Produktdetails
- Verlag: Altberliner Verlag
- ISBN-13: 9783357007991
- ISBN-10: 3357007991
- Artikelnr.: 24006111
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.1995Im Schatten des Geisterbaums
Vier Variationen aus Afrika
Viele junge Leser sind neugierig auf das Leben Gleichaltriger in exotischen fremden Ländern. Ihnen hat der Schweizer Verlag Nagel und Kimche mit seinen "Baobab"-Büchern gleich eine ganze Reihe gewidmet. (Baobab ist die afrikanische Bezeichnung für den gigantischen Affenbrotbaum mit seinen gurkengleichen Früchten, der in verschiedenen Varianten auch in Australien und in Vorderindien zu finden ist.)
Der neueste solche Exoten-Band handelt von "Lelee, dem Hirtenmädchen", einem hübschen, elf Regenzeiten jungen Fulbe-Kind in Niger, das seinen Vater noch nie gesehen hat und als Erstgeborenes von seiner Mutter traditionsgemäß schlecht behandelt wird. Lelees Leben ist hart und oft gefährlich, besonders wenn sie Butter, Milch und Käse durch den wilden Busch ins Dorf tragen muß, von Schlangen, Hyänen und Geiern bedroht. Fast nebenbei erfährt der Leser viel Wissenswertes über die strengen Regeln, nach denen das Leben der Nigernomaden seit Jahrhunderten geordnet ist. Unaufdringlich über den realen Zustand des sozialen Alltags belehren auch zwei neue Bücher aus Südafrika. Um die Frage der Rassenbeziehungen kommen naturgemäß alle beide nicht herum. "Das magische Fahrrad" ist ein modernes Märchen, das von der Sehnsucht eines kleinen Zulu-Jungen nach einem eigenen Fahrzeug erzählt, die auf wundersame Weise in Erfüllung geht. Eine geheimnisvolle greise Frau mit einer runzligen Haut von der Farbe gebrannten Kaffees weist ihm den Weg zum Geisterbaum, in dem sich das chromblitzende Wunder verbirgt. Doch wer wird dem kleinen Schwarzen glauben, daß er es nicht gestohlen hat?
"Ein Auge für Farben" ist eine Sammlung von Geschichten, die erst gemeinsam ein Bild ergeben vom Leben eines jugendlichen Juden zwischen Buren, Engländern und Farbigen am Kap. In ihrem durchweg konventionellen Aufbau lesen sie sich freilich wie Schulaufsätze und reichen an Silvers erfolgreichen Roman "Keine Tiger in Afrika" nicht heran.
Auch das "Lied der Erinnerung" ("Song of Be"), das in Namibia während der ersten Wahlen spielt, ist nach europäischem Muster aufgebaut. Die Rahmenhandlung - ein Selbstmordversuch im Schatten einer Akazie - ist nicht nur sentimental erzählt, sie ist vor allem überflüssig, denn was Lesley Beake über das Schicksal der Buschmänner in einer ihnen feindlichen Welt berichtet, der sie sich irgendwie anpassen müssen, ist aufregend und entspricht der Wirklichkeit. Ein Zugeständnis an europäische Leser ist wohl auch hier das "happy end", das der Wahrheit nicht gerecht werden kann. Denn in Afrika weiß nun einmal jedes Kind, daß das Ende einer guten Geschichte längst der Anfang einer neuen ist.
DOROTHEA RAZUMOVSKY.
Abdoua Kanta: "Lelee, das Hirtenmädchen". A. d. Franz. v. Annelies Burckhardt und Anna Katharina Ulrich, Nagel & Kimche, Zürich 1994. 124 S., geb., 22,- DM. Ab 12 J.
Elana Bregin: "Das magische Fahrrad". A. d. Engl. v. Katrin Schulz, Ill. v. Helmut Ball, Altberliner Verlag, Berlin/München 1994. 141 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.
Norman Silver: "Ein Auge für Farben". A. d. Engl. v. Susanne Koppe. Beltz & Gelberg, Weinheim 1993. 173 S., ge., 22,- DM. Ab 14 J.
