Er trat vor Kriemhild, doch er wagte nicht mehr, sie anzublicken. Die Königin aber sagte, wie es die Sitte gebot: "Seid mir willkommen, Herr Siegfried, guter, edler Ritter!" Da wurde Siegfried über und über rot, und er verneigte sich tief vor der Schönen.
Ritter und Jungfrauen, Liebe und Tod, Ehre und Intrigen, Freund- und Feindschaften, Feste und Kämpfe - das Nibelungenlied, um 1200 entstanden, gehört zu den Stoffen der Weltliteratur, die bis heute fortwirken.
So veröffentlichte auch Franz Fühmann 1971 seine Fassung des Heldenepos, erzählt von Siegfried, dem Drachentöter und Königssohn aus den Niederlanden, der sich aufmacht, Kriemhild zu freien, ein Mädchen, das war so auserlesen, daß man rings in den Landen kein schöneres an Wohlgestalt finden konnte, aber auch kein schöneres an Tugend und Edelsinn. Und er berichtet von Brünhild, die von Burgunds König Gunther durch eine List besiegt und zur Frau genommen wird, sowie über Hagen von Tronje, der Siegfried tötet und damit eine Kette unglückseliger Ereignisse heraufbeschwört.
. natürlich will ich das Original nicht ersetzen, ich will zu ihm hinführen, bekannte Fühmann. Folglich zeigt er, fern deutschtümelnder Interpretationen vergangener Zeiten, die Figuren in all' ihrer Widersprüchlichkeit, verweist auf Machtstrukturen und diesen zugrundeliegenden Verhaltensweisen, die schließlich in die vorhersehbare Katastrophe münden. Bis zum letzten Schwerthieb eine spannende Lektüre.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Ritter und Jungfrauen, Liebe und Tod, Ehre und Intrigen, Freund- und Feindschaften, Feste und Kämpfe - das Nibelungenlied, um 1200 entstanden, gehört zu den Stoffen der Weltliteratur, die bis heute fortwirken.
So veröffentlichte auch Franz Fühmann 1971 seine Fassung des Heldenepos, erzählt von Siegfried, dem Drachentöter und Königssohn aus den Niederlanden, der sich aufmacht, Kriemhild zu freien, ein Mädchen, das war so auserlesen, daß man rings in den Landen kein schöneres an Wohlgestalt finden konnte, aber auch kein schöneres an Tugend und Edelsinn. Und er berichtet von Brünhild, die von Burgunds König Gunther durch eine List besiegt und zur Frau genommen wird, sowie über Hagen von Tronje, der Siegfried tötet und damit eine Kette unglückseliger Ereignisse heraufbeschwört.
. natürlich will ich das Original nicht ersetzen, ich will zu ihm hinführen, bekannte Fühmann. Folglich zeigt er, fern deutschtümelnder Interpretationen vergangener Zeiten, die Figuren in all' ihrer Widersprüchlichkeit, verweist auf Machtstrukturen und diesen zugrundeliegenden Verhaltensweisen, die schließlich in die vorhersehbare Katastrophe münden. Bis zum letzten Schwerthieb eine spannende Lektüre.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2006Tödlicher Ernst
Kunst der Kontraste: Franz Fühmanns "Nibelungen"
Hagen und Kriemhild, Gunter und Brünhild, Etzel und Dietrich: Sie waren immer schon Vorgeschichte, aus "alten maeren" gezogen, verwittert also schon für den ersten Erzähler des Nibelungenlieds, der nicht ein mittleres menschliches Wesen darstellen wollte, sondern eine Art von Titanengeschlecht, das untergehen mußte, um den jetzigen Weltzustand möglich zu machen.
