst ausgespielt zu haben, Stephen King aber braucht in seinem neuen Roman Das Mädchen”, der aparterweise mit schwarzem wie mit weißem Umschlag zu haben ist, wenig mehr als einige Quadratkilometer Forst, und schon lauern alle Schrecken dieser Erde hinterm nächsten Baum.
Die neunjährige Patricia MacFarland, genannt Trisha, verirrt sich bei einem Ausflug mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in den Wäldern von Maine. Bis sie gefunden wird beziehungsweise selbst aus dem Wald herausfindet, dauert es etwa zwei Wochen. Der Roman erzählt von dieser Zeit im Wald, nicht mehr und nicht weniger. In erster Linie ist dieses Buch also ein Buch über die Einsamkeit. Die Lesestrecke, die wir dabei zurücklegen – 300 Seiten – ist für Kings Verhältnisse ziemlich kurz. Nun hat Einsamkeit, gerade in der englischsprachigen Literatur, die ja auch eine der Seefahrer ist, eine große Tradition – King kann da nicht weiterschreiben, er ist und bleibt ein Spezialist der Angst. Die heran kriechenden Schrecken beschreibt er souverän, für die Verlassenheit des Mädchens findet er dagegen keine vergleichbar schlüssige Dramaturgie.
Schon mit den ersten Sätzen entrollt King allerdings den doppelten Boden, auf dem all seine Monstrositäten wachsen. Trisha verirrt sich nicht zufällig, sondern weil sich ihre Mutter und ihr Bruder schon wieder streiten. Das ist einfach nicht auszuhalten! Tatsächlich ist Trisha von Anfang an einsam und verlassen. Alle Schrecken, die da kommen werden, sind von diesem Anfang an da, versteckt, aber nicht mehr zu vertreiben.
Trotzdem steckt der Clou des Buches nicht in dem versiert entfalteten Horrorszenario, in dem Ameisen noch längst nicht das Schlimmste sind. Kings genialer Schachzug besteht nicht darin, dass er eine Art Wespenmonster erfindet, das einerseits wie ein Bär aussehen kann, und das andererseits auch den immer heftiger werdenden Fieberphantasien das Mädchens geschuldet sein könnte, und damit noch genug Realitätsbezug hat, um auch für Wirklichkeits- und Vernunftsfanatiker durchgehen zu können – seine eigentliche Idee ist ein Walkman mit Radio.
Ein großer Wurf
Und das geht so: King scheint eine private Obsession für die Red Sox, das Bostoner Baseball-Team, in Trishas präpubertäre Liebe für deren (real existierenden) Werfer Tom Gordon umgemodelt zu haben. Dieser Gordon ist nicht nur Trishas Abgott, er wird auch zu ihrem wirklichen Schutzengel. Er steht ihr als einziger, vor Eltern und Bruder, wirklich zur Seite, jetzt wo es drauf ankommt. Sie hört die Spiele der Sox im Walkman, das reicht, um ihre Beziehung zu Gordon zu einer tragfähigen zu machen, das reicht, um ihr Schicksal letztlich positiv zu wenden. Trisha tritt den Schrecken der Einsamkeit so gegenüber wie Gordon dem Gegner und sie wird dadurch bestehen – auch wenn ihre Verbindung zu dem Werfer unglücklicherweise von der Lebensdauer ihrer Batterien abhängt. Nicht umsonst heißt das Buch im Original „The Girl Who Loved Tom Gordon”.
Was also braucht man, um im Wald überleben zu können? Etwas zu essen und trinken? Warme Kleidung und einen Regenschutz? Ein Messer und ein Feuerzeug? Insektenspray und Verband? Gute Nerven und eine Pfadfindergrundausbildung? – Nichts von alledem ist so wichtig, wie, sagen wir es ruhig abstrakt, ein geliebtes Objekt. „Das Mädchen” ist also nichts als eine neue Variation auf das alte „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein”. Möglicherweise gilt das Sprichwort ungebrochen: bis heute und für alle möglichen Welten.
Gern wird ebenfalls bis heute die als Geschichtenort ungebrochene Attraktivität des Waldes qua Negativum erklärt: Was sich in den Waldwelten abbilde, sei die Angst aus der geschlossenen, zivilisierten Welt herauszufallen. Der Rückfall in den einst noch selig machenden Naturzustand ist zur Horrorvision des Verlusts der vielen hilfreichen Sicherheiten und Handreichungen der Zivilisation geworden, derer wir uns eigentlich nicht mehr bewusst sind. Trishas Lektion lautet dagegen etwas anders: „Die Welt hatte Zähne und sie konnte zubeißen.  Sie war erst neun, aber sie wusste es und glaubte es akzeptieren zu können. ”
Vielleicht also sollte man nach der Lektüre von Stephen Kings neuem Roman (und vielleicht auch überhaupt) mit den Walderklärungen etwas weiter gehen: Der Wald ist die Chiffre für die Realität an sich, für jenen Ort, wo Erfahrungen jene Triftigkeit und Nachhaltigkeit bekommen, die in den virtuellen Welten, deren Geschichte ja nicht erst heute sondern eigentlich schon mit einem festen Wohnsitz begonnen hat, nicht möglich ist. Die schreckliche Welt, so einfach wäre das dann, ist auch die bessere, weil wahrere.
PETER MICHALZIK
STEPHEN KING: Das Mädchen. Roman. Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner. Schneekluth Verlag, München 2000. 304 Seiten, 38 Mark.
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