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David Berk ist Zeichner und lebt am liebsten allein. Er hat gerade ein Haus in den Dünen geerbt, ein verfallenes Paradies. Doch die Familie bricht in Gestalt seines Stiefbruders Cyrille samt Frau und Bilderbuchtochter über ihn herein. Mit diesem Besuch wird auf einmal die Vergangenheit wieder lebendig: seine Mutter Gezina, eine den Freuden des Lebens und der Liebe zugetane Frau, die auf Konventionen pfiff und unter rätselhaften Umständen starb. Wie kam es, daß Gezina Davids Vater, den stolzen Besitzer eines Kleinstadtkinos, verließ und in die großbürgerliche Familie Vervaecke einheiratete? War…mehr

Produktbeschreibung
David Berk ist Zeichner und lebt am liebsten allein. Er hat gerade ein Haus in den Dünen geerbt, ein verfallenes Paradies. Doch die Familie bricht in Gestalt seines Stiefbruders Cyrille samt Frau und Bilderbuchtochter über ihn herein. Mit diesem Besuch wird auf einmal die Vergangenheit wieder lebendig: seine Mutter Gezina, eine den Freuden des Lebens und der Liebe zugetane Frau, die auf Konventionen pfiff und unter rätselhaften Umständen starb. Wie kam es, daß Gezina Davids Vater, den stolzen Besitzer eines Kleinstadtkinos, verließ und in die großbürgerliche Familie Vervaecke einheiratete? War sie tatsächlich das gottlose, sexbesessene Flittchen, für das diese feine Verwandtschaft sie hielt? Wie kam es, dass sie von einem Tag auf den anderen demWahnsinn verfiel? Sie ist die heimliche Heldin dieses Familiendramas, in dem die Generationen mit ihren verschiedenen Lebensentwürfen aufeinanderprallen, dass die Fetzen fliegen.
Autorenporträt
Hanni Ehlers, geb. 1954 in Ostholstein, studierte Niederländisch, Englisch und Spanisch am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg und arbeitet als Übersetzerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.1999

Das angedrohte Paradies
Nelleke Noordervliet rät: Fang nie was mit Verwandtschaft an

Freunde kann man sich aussuchen, Verwandte nicht. So etwa könnte das Motto gelautet haben, dem die niederländische Autorin Nelleke Noordervliet ihren neuen - den dritten ins Deutsche übersetzten - Roman unterstellte. Da sie darin ihre Helden spärlich mit Freunden, aber reichlich mit Verwandten ausstattete, kam bei diesem Buchunternehmen ein hoffnungsmordendes Familiendesaster heraus. Nun wollen wir beileibe nicht behaupten, daß es in realen Familien netter zugeht, als Noordervliet es uns vormalt. Aber wenn wir nahezu vierhundert Seiten lang die Zeugen von Bösartigkeit abgeben müssen, dann möchten wir doch irgendwann auch die Einsichten kennenlernen, die uns das verschafft.

Es verschafft uns keine. Daß wir dennoch mit einigem Interesse und auch nicht ohne Spaß der Clangeschichte folgen dürfen, liegt an dem munteren Tonfall der Erzählerin, die aus den kleinen Gemeinheiten Witz zu keltern weiß. Sagen wir's so: Noordervliet bedient unsere Schadenfreude am Blattschuß auf andere und das Vergnügen am gehobenen Klatsch. Viel von ihrer Wirkung verdankt die deutsche Buchausgabe fraglos der Übersetzerin Hanni Ehlers, der wir angesichts ihres geschmeidigen Stils kleine Sprachdummheiten, wie sie heute leider im Schwange sind, nicht extra anrechnen wollen. Ungerügt lassen wir auch die Tatsache, daß sie katholische Frömmler das Vaterunser in Luther-Deutsch beten läßt; des Reformators Version klingt ohnehin eindrucksvoller als jeder andere Text.

Die Roman-Familie bewohnt das niederländisch-flämische Sprachgebiet von Hollands Nordseeküste bis nach Brüssel. Vertreten wird sie vorrangig von einem Mal- und Zeichenkünstler namens David Berk und dessen Mutter, Gezina geheißen, Püppchen genannt, was exakt sie auch ist. Gezina, Traumtänzerin der kleinbürgerlichen Art, ersehnt sich ein Wolkenglück weit über ihrem Alltag und meint es in einer neuen Liebe zu finden. Sie verläßt Davids Vater Wouter, heiratet den Brüsseler Kaufmannssohn Jef Vervaecke und schenkt ihm das Söhnchen Cyrille. Die Brüsseler Familie nun, angereichert durch entmutigend viele Nebenverwandte, gibt der Autorin Gelegenheit, mit der gewinnorientierten Bourgeoisie abzurechnen. Da ist keiner, aber auch wirklich keiner, den man gern haben kann, und wo die Geldgier nicht zum Abscheu ausreicht, malträtieren beichtfromme Tugendbolde des Lesers Magennerven. Mitgeteilt wird uns das alles vom heranwachsenden David, den die Mutter ins neue Leben mitnahm und der als mißachteter Stiefsohn die erfolgreichen Vervaeckes neidvoll verabscheut.