Kann man diese düstere Geschichte in eine Form bringen, die sie für heutige Kinder faßbar werden läßt? Die klar aufgebauten, meist in einem dominierenden Farbton gehaltenen Bilder von Dieter Wiesmüller gehören zu den Attraktivkräften der Neuausgabe, es wäre zu wünschen, daß es ihnen gelingt, die Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Aber gleich ein erster Warnhinweis: Die Bearbeitung von Franz Fühmann ist nicht den Erstlesern zugedacht, die mit der Nacherzählung der "Nibelungen" durch Willi Fährmann eher zu ihrem Recht kommen. Zweiter Warnhinweis: Die Stimmung dieser Geschichte ist der absolute, tödliche Ernst, von den ersten Seiten an, als Kriemhild ihrer Mutter einen Traum erzählt: Sie zähme einen "wilden und schönen Falken, da kämen mit einem Mal zwei Adler dahergeflogen und zerfleischten den schönen Falken, und sie hätte nie etwas Gräßlicheres gesehen".
Alle festliche Heiterkeit, aller Glanz der herrlichsten Schätze und Stoffe kann danach nur noch der Kontrast sein, der das Verhängnis erst recht sichtbar macht. In der gesamten Weltliteratur gibt es wohl kein Epos, das so aus einer einzigen Stimmung lebt - die Spannung besteht nur darin, dem Geschick beim Knotenbinden zusehen zu können, bis zum Ende in der brennenden Halle. Aber abgesehen von der nichtvorhandenen "Ob überhaupt"-Spannung gibt es etwas ungeheuer Reizvolles in dieser Geschichte, einen Faktor, den Fühmanns Bearbeitung gut herausstellt: Das sind die Reflexe, Kontraste und Andeutungen, aus denen sich die Kunst dieser Erzählung aufbaut. Wie der Zwist der Frauen das ritterliche Kampfspiel spiegelt, dem sie zuschauen. Wie ihr Streit dann den höchsten Punkt erreicht, als sie auf der Kirchentreppe stehen: vor dem Ort der Versöhnung. Wie Glockengeläut, Jagdhörner und fröhliches Frauenlachen erklingen, bevor es zur verhängnisvollen Jagd geht - und gleichzeitig stehen König Gunter und der schlimme Hagen beieinander, "Hagen redete, und König Gunter hörte ihm zu." Das muß man sich als Film vorstellen, um es als große Kunst zu erkennen. Und wie unmittelbar vor dem gräßlichen Mord an Siegfried eine heitere Bärenhatz stattfindet. Fühmanns Sprache hält sich im Lakonischen des Tons eng an das Epos, es gibt kaum Kompromisse mit einer wie auch immer vorgestellten Kinderbuchsprache. Nur in einem war er, als er 1971 diese Bearbeitung verfaßte, ganz auf der Höhe der Zeit: das Unheimliche, um nicht zu sagen Fantasyhafte wird an einigen wenigen Stellen unterstrichen, und in diese so ganz immanente Geschichte kommt der Anhauch einer anderen Welt, einer geisterhaften.
LORENZ JÄGER
"Das Nibelungenlied". Neu erzählt von Franz Fühmann. Mit Bildern von Dieter Wiesmüller. Dtv Reihe Hanser, München 2006. 234 S., 12,- [Euro]. Ab 13 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kunst der Kontraste: Franz Fühmanns "Nibelungen"
Hagen und Kriemhild, Gunter und Brünhild, Etzel und Dietrich: Sie waren immer schon Vorgeschichte, aus "alten maeren" gezogen, verwittert also schon für den ersten Erzähler des Nibelungenlieds, der nicht ein mittleres menschliches Wesen darstellen wollte, sondern eine Art von Titanengeschlecht, das untergehen mußte, um den jetzigen Weltzustand möglich zu machen.
