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Das Puppenspiel vom »Doktor Faust« von Georg Geißelbrecht: das älteste vollständig aufgeschriebene Faust-Spiel in deutscher Sprache.Vor dem Siegeszug von Kino und Fernsehen hat kein anderes Medium so viele Menschen erreicht wie das Marionettentheater. Im 18. Jahrhundert wanderten mehr als hundert Puppenbühnen im deutschsprachigen Raum von Stadt zu Stadt und von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Neben der Unterhaltung vermittelten sie literarische, mythologische und historische Stoffe an ein nicht lesekundiges Publikum.Zwischen 1790 und 1826 bereiste Georg Geißelbrecht mit seinem Marionettentheater fast…mehr

Produktbeschreibung
Das Puppenspiel vom »Doktor Faust« von Georg Geißelbrecht: das älteste vollständig aufgeschriebene Faust-Spiel in deutscher Sprache.Vor dem Siegeszug von Kino und Fernsehen hat kein anderes Medium so viele Menschen erreicht wie das Marionettentheater. Im 18. Jahrhundert wanderten mehr als hundert Puppenbühnen im deutschsprachigen Raum von Stadt zu Stadt und von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Neben der Unterhaltung vermittelten sie literarische, mythologische und historische Stoffe an ein nicht lesekundiges Publikum.Zwischen 1790 und 1826 bereiste Georg Geißelbrecht mit seinem Marionettentheater fast den gesamten deutschen Sprachraum. Das Puppenspiel vom »Doktor Faust« bildete dabei sein Zugstück; es ist das älteste vollständig aufgeschriebene Faust-Spiel in deutscher Sprache. Goethe, der gerne die Belustigungen der Jahrmärkte aufsuchte, sah 1804 in Weimar Geißelbrechts »Doktor Faust« und weitere Stücke.In diesem Band präsentiert Gerd Eversberg den Text und gibt Einblicke in die Welt desMarionettentheaters und der Wanderbühnen. Er beleuchtet zeitgeschichtliche Zusammenhänge, erörtert die Geschichte des Faust-Stoffes und geht auch auf Geißelbrechts problematische Rolle in der Geschichte des Antisemitismus ein.
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Autorenporträt
Gerd Eversberg, geb. 1947, ist Honorarprofessor am Seminar für Deutsche Philologie in Göttingen. Promoviert wurde er 1986 in Köln mit einer Arbeit über die dramatische Gestaltung der Faustsage von Marlowes »Doctor Faustus« bis zum Puppenspiel. Von 1989 bis 2011 war er Sekretär der Theodor-Storm-Gesellschaft und Direktor des Theodor-Storm-Zentrums in Husum. Neben Arbeiten zur Fach- und Museumsdidaktik hat er zahlreiche Studien zu Theodor Storm und Editionen seiner Werke vorgelegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2013

Doktor Faust als Marionettenspiel
Wer aus Weimar ist, den holt der Teufel nicht

Die Faszination durch das Puppenspiel in den ersten Kapiteln des "Wilhelm Meister" wirkt wie eine Initialzündung für den gesamten Theaterroman. Als Wilhelm in der Speisekammer die Puppen entdeckt, die zuvor auf einer Kleinbühne zwischen zwei Türpfosten für eine überwältigende Illusion sorgten, wird er von einer "überirdischen Empfindung" erfüllt. In dem Kasten findet sich schließlich noch "ein geschriebenes Büchelchen, worin die Komödie von David und Goliath aufgezeichnet war".

Solche Szenare für Marionettenaufführungen sind außerordentlich selten, denn das in aller Regel mündlich oder durch Anschauung überlieferte Spiel wurde meist aus dem Gedächtnis extemporiert. Außerdem vermied man schriftliche Dokumente, um der Konkurrenz keine Kopien in die Hände zu spielen.

Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar beherbergt jedoch eine ungewöhnlich geschlossene Kollektion von 144 solcher Manuskripte. Den Kernbestand dieser Sammlung "Volkstheater" bilden rund 50 Texthefte, die Georg Geißelbrecht (1762 bis 1826), der erfolgreichste Marionettenspieler der Goethezeit, zwischen 1790 und 1826 seinen Aufführungen im gesamten deutschen Sprachraum zugrunde legte. Dazu gehören eine "Alzeste", ein "Bajazzo", ein "Don Juan", ein "Schinderhannes", ein "Ulysses" ebenso wie "Hanßel und Gretel" oder "Faust". Die Erhaltung dieser Szenare ist wesentlich Johann Daniel Falk, Weimars "deutschem Rabelais" (so Wieland), zu verdanken, der Geißelbrecht immer wieder zur schriftlichen Fixierung der Stücke ermunterte und dessen eigene "Prinzessin mit dem Schweinerüssel" ebenfalls Aufnahme in dieses Repertoire fand.

Gerd Eversberg macht jetzt den "Doktor Faust" als das erfolgreichste Puppenspiel Geißelbrechts in einer vorbildlichen Edition wieder zugänglich (Das Marionettenspiel vom Doktor Faust. Georg Geißelbrecht und seine Faust-Version um 1800, Wallstein Verlag, Göttingen 2012). Ausführlich entwickelt er die Tradition der Marionettentheater und Schattenspiele (Ombres Chinoises) seit dem sechzehnten Jahrhundert als wirksamste Unterhaltungsmedien vor dem Aufkommen des Kinos. Das Wissen darüber wäre eine wichtige Voraussetzung, um etwa Kleists "Marionettentheater", die Puppenspiele in Klingemanns "Nachtwachen von Bonaventura" oder in Storms Novelle "Pole Poppenspäler" sachkundiger als in der gängigen Forschung beurteilen zu können.

Vor allem aber für die Faust-Philologie stellt diese 1805 entstandene und von Eversberg vorzüglich erschlossene Quelle einen wichtigen Fund dar. An der Verbreitung des populären Faust-Stoffes hatten Marionettenaufführungen, die sich seit dem frühen siebzehnten Jahrhundert nachweisen lassen, jedenfalls einen größeren Anteil als Volksbücher. Auch Goethe erinnert sich in "Dichtung und Wahrheit", wie die "bedeutende Puppenspielfabel Faust" schon früh in ihm "klang und summte" - in Frankfurt am Main sind solche Aufführungen für 1756/57 dokumentiert sowie für Goethes Straßburger Zeit um 1770.

Auf dem Marionettentheater spielt der Hanswurst oder Kasperl die Hauptrolle. Er parodiert Fausts Pakt und Beschwörungen, foppt den Teufel und befördert Fausts Höllenfahrt. So verhält es sich auch mit Geißelbrechts "Faust", dort wird Hanswurst/Casper zum eigentlichen Gegenspieler von Faust und Mephistopheles. Er verspottet Faust als "Brodfressor zu Wittenberg", spielt mit der Aussparung und gestischen Andeutung von Namen, unterhält mit seinen groben Späßen und "Experimenten" (sein Feuer "ohne Rauch und Dampf" kracht und stinkt), zaubert Furien mit den Formeln "Perlokko" und "Perlike" herbei und wieder weg und beruhigt am Ende das Publikum: "Ich gratuliere, ich gratuliere, wer von Weimar ist den holt der Teufel nicht." Der enzyklopädische Satiriker Karl Julius Weber vermutet 1840 in seinem Essay "Die Marionetten" ganz zu Recht, dass in dieser Schlusswendung der Name des jeweiligen Spielortes eingesetzt wurde. So antwortete der Hanswurst laut Weber auf des Teufels Frage nach seiner Herkunft in Rastatt: "Ich, ich bin ein Rastätter. Meine Herren, Sie sehen, der Teufel hat Respekt vor den Rastättern."

ALEXANDER KOSENINA

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