Lesley Beake: "Lied der Erinnerung". A. d. Engl. v. Christoph Plate, Erika Kloppe Verlag, München 1994. 132 S., geb., 22,80 DM. Ab 12J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vier Variationen aus Afrika
Viele junge Leser sind neugierig auf das Leben Gleichaltriger in exotischen fremden Ländern. Ihnen hat der Schweizer Verlag Nagel und Kimche mit seinen "Baobab"-Büchern gleich eine ganze Reihe gewidmet. (Baobab ist die afrikanische Bezeichnung für den gigantischen Affenbrotbaum mit seinen gurkengleichen Früchten, der in verschiedenen Varianten auch in Australien und in Vorderindien zu finden ist.)
Der neueste solche Exoten-Band handelt von "Lelee, dem Hirtenmädchen", einem hübschen, elf Regenzeiten jungen Fulbe-Kind in Niger, das seinen Vater noch nie gesehen hat und als Erstgeborenes von seiner Mutter traditionsgemäß schlecht behandelt wird. Lelees Leben ist hart und oft gefährlich, besonders wenn sie Butter, Milch und Käse durch den wilden Busch ins Dorf tragen muß, von Schlangen, Hyänen und Geiern bedroht. Fast nebenbei erfährt der Leser viel Wissenswertes über die strengen Regeln, nach denen das Leben der Nigernomaden seit Jahrhunderten geordnet ist. Unaufdringlich über den realen Zustand des sozialen Alltags belehren auch zwei neue Bücher aus Südafrika. Um die Frage der Rassenbeziehungen kommen naturgemäß alle beide nicht herum. "Das magische Fahrrad" ist ein modernes Märchen, das von der Sehnsucht eines kleinen Zulu-Jungen nach einem eigenen Fahrzeug erzählt, die auf wundersame Weise in Erfüllung geht. Eine geheimnisvolle greise Frau mit einer runzligen Haut von der Farbe gebrannten Kaffees weist ihm den Weg zum Geisterbaum, in dem sich das chromblitzende Wunder verbirgt. Doch wer wird dem kleinen Schwarzen glauben, daß er es nicht gestohlen hat?
"Ein Auge für Farben" ist eine Sammlung von Geschichten, die erst gemeinsam ein Bild ergeben vom Leben eines jugendlichen Juden zwischen Buren, Engländern und Farbigen am Kap. In ihrem durchweg konventionellen Aufbau lesen sie sich freilich wie Schulaufsätze und reichen an Silvers erfolgreichen Roman "Keine Tiger in Afrika" nicht heran.
Auch das "Lied der Erinnerung" ("Song of Be"), das in Namibia während der ersten Wahlen spielt, ist nach europäischem Muster aufgebaut. Die Rahmenhandlung - ein Selbstmordversuch im Schatten einer Akazie - ist nicht nur sentimental erzählt, sie ist vor allem überflüssig, denn was Lesley Beake über das Schicksal der Buschmänner in einer ihnen feindlichen Welt berichtet, der sie sich irgendwie anpassen müssen, ist aufregend und entspricht der Wirklichkeit. Ein Zugeständnis an europäische Leser ist wohl auch hier das "happy end", das der Wahrheit nicht gerecht werden kann. Denn in Afrika weiß nun einmal jedes Kind, daß das Ende einer guten Geschichte längst der Anfang einer neuen ist.
DOROTHEA RAZUMOVSKY.
Abdoua Kanta: "Lelee, das Hirtenmädchen". A. d. Franz. v. Annelies Burckhardt und Anna Katharina Ulrich, Nagel & Kimche, Zürich 1994. 124 S., geb., 22,- DM. Ab 12 J.
Elana Bregin: "Das magische Fahrrad". A. d. Engl. v. Katrin Schulz, Ill. v. Helmut Ball, Altberliner Verlag, Berlin/München 1994. 141 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.
Norman Silver: "Ein Auge für Farben". A. d. Engl. v. Susanne Koppe. Beltz & Gelberg, Weinheim 1993. 173 S., ge., 22,- DM. Ab 14 J.
Lesley Beake: "Lied der Erinnerung". A. d. Engl. v. Christoph Plate, Erika Kloppe Verlag, München 1994. 132 S., geb., 22,80 DM. Ab 12J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main