Kann man diese düstere Geschichte in eine Form bringen, die sie für heutige Kinder faßbar werden läßt? Die klar aufgebauten, meist in einem dominierenden Farbton gehaltenen Bilder von Dieter Wiesmüller gehören zu den Attraktivkräften der Neuausgabe, es wäre zu wünschen, daß es ihnen gelingt, die Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Aber gleich ein erster Warnhinweis: Die Bearbeitung von Franz Fühmann ist nicht den Erstlesern zugedacht, die mit der Nacherzählung der "Nibelungen" durch Willi Fährmann eher zu ihrem Recht kommen. Zweiter Warnhinweis: Die Stimmung dieser Geschichte ist der absolute, tödliche Ernst, von den ersten Seiten an, als Kriemhild ihrer Mutter einen Traum erzählt: Sie zähme einen "wilden und schönen Falken, da kämen mit einem Mal zwei Adler dahergeflogen und zerfleischten den schönen Falken, und sie hätte nie etwas Gräßlicheres gesehen".
Alle festliche Heiterkeit, aller Glanz der herrlichsten Schätze und Stoffe kann danach nur noch der Kontrast sein, der das Verhängnis erst recht sichtbar macht. In der gesamten Weltliteratur gibt es wohl kein Epos, das so aus einer einzigen Stimmung lebt - die Spannung besteht nur darin, dem Geschick beim Knotenbinden zusehen zu können, bis zum Ende in der brennenden Halle. Aber abgesehen von der nichtvorhandenen "Ob überhaupt"-Spannung gibt es etwas ungeheuer Reizvolles in dieser Geschichte, einen Faktor, den Fühmanns Bearbeitung gut herausstellt: Das sind die Reflexe, Kontraste und Andeutungen, aus denen sich die Kunst dieser Erzählung aufbaut. Wie der Zwist der Frauen das ritterliche Kampfspiel spiegelt, dem sie zuschauen. Wie ihr Streit dann den höchsten Punkt erreicht, als sie auf der Kirchentreppe stehen: vor dem Ort der Versöhnung. Wie Glockengeläut, Jagdhörner und fröhliches Frauenlachen erklingen, bevor es zur verhängnisvollen Jagd geht - und gleichzeitig stehen König Gunter und der schlimme Hagen beieinander, "Hagen redete, und König Gunter hörte ihm zu." Das muß man sich als Film vorstellen, um es als große Kunst zu erkennen. Und wie unmittelbar vor dem gräßlichen Mord an Siegfried eine heitere Bärenhatz stattfindet. Fühmanns Sprache hält sich im Lakonischen des Tons eng an das Epos, es gibt kaum Kompromisse mit einer wie auch immer vorgestellten Kinderbuchsprache. Nur in einem war er, als er 1971 diese Bearbeitung verfaßte, ganz auf der Höhe der Zeit: das Unheimliche, um nicht zu sagen Fantasyhafte wird an einigen wenigen Stellen unterstrichen, und in diese so ganz immanente Geschichte kommt der Anhauch einer anderen Welt, einer geisterhaften.
LORENZ JÄGER
"Das Nibelungenlied". Neu erzählt von Franz Fühmann. Mit Bildern von Dieter Wiesmüller. Dtv Reihe Hanser, München 2006. 234 S., 12,- [Euro]. Ab 13 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In zweierlei Hinsicht möchte der Rezensent Lorenz Jäger vorab warnen: Zum einen sei diese Nibelungen-Bearbeitung von Franz Fühmann nicht für Erstleser der Sage gedacht und zum anderen stelle sich an keiner Stelle ein wie auch immer gearteter Kinderbuchton ein. Im Gegenteil - Fühmann halte sich an die erzählerische Lakonik des Orignials und übe sich in einer Art Monotonie: Durch und durch herrsche "der absolute, tödliche Ernst", der in seiner Monotonie allein dadurch spannend werde, dass der Leser "dem Geschick beim Knotenbinden zusehen" könne. Vor diesem Hintergrund gelinge es Fühmann vorzüglich, die durchkomponierte Struktur (Spiegelungen, Kontraste und Andeutungen) der Nibelungen-Sage deutlich herauszustellen. Und allein das wäre schon Grund genug, so das Fazit des Rezensenten, dieses Buch zu empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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