Harro Lucht hat von 1950 bis 1957 in der DDR gelebt, dann noch einmal von 1963 bis 1989; dazwischen und danach war er Bundesdeutscher. Er hatte also früh schon beide Deutschlands kennengelernt. In der DDR gehörte er zu den Unangepassten, den Freigeistern, den Ermöglichern.Als Jugendlicher fand Harro Lucht, dessen Vater ähnlich wie Erich Loest viele Jahre lang als marxistischer Dissident inhaftiert war, eine Heimat in der Jungen Gemeinde und studierte evangelische Theologie. Er setzte sich mit dem Lebenswerk Mahatma Gandhis und Martin Luther Kings sowie mit dem Bekenntniswiderstand evangelischer Christen im Nationalsozialismus auseinander und lernte von ihnen, dass christlicher Glaube nur lebendig ist, wenn er gesellschaftspolitische Konsequenzen nicht scheut, dabei wissend, dass dieser Weg nicht unbedingt Ehre und Anerkennung, sondern oft Leiden und Ablehnung mit sich bringt. Für viele, die ihn dort in den 1980er Jahren erlebten, war sein unkonventionelles Wirken als GreifswalderStudentenpfarrer eine mutmachende, ja prägende Erfahrung. »Seine« ESG bot Raum für Gespräche mit allen, die sich für eine freiere Gesellschaftsordnung einsetzten: mit Christen und Marxisten, mit Oppositionellen, Schriftstellern, Philosophen und Theaterleuten. Natürlich wurde er deshalb von der Staatssicherheit überwacht.Vor seiner Greifswalder Zeit war Harro Lucht Pfarrer in Cottbus, später in einer Gemeinde in Prenzlauer Berg. In seinen Erinnerungen berichtet er vom Schwanken zwischen Angst und Mut, von Zurückhaltung und Wagnis.