»Den vorangegangenen Götzen haben wir gestürzt, und gekommen ist die Chimäre des Fanatismus.« Mit präziser Imagination und analytischer Skepsis blickt György Konrád, Dichter und Chronist, auf die Gegenwart. Im Licht der todbringenden Erlebnisse seiner Kindheit, der blutig gescheiterten ungarischen Revolution von 1956 und der bleiernen Zeit danach erscheinen auch der Umbruch von 1989 als Scheinsieg und die aufbrechenden Energien im rechten politischen Spektrum seines Landes als Menetekel einer sich wiederholenden Vergangenheit. Erneut scheint es keinen Fortschritt zu geben und bei der Teilung in Mächtige und Ohnmächtige bleiben zu müssen. Das Personal der Geschichte wechselt, aber hinter gewendeten Masken brodelt der Haß, machen sich die immergleichen alten Kräfte, Despoten und Helfershelfer, bemerkbar. Ein zeitdiagnostisches und ein Warnbuch also und doch auch ein Buch der Courage und der Glückserfahrung, voller Hoffnung, daß der Einzelne im Strom des »Unaufhörlichen« sich wird behaupten können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2012Einfluss nicht gesucht, Kontemplation im Angebot
Unvoreingenommenheit ist seine größte Tugend: Der ungarische Schriftsteller György Konrád gibt in seinem Essaytagebuch "Das Pendel" Auskunft über sich selbst.
Präsident des Internationalen PEN-Clubs, Präsident der West-Berliner Akademie der Künste, in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in Aachen mit dem Internationalen Karlspreis - wie bringt der ungarische Schriftsteller György Konrád solche Gravität der Ehrungen ins Gleichgewicht mit der lockeren und nirgendwo eitlen Selbstdarstellung in seinem Essaytagebuch "Das Pendel"?
Indem er sich zunächst als Beobachter, als Flaneur und "Stadtsoziologe" in Budapest, als Familienvater und zum dritten Mal verheirateter Ehemann präsentiert. Das alles mutet wie ein heiteres Capriccio an, bewegt sich aber in einem politisch unterminierten Gelände. Zu einem Angelpunkt dieses Essaytagebuchs werden Ereignisse und Folgen des niedergewalzten ungarischen Volksaufstandes von 1956. An ein böses historisches Datum denkt Konrád zurück, an den Einmarsch russischer Truppen schon einmal, im Sommer 1849, an die Erstickung der ungarischen Revolution von 1848/49. Er hätte auch Heinrich Heines Gedicht "Im Oktober 1849" zitieren können, das die Invasion der Russen geißelt und eine Freiheitsliebe der Ungarn preist, wie er sie im Deutschland von 1848/49 vergeblich suchte.
An dem Punkt, wo die Erzählung in die Tage der Kindheit im Haus des jüdischen Großkaufmanns zurückblendet, setzt sich zugleich ein autobiographischer Zug des Buches durch. Eine Parallelität zum ersten Teil der Autobiographie Elias Canettis, "Rustschuk 1905 - 1911", wird sichtbar. Auch Canettis frühe Kindheit wurde bestimmt vom Leben in einer Großhändlerfamilie. Handel war ein bevorzugter Berufszweig jüdischer Familien auf dem Balkan wie in Ungarn, ob im bulgarischen Rustschuk oder im ungarischen Debrecen.
Konrád lernte als Kind die ungarische und die deutsche Sprache gleichzeitig - eine der Voraussetzungen für seine enorme öffentliche Wirkung im deutschen Sprachbereich. Die Überschneidung von Elementen des Tagebuchs und der Autobiographie, der situationsbedingten Perspektive des Tagebuchs und der einer Rekonstruktion des Gewesenen, birgt ihre Nachteile und ihre Vorteile. In Konráds Tagebuch summieren sich lauter Feste der Sinneseindrücke. Aber der Preis des Authentischen ist die Wiederholung. Einander ähnliche Beobachtungen drosseln die Lektürespannung. Andererseits jedoch entsteht ein Mosaik aus Erfahrungsbericht, Reflexion und Lebensdokument. Und das literarische Gebilde als Ganzes wird durch die essayhaften Teile unter geistiger Hochspannung gehalten.
