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Die wenigen Stunden, die der Familienvater sich verspätet, und während derer die Frau und die beiden jugendlichen Kinder wartend am Abendessenstisch sitzen, genügen, um aus der sorgfältig ausbalancierten Kleinfamilie einen Haufen zersprengter Einzelteile zu machen. Die drei sitzen vor einem Berg Muscheln, die sich eklig schmatzend öffnen und die eigentlich niemand außer dem Vater gerne isst, und sie beginnen in dieser unerwarteten Auszeit miteinander zu sprechen. Es entsteht so plötzlich wie überraschend ein Riß in der familiären Scheinidylle. Der Vater wird besichtigt und es bleibt nicht…mehr

Produktbeschreibung
Die wenigen Stunden, die der Familienvater sich verspätet, und während derer die Frau und die beiden jugendlichen Kinder wartend am Abendessenstisch sitzen, genügen, um aus der sorgfältig ausbalancierten Kleinfamilie einen Haufen zersprengter Einzelteile zu machen. Die drei sitzen vor einem Berg Muscheln, die sich eklig schmatzend öffnen und die eigentlich niemand außer dem Vater gerne isst, und sie beginnen in dieser unerwarteten Auszeit miteinander zu sprechen.
Es entsteht so plötzlich wie überraschend ein Riß in der familiären Scheinidylle. Der Vater wird besichtigt und es bleibt nicht besonders viel übrig von diesem Mann und seiner fragwürdigen väterlichen Autorität.
Birgit Vanderbeke läßt das Labor Familie in die Luft fliegen, sie zieht den Stöpsel, und durch eine kleine Veränderung in der Versuchsanordnung kommen der repressive Mief und der kleinbürgerliche Ehrgeiz, aber auch die versteckte Liebe zutage.
Autorenporträt
Birgit Vanderbeke, geb. 1956 im brandenburgischen Dahme, lebt im Süden Frankreichs. 1997 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis, 1999 den Solothurner Literaturpreis für ihr erzählerisches Gesamtwerk sowie den Roswitha-Preis, 2002 wurde ihr der Hans-Fallada-Preis verliehen, 2007 erhielt sie die Brüder-Grimm-Professur an der Kasseler Universität.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021

Keine Ausflucht auf die Metaebene

"Jede Ähnlichkeit mit lebenden / oder toten Personen / ist zufällig und von der Autorin / nicht beabsichtigt." Ein Satz, wie er sonst auf Kinoleinwänden prangt, stand diesem schmalen Buch voran. Und wer da nicht schon ein ungutes Gefühl bekam, bekam es eine Seite später: "Es ist natürlich kein Zeichen gewesen, wie wir hinterher manchmal gesagt haben, es ist ein ungutes Omen gewesen."

Dass unsere Deutschlehrerin gerade Birgit Vanderbekes "Das Muschelessen" für unsere zehnte Klasse aussuchte, war, sagte ich mir hinterher, ein Zeichen gewesen. Die Erzählstimme war jung und weiblich wie wir; sie lebte in einer patriarchalen Welt, wie wir, Schülerinnen einer Klosterschule; sie in Ost-, wir in Westdeutschland. Ein Text, der brachial die Abgründe einer Familie freilegte und uns schonungslos vor Gedankengänge stellte, die viele vielleicht gar nicht betreten wollten (oder: sollten). Eine Lektüre, über die wir schwer mit Abstand sprechen konnten, weil jede von uns natürlich wusste: Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen waren vorhanden. Stilmittelanalysen wurden hier selbst zum Euphemismus, und Ausflüchte auf Metaebenen konnten nur den Kern treffen. Die vorangestellte Allusion hätte nicht perfekter sein können als für unsere Klasse.

Als das "Muschelessen" im Müll endete, wich das ungute einem befreienden Gefühl. Nicht (nur), weil die Lektüre endlich vorbei war, sondern weil sie uns antrug: Illusionen müssen nicht gewahrt werden.

Caroline Jebens

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Birgit Vanderbeke zeichnet in diesem literarischen Debüt, das ihr den Ingeborg-Bachmann-Preis eintrug, ihren maschinenhaft kalkulierenden ,Helden' mit eisiger Genauigkeit.« Der Spiegel