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Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München war das erste repräsentative Bauprojekt der Nationalsozialisten in Deutschland. Nach Plänen von Paul Ludwig Troost entstand bis 1937 ein monumentales Forum der Bürokratie und des Kults. Der klassizistische Platz wurde zum Kultort für die in zwei »Ehrentempeln« beigesetzten »Märtyrer der Bewegung« und zur Kulisse für die Massenaufmärsche der NSDAP. Während im »Verwaltungsbau« unter der Leitung des Reichsschatzmeisters das Parteivermögen kontrolliert und die Kartei der über sieben Millionen Parteimitglieder geführt wurde, diente der…mehr

Produktbeschreibung
Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München war das erste repräsentative Bauprojekt der Nationalsozialisten in Deutschland. Nach Plänen von Paul Ludwig Troost entstand bis 1937 ein monumentales Forum der Bürokratie und des Kults. Der klassizistische Platz wurde zum Kultort für die in zwei »Ehrentempeln« beigesetzten »Märtyrer der Bewegung« und zur Kulisse für die Massenaufmärsche der NSDAP. Während im »Verwaltungsbau« unter der Leitung des Reichsschatzmeisters das Parteivermögen kontrolliert und die Kartei der über sieben Millionen Parteimitglieder geführt wurde, diente der »Führerbau« Adolf Hitler und seinem Stellvertreter als repräsentativer Amtssitz. 1945 richtete die amerikanische Militärregierung in den ehemaligen Parteibauten den Central Art Collecting Point ein. Von hier aus wurden Werke der nationalsozialistischen Beutekunst an die rechtmäßigen Eigentümer in ganz Europa restituiert. Seit 1947 hat das Zentralinstitut für Kunstgeschichte seinen Sitz im ehemaligen »Verwaltungsbau der NSDAP«.
Zahlreiche Abbildungen führen die Gebäude am Königsplatz vor Augen, in deren unmittelbarer Nähe in Kürze das NS-Dokumentationszentrum für München errichtet werden soll. Die Publikation fasst die Geschichte des Parteizentrums und die Nutzungen der Gebäude seit dem Anfang der 1930er Jahre bis heute zusammen.
Autorenporträt
Iris Lauterbach studierte Kunstgeschichte und Romanistik und promovierte im Jahr 1985. Seit 1991 arbeitet sie in der Forschungsabteilung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München und lehrt Geschichte der Gartenkunst an der Technischen Universität München. Zu ihren Hauptforschungsgebieten gehören das 18. Jahrhundert in Frankreich und die Geschichte der europäischen Gartenkunst vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2009

Bürokratie und Kult
Ein neues Buch beschreibt die Geschichte des NS-Parteizentrums am Königsplatz bis zur Gegenwart
Mitten in der Stadt, dicht am Königsplatz, scheint der Krieg erst gestern geendet zu haben. Einschusslöcher, die tiefe Narben hinterlassen haben, bröckelndes Mauerwerk, marode Balustraden mit Anrecht auf einen Schwerstbeschädigtenausweis: An der Ostfassade des einstigen „Verwaltungsbaus” der NSDAP an der Meiserstaße hat sich seit 1945 so gut wie nichts getan. Wer filmgerechte Relikte aus den letzten Kampftagen des tausendjährigen Reichs sucht, müsste über diesen Anblick begeistert sein.
Während der kommunale Sanierungseifer inzwischen auch Gebäude wie das Polizeipräsidium an der Löwengrube erfasst hat, ist der NS-Bau in direkter Nachbarschaft zum künftigen NS-Dokumentationszentrum kein Thema. Erkundigt man sich bei Architekten oder Ämtern, erfährt man höchstens von der bemerkenswert soliden und widerstandsfähigen Bausubstanz. Was ja – ungewollt – fast schon Adolf Hitlers pathetische Verheißung von 1937 bestätigen würde: „Deshalb sollen diese Bauwerke nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft.”
Heute beherbergt der langgestreckte Baukörper an der Meiser-/Ecke Brienner Straße verschiedene Kulturinstitute wie die Staatliche Graphische Sammlung, das Archäologische Institut, Verwaltungsräume der Ägyptischen Staatssammlung oder das Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke, das mit Gipsheroen – dicht an dicht – Lichthöfe und Gänge besetzt. Sie alle wurden nach und nach dort untergebracht. Nur das Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI), in Deutschland das einzige außeruniversitäre Forschungsinstitut im kunsthistorischen Bereich, arbeitet schon seit seinem Gründungsjahr 1946 in diesem Haus. International bestens vernetzt, spielt es eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Austausch, kämpft allerdings seit geraumer Zeit mit dem Problem, dass seine riesige Fachbibliothek aus allen Nähten platzt.