Davids Weltsicht ist, was immer geschehen mag, von Mutter Gezina okkupiert, dem bemitleidenswerten Opfer. So suggeriert es sich und uns jedenfalls der erzählende Sohn. Der Leser jedoch staunt bald über Püppchens Unreife selbst im Erwachsenenalter, über ihren Mangel an jeglicher Einsicht, ihre kindischen Unternehmungen, die unbedingt ins Unglück führen müssen, als ginge es gar nicht anders. Gezina gibt den sündigen Werbungen von Sippenvater Jean Vervaecke nach, muß dessen Kind abtreiben lassen, sucht Selbständigkeit und Unabhängigkeit in einem zweifelhaften Etablissement, in dem sie kaum mehr darstellen kann als eine Animierdame, verliert schließlich ihr bißchen Verstand und beendet das Leben in einer Psychoklinik. Hat sie sich dort umgebracht, wissentlich oder aus Zufall? War es ein Medikamentenunfall? Wurde sie etwa ermordet? Und wenn ja, von wem? Darüber grübelt Sohn David das ganze Buch hindurch und bläst, indem er Mutters Geschichte vornehmlich unter dem Mordaspekt betrachtet, ein dummes Ärgernis zur Gretchentragödie des zwanzigsten Jahrhunderts auf. Was lernen wir aus all dem Ungemach? Nichts, und der alles austratschende Besserwisser David lernt auch nichts. Seine Ehe scheitert wie die beiden Bindungen seiner Mutter. Seine Tochter Biene vermag er weder von ihren Drogen noch von ihrem Liebhaber zu befreien, der ihr Prügel und eine Schwangerschaft einträgt. Die fatalen Seitensprünge Mutter Gezinas vor Augen, begeht er gleichartige Fehltritte mit Jacobien, der Ehefrau seines Halbbruders Cyrille. Das einzige weibliche Wesen, das ihm imponiert, Cyrilles und Jacobiens braves Kind Nadine, ist für ihn weder als Ersatztochter noch als Liebste zu haben.

Such is life, möchte man seufzen. Platter Alltag bietet eben wenig für eine wahrhaft bestechende Romanfabel. Aber wenn das so ist, dann reicht der platte Alltag eben als literarischer Vorwurf nicht aus. Irgendwie muß es doch einen Sinn haben, wenn ein Buch uns stundenlang die Unzulänglichkeiten eines Verwandtenklüngels zumutet. Davids Beklemmung allein liefert solchen Sinn nicht, Gezinas Leidensgeschichte auch nicht. All das läßt uns weder über das Leben als solches noch gar über uns selber nachdenken, sondern allenfalls darüber, wo die Berks und die Vervaeckes den nächstwohnenden Familientherapeuten auftreiben könnten. SABINE BRANDT

Nelleke Noordervliet: "Das Paradies ist nicht weit". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999. 378 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"In diesem virtuos komponierten Roman erscheint die Hölle immer zum Greifen nah. Wie sich die lieben Verwandten genüßlich bis aufs Blut reizen, zeigt Nelleke Noordervliet in messerscharfen Porträts - ironisch, sarkastisch, mitleidlos." Brigitte

"Ihre ironisch gebrochene, sprachlich reizvolle Tragödie hat die Autorin mit originellen Einfällen verziert, ohne dabei das Kernthema aus den Augen zu verlieren: die Unausweichlichkeit familiärer Bande." Der Spiegel (Kultur-Spiegel)

"Raffiniert und unterhaltsam spielt [Nelleke Noordervliet] mit unterschiedlichen Perspektiven und Zeitebenen und entwirft ein differenziertes Bild ihrer Helden. Glückserwartung und Resignation, Liebe und Verrat, Schuld und Verdrängung fügen sich zu einem Muster, das die Figuren scheinbar schicksalhaft der Wiederholung ausliefert." Mario Wirz in der 'Welt'

"Ein furioses und mitreißendes Familien-Epos ... zugleich frech und melancholisch, schamlos und traurig, zynisch und mitfühlend." Karsten Herrmann in der 'Osnabrücker Zeitung'
"Ein furioses und mitreißendes Familien-Epos." (Osnabrücker Zeitung)