Kreatives Schreiben
Entsteht beim Erscheinen eines neuen Buches ein Hype wie der beim Roman «Das Nest» von Cynthia D’Aprix Sweeny, sollte der Leser gewarnt sein: Vorsicht, Bestseller! Die US-amerikanische Autorin war freiberufliche Werbetexterin und hat nach der Kinderphase ein spätes Studium in
Creative Writing absolviert. Ihren Debütroman, den sie bereits während dieser Studienzeit begonnen…mehrKreatives Schreiben
Entsteht beim Erscheinen eines neuen Buches ein Hype wie der beim Roman «Das Nest» von Cynthia D’Aprix Sweeny, sollte der Leser gewarnt sein: Vorsicht, Bestseller! Die US-amerikanische Autorin war freiberufliche Werbetexterin und hat nach der Kinderphase ein spätes Studium in Creative Writing absolviert. Ihren Debütroman, den sie bereits während dieser Studienzeit begonnen hat, wäre ihr vom zweitgrößten Verlag der Welt, HarperCollins in New York, geradezu aus den Händen gerissen worden, sie hätte einen Dollarvorschuss in Millionenhöhe bekommen, wird kolportiert. Ein Blitzstart also, der wahr gewordene American Dream, - hält denn das Buch, was der Hype verspricht?
Der inzwischen verstorbene Patriarch der New Yorker Familie Plumb hat vor vierundzwanzig Jahren für seine vier Kinder einiges Geld in einem Fonds angelegt. Ein üppiges finanzielles Polster, wie er damals sagte, an das sie frühestens zum vierzigsten Geburtstag von Melody, seiner jüngsten Tochter, herankämen, damit sie es nicht vorher schon verprassen können. Fortan nannten die Geschwister dieses Erbe unter sich immer nur «Das Nest». Dem Roman ist ein Prolog vorangestellt, der einen schlimmen Autounfall von Leo schildert, dem Playboy unter den vier Geschwistern, bei dem seine junge Beifahrerin einen Fuß verliert. Als nun die Auszahlung des Geldes ansteht, erfahren die Geschwister, dass der wohlhabende Leo nicht nur auf einen Schlag all sein eigenes Geld verloren hat durch den Unfall und seine ruinöse Scheidung, seine Mutter musste sogar den Fonds auflösen, damit er die immensen Schadenersatzansprüche erfüllen konnte, - «Das Nest» ist also leer.
Was folgt ist die abwechselnd in mehreren Handlungssträngen erzählte Geschichte der vier Geschwister, die alle in Geldnöten sind. Die deutlich über ihre Verhältnisse lebende Melody kann die immens hohen College-Gebühren für ihre zwei Töchter nicht aufbringen, die erfolglose Schriftstellerin Beatrice möchte endlich ein größeres Appartement haben, und der schwule Antiquitätenhändler Jack hat hinter dem Rücken seines «Ehemannes» ? das gemeinsame Sommerhaus verpfändet. Der finanziell total abgebrannte Leo stellt seinen Geschwistern bei einem eilig anberaumten Familientreffen in Aussicht, er würde sich schon etwas einfallen lassen, damit ihr Erbteil doch noch ausgezahlt werden kann. Die Gier nach dem Gelde führt die schmarotzenden Geschwister notgedrungen wieder enger zusammen, ohne dass dadurch familiäre Wärme entstehen würde, zu sehr träumt jeder von ihnen egoistisch davon, wie sich sein Leben auf Pump schlagartig ändern würde, könnte Leo frisches Geld auftreiben. Der Roman folgt unbeirrt der eingängigen Devise: «Geld macht nicht glücklich, aber es hilft ungemein».
Die Geschichte ist prall gefüllt mit jederzeit leicht nachvollziehbaren, geradlinig und ohne Schnörkel erzählten Geschehnissen, wobei der sprachliche Stil doch ziemlich bieder wirkt, ohne Esprit und kaum je witzig. All die glaubhaft beschriebenen Figuren agieren aber so munter, dass es dem Leser dieser verzwickten Geschwisterstory nicht langweilig wird. Und auch die Dialoge sind stimmig, der plausible Plot konzentriert sich weitgehend auf die schwierigen Charaktere der vier durchaus sympathisch erscheinenden Protagonisten, von deren Irrungen und Wirrungen im Wechsel so flott berichtet wird, oft in Form innerer Monologe. «Kreatives Schreiben will Anleitung zum Schreiben sein, ohne notwendigerweise anspruchsvolle Texte zu produzieren», heißt es bei Wikipedia, und genau diese Definition trifft hier auch voll zu. Dem mit offensichtlichem Kalkül auf Erfolg getrimmten Roman, an dessen Verfilmung schon eifrig gearbeitet wird, fehlt jedenfalls völlig ein wirklich authentischer Duktus, von inhärentem literarischem Genius ganz zu schweigen. Derart konstruierte Bücher, - so mein Albtraum, nachdem autonomes Autofahren ja schon Realität geworden ist -, werden künftig wohl Computer schreiben, mit intelligenten Algorithmen für das Creative Writing.