Im Lauf der Jahrzehnte hat es am Äußeren der NS-Architektur keine einschneidenden Sanierungen, aber kleine Veränderungen gegeben. So ähnelt die inzwischen von Weinlaub überrankte Westfassade im Herbst eher einem verwunschenen Tempel als einem Paradebau der NSDAP. Wer sich nicht kundig macht, übersieht möglicherweise, dass diese überwucherte Front exakt der kahlen des einstigen NS-„Führerbaus” an der Arcis-/Brienner Straße gleicht, wo heute die Hochschule für Musik und Theater untergebracht ist.
Von Anfang an hatte Hitlers Architekt Paul Ludwig Troost die beiden technisch perfekt ausgestatteten Häuser als Zwillingsbauten geplant, den „Führerbau” innen allerdings nobler gestaltet. Dort betonen Säulen und die Freitreppe in der Halle den repräsentativen Charakter des Hauses, während der hierarchisch weniger bedeutsame „Verwaltungsbau” im Lichthof nur Pfeiler und einen seitlich gelegenen zweiläufigen Aufstieg vorweisen kann.
1937 waren die Bauarbeiten abgeschlossen und kleine Nachlässigkeiten, wie der anfängliche Schwarzbau des Verwaltungstrakts, in Vergessenheit geraten. Das einstige Villenviertel in der Maxvorstadt hatte dem Parteizentrum der NSDAP weichen müssen. Ab 1935 flankierten zwei antikisch angehauchte „Ehrentempel” für die „Märtyrer der Bewegung” den „Verwaltungsbau” und den „Führerbau” am klassizistischen Königsplatz, der, neu mit 20 000 Granitplatten ausgelegt, als pompöses Aufmarschforum dienen sollte. Ein Fernheizwerk, ein Postbau und zahlreiche Dienststellen ergänzten das Karree.
Die beiden „Ehrentempel” überdauerten den Krieg, wurden 1947 auf amerikanische Order hin gesprengt und bestehen nur noch in Rudimenten, die ein unzugängliches Biotop überwuchert hat. Der „Verwaltungsbau” – der für die Amerikaner schon wegen der mehr als acht Millionen Namen umfassenden Mitgliederkartei der NSDAP interessant war –, und der „Führerbau” hatten die Bombardierungen überstanden. Beide Häuser wurden in „Central Collecting Points” umfunktioniert und dienten von 1945 an als Sammelstellen für ausgelagerte und widerrechtlich von Nazis beschlagnahmte Kunstwerke. Die Idee, ein Zentralinstitut für Kunstgeschichte zu gründen, entstand aus der Kooperation amerikanischer Offiziere und deutscher Kunsthistoriker bei dem aufwendigen Restitutionsunternehmen.
Zwei auf das Thema (NS-)Bürokratie und Kult spezialisierte Kunsthistorikerinnen am ZI, Ulrike Grammbitter und Iris Lauterbach, haben jetzt im Deutschen Kunstverlag einen kleinen, hochinformativen Band über „Das Parteizentrum der NSDAP” publiziert, der am heutigen Dienstag im Lichthof des ZIs vorgestellt wird – im ehemaligen „Verwaltungsbau” also.
Vielleicht wäre das ein Anlass, einmal neu zu diskutieren, wie mit Kriegsschäden und Verfallsspuren umgegangen werden kann. Sicher wünscht sich keiner ein hilfloses Flickwerk oder eine Glättung und Aufhübschung der pockennarbigen Ostfassade des „Verwaltungsbaus”. Geschichte begreift man am besten am konkreten Objekt. Zum Erhalt dieses Dokuments aus dunkler Zeit wäre jedoch eine konsequente Substanzsicherung des Gebäudes nötig.
(Buchvorstellung heute um 19.30 Uhr im nördlichen Innenhof des Zentralinstituts, Meiserstraße 10. Im Anschluss werden historische Propaganda- und Dokumentarfilme über das Parteiviertel gezeigt.) ANNETTE LETTAU
Hier wurde die Nazi-Diktatur verwaltet. Das große Bild zeigt den „Führerbau” kurz nach seiner Fertigstellung, rechts die Kriegsschäden am einstigen „Verwaltungsbau”. Fotos: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Robert Haas
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