Konrád hat nach der Niederschlagung des Volksaufstands von 1956 Ungarn nicht verlassen wie fast zweihunderttausend andere Bürger des Landes. Aber er gehörte als Schriftsteller einer Opposition an, die durch die Behörden der Staatssicherheit überwacht wurde - Texte für den Druck im Westen konnte er nur über Mittelsmänner außer Landes schmuggeln. Auch als es ihm 1976 möglich geworden war, "über die Eisenbahnschienen aus dem östlichen Lager hinauszurollen", war sein Auslandsaufenthalt keine Entscheidung für die "Lebensform des Emigranten".
Mehrfach hat er eingestanden, "Dissident", aber "kein Kämpfer" gewesen zu sein. Bezeichnend dafür war sein Verhalten als Präsident der West-Berliner Akademie der Künste in einer Streitfrage. Wo Grass "Kampf" forderte, verweigerte er ihn. Parteiideologische Bindung mied er. Und nicht nur das. "Ich entglitt den Lehren und Religionen". "Politikern, Akademien, meinem jüngsten Kind mache ich keine Vorschläge. Will keinen Einfluss ausüben, verkaufe Kontemplation."
Seiner Unvoreingenommenheit verdankt sich die Unmittelbarkeit von Wahrnehmungen und Erfahrungen. Eines der vorzüglichsten Beispiele dafür ist die Beobachtung amerikanischer Lebensgewohnheiten, des "American Way of Life", während eines Gastsemesters als Professor für Vergleichende Literaturgeschichte in Colorado Springs. Er entdeckt die große Integrationskraft einer Spielart der angelsächsischen Kultur. Hier habe die "proTESTantische Ethik" ihre Überlegenheit behauptet. Selbst Juden und Katholiken seien hier im Geiste ProTESTanten: "Im erfolgreichsten Land der Erde musst auch du erfolgreich sein."
War der gescheiterte ungarische Volksaufstand von 1956 der eine Angelpunkt, so ist der Gegenpol, die gewaltfreie Revolution von 1989, der Zerfall des Ostblocks, die andere "organisatorische Mitte" des Buchs. Konrád, der wöchentlich zwischen Budapest und Berlin pendelte (auch so versteht sich der Titel des Bandes, "Das Pendel"), bewahrt sich den ungetrübten Blick von außen. Er sieht das West-Berlin vor der Wende als den "Freihafen unzensierter Kunst", als "internationale Bühne", und macht für das zu Deutschlands Hauptstadt gewordene Berlin vorsichtig eine Gegenrechnung auf: Es habe gegenüber dem Berlin als Insel im Ostblock offenbar etwas von seiner "kosmopolitischen" Weite verloren. Im Übrigen fühlt sich der Bürger eines Landes, das so lange dem Universalstaat der Habsburgermonarchie angehörte, nicht der preußischen Tradition nahe und bedauert den Umzug der Herrschermacht von der Donau an die Spree nach der Reichsgründung von 1871. Schon lange vor der umstrittenen Orbán-Regierung bedrängen Konrád die Warnzeichen der politischen Entwicklung im Heimatland.
Die konservativ-nationale "Wende", die der Ministerpräsident Antall vorantreibt, alarmiert ihn in doppelter Weise: Die nach 1989 errungenen demokratischen Freiheiten gehen verloren, und aus den Schlupflöchern wagt sich wieder der Antisemitismus hervor. Und nun vergisst Konrád sein Unbehagen am Stil der kämpferischen Einmischung und schreibt gegen eine antisemitische und "neofaschistische" Rhetorik an. Und einen weltbekannten Schriftsteller wie ihn überhört man nicht: Er wird vom ungarischen Staatspräsidenten Árpád Göncz (gleichfalls einem Schriftsteller) empfangen.
In die Jahre gekommen, in denen manche Menschen mit der Zeitungslektüre bei den Todesanzeigen anfangen, weicht sein Denken dem Unausweichlichen nicht aus, aber fast mit der Emotionslosigkeit des Technikers. Er sieht seinen eigenen Tod als "winzigen Stromausfall", der den Kreislauf nicht unterbricht: "Der Mensch wird aufgebraucht und ersetzt." Pardon und Einspruch, verehrter Herr Autor! Wir sehen im Augenblick keinen, der die Individualität eines György Konrád ersetzen könnte. Denn sein Buch dokumentiert eine unermüdliche Erkundung der Myriaden von Lebensäußerungen. Ob er den Menschen im Café, bei Spaziergängen oder auf dem Tennisplatz beobachtet, ob er in kindlicher Unbefangenheit der Storchenhochzeit auf dem Dach der Synagoge zuschaut, ob sein Blick den Mädchen in interessanten Blusen oder älteren Damen mit ihrem Pudel folgt, ob er sich, als er vorübergehend den Jugendschutz zu seinem Beruf gemacht hat, gegenüber den "rauhesten und widerspenstigsten Figuren" behaupten muss oder ob er den Tag der Antrittsparty in Colorado Springs und die Autofahrten mit dem "Oldsmobile" beschreibt, immer wird der Impressionismus der Wahrnehmungen ganz konkret. Ob in Budapest, Berlin, Wien, Prag, Paris oder London: immer bleibt Konrád "ein sich verwundernder Reisender" und nimmt alle Eindrücke auf in sein Gedächtnisarchiv. "In meinem Kopf treffen die Städte aufeinander." Manchmal verwirrend, aber immer faszinierend ist das Spiel der Facetten. Und unbegrenzt scheint der geistige Horizont in diesem Buch eines brillanten ungarischen, mehr noch: urbanen Schriftstellers.
WALTER HINCK
György Konrád: "Das Pendel." Essaytagebuch."
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 244 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unvoreingenommenheit ist seine größte Tugend: Der ungarische Schriftsteller György Konrád gibt in seinem Essaytagebuch "Das Pendel" Auskunft über sich selbst.
Präsident des Internationalen PEN-Clubs, Präsident der West-Berliner Akademie der Künste, in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in Aachen mit dem Internationalen Karlspreis - wie bringt der ungarische Schriftsteller György Konrád solche Gravität der Ehrungen ins Gleichgewicht mit der lockeren und nirgendwo eitlen Selbstdarstellung in seinem Essaytagebuch "Das Pendel"?
Indem er sich zunächst als Beobachter, als Flaneur und "Stadtsoziologe" in Budapest, als Familienvater und zum dritten Mal verheirateter Ehemann präsentiert. Das alles mutet wie ein heiteres Capriccio an, bewegt sich aber in einem politisch unterminierten Gelände. Zu einem Angelpunkt dieses Essaytagebuchs werden Ereignisse und Folgen des niedergewalzten ungarischen Volksaufstandes von 1956. An ein böses historisches Datum denkt Konrád zurück, an den Einmarsch russischer Truppen schon einmal, im Sommer 1849, an die Erstickung der ungarischen Revolution von 1848/49. Er hätte auch Heinrich Heines Gedicht "Im Oktober 1849" zitieren können, das die Invasion der Russen geißelt und eine Freiheitsliebe der Ungarn preist, wie er sie im Deutschland von 1848/49 vergeblich suchte.
An dem Punkt, wo die Erzählung in die Tage der Kindheit im Haus des jüdischen Großkaufmanns zurückblendet, setzt sich zugleich ein autobiographischer Zug des Buches durch. Eine Parallelität zum ersten Teil der Autobiographie Elias Canettis, "Rustschuk 1905 - 1911", wird sichtbar. Auch Canettis frühe Kindheit wurde bestimmt vom Leben in einer Großhändlerfamilie. Handel war ein bevorzugter Berufszweig jüdischer Familien auf dem Balkan wie in Ungarn, ob im bulgarischen Rustschuk oder im ungarischen Debrecen.
Konrád lernte als Kind die ungarische und die deutsche Sprache gleichzeitig - eine der Voraussetzungen für seine enorme öffentliche Wirkung im deutschen Sprachbereich. Die Überschneidung von Elementen des Tagebuchs und der Autobiographie, der situationsbedingten Perspektive des Tagebuchs und der einer Rekonstruktion des Gewesenen, birgt ihre Nachteile und ihre Vorteile. In Konráds Tagebuch summieren sich lauter Feste der Sinneseindrücke. Aber der Preis des Authentischen ist die Wiederholung. Einander ähnliche Beobachtungen drosseln die Lektürespannung. Andererseits jedoch entsteht ein Mosaik aus Erfahrungsbericht, Reflexion und Lebensdokument. Und das literarische Gebilde als Ganzes wird durch die essayhaften Teile unter geistiger Hochspannung gehalten.
Konrád hat nach der Niederschlagung des Volksaufstands von 1956 Ungarn nicht verlassen wie fast zweihunderttausend andere Bürger des Landes. Aber er gehörte als Schriftsteller einer Opposition an, die durch die Behörden der Staatssicherheit überwacht wurde - Texte für den Druck im Westen konnte er nur über Mittelsmänner außer Landes schmuggeln. Auch als es ihm 1976 möglich geworden war, "über die Eisenbahnschienen aus dem östlichen Lager hinauszurollen", war sein Auslandsaufenthalt keine Entscheidung für die "Lebensform des Emigranten".
Mehrfach hat er eingestanden, "Dissident", aber "kein Kämpfer" gewesen zu sein. Bezeichnend dafür war sein Verhalten als Präsident der West-Berliner Akademie der Künste in einer Streitfrage. Wo Grass "Kampf" forderte, verweigerte er ihn. Parteiideologische Bindung mied er. Und nicht nur das. "Ich entglitt den Lehren und Religionen". "Politikern, Akademien, meinem jüngsten Kind mache ich keine Vorschläge. Will keinen Einfluss ausüben, verkaufe Kontemplation."
Seiner Unvoreingenommenheit verdankt sich die Unmittelbarkeit von Wahrnehmungen und Erfahrungen. Eines der vorzüglichsten Beispiele dafür ist die Beobachtung amerikanischer Lebensgewohnheiten, des "American Way of Life", während eines Gastsemesters als Professor für Vergleichende Literaturgeschichte in Colorado Springs. Er entdeckt die große Integrationskraft einer Spielart der angelsächsischen Kultur. Hier habe die "proTESTantische Ethik" ihre Überlegenheit behauptet. Selbst Juden und Katholiken seien hier im Geiste ProTESTanten: "Im erfolgreichsten Land der Erde musst auch du erfolgreich sein."
War der gescheiterte ungarische Volksaufstand von 1956 der eine Angelpunkt, so ist der Gegenpol, die gewaltfreie Revolution von 1989, der Zerfall des Ostblocks, die andere "organisatorische Mitte" des Buchs. Konrád, der wöchentlich zwischen Budapest und Berlin pendelte (auch so versteht sich der Titel des Bandes, "Das Pendel"), bewahrt sich den ungetrübten Blick von außen. Er sieht das West-Berlin vor der Wende als den "Freihafen unzensierter Kunst", als "internationale Bühne", und macht für das zu Deutschlands Hauptstadt gewordene Berlin vorsichtig eine Gegenrechnung auf: Es habe gegenüber dem Berlin als Insel im Ostblock offenbar etwas von seiner "kosmopolitischen" Weite verloren. Im Übrigen fühlt sich der Bürger eines Landes, das so lange dem Universalstaat der Habsburgermonarchie angehörte, nicht der preußischen Tradition nahe und bedauert den Umzug der Herrschermacht von der Donau an die Spree nach der Reichsgründung von 1871. Schon lange vor der umstrittenen Orbán-Regierung bedrängen Konrád die Warnzeichen der politischen Entwicklung im Heimatland.
Die konservativ-nationale "Wende", die der Ministerpräsident Antall vorantreibt, alarmiert ihn in doppelter Weise: Die nach 1989 errungenen demokratischen Freiheiten gehen verloren, und aus den Schlupflöchern wagt sich wieder der Antisemitismus hervor. Und nun vergisst Konrád sein Unbehagen am Stil der kämpferischen Einmischung und schreibt gegen eine antisemitische und "neofaschistische" Rhetorik an. Und einen weltbekannten Schriftsteller wie ihn überhört man nicht: Er wird vom ungarischen Staatspräsidenten Árpád Göncz (gleichfalls einem Schriftsteller) empfangen.
In die Jahre gekommen, in denen manche Menschen mit der Zeitungslektüre bei den Todesanzeigen anfangen, weicht sein Denken dem Unausweichlichen nicht aus, aber fast mit der Emotionslosigkeit des Technikers. Er sieht seinen eigenen Tod als "winzigen Stromausfall", der den Kreislauf nicht unterbricht: "Der Mensch wird aufgebraucht und ersetzt." Pardon und Einspruch, verehrter Herr Autor! Wir sehen im Augenblick keinen, der die Individualität eines György Konrád ersetzen könnte. Denn sein Buch dokumentiert eine unermüdliche Erkundung der Myriaden von Lebensäußerungen. Ob er den Menschen im Café, bei Spaziergängen oder auf dem Tennisplatz beobachtet, ob er in kindlicher Unbefangenheit der Storchenhochzeit auf dem Dach der Synagoge zuschaut, ob sein Blick den Mädchen in interessanten Blusen oder älteren Damen mit ihrem Pudel folgt, ob er sich, als er vorübergehend den Jugendschutz zu seinem Beruf gemacht hat, gegenüber den "rauhesten und widerspenstigsten Figuren" behaupten muss oder ob er den Tag der Antrittsparty in Colorado Springs und die Autofahrten mit dem "Oldsmobile" beschreibt, immer wird der Impressionismus der Wahrnehmungen ganz konkret. Ob in Budapest, Berlin, Wien, Prag, Paris oder London: immer bleibt Konrád "ein sich verwundernder Reisender" und nimmt alle Eindrücke auf in sein Gedächtnisarchiv. "In meinem Kopf treffen die Städte aufeinander." Manchmal verwirrend, aber immer faszinierend ist das Spiel der Facetten. Und unbegrenzt scheint der geistige Horizont in diesem Buch eines brillanten ungarischen, mehr noch: urbanen Schriftstellers.
WALTER HINCK
György Konrád: "Das Pendel." Essaytagebuch."
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 244 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Walter Hinck kann sich bei der Fülle von Preisen und den Ämtern, die György Konrad innehatte und hat, nur wundern, dass der ungarische Autor sich dennoch eine solche "Unvoreingenommenheit" und Leichtigkeit bewahrt hat. Der nun auf Deutsch erscheinende Band "Das Pendel" ist eine Mischung aus Essayband, Tagebuch und Autobiografie, stellt der Rezensent fest. Zwar nicht ganz unproblematisch, letztlich aber ein äußerst authentisches Buch mit beachtlicher Reflexionshöhe, wie er anerkennend bemerkt. Ein Zentrum der Erinnerungen, Beobachtungen und Reflexionen bildet der gescheiterte Ungarn-Aufstand von 1956, ein anderer das Ende des Ostblocks 1989, und hier bewundert Hinck den unvoreingenommenen Blick "von außen", mit dem der zwischen Berlin und Budapest pendelnde Autor die Ereignisse zu betrachten vermag. Durchaus als "Dissident", aber nicht als "Kämpfer" sieht sich Konrad, der allerdings angesichts der "konservativ-nationalen Wende" in Ungarn nach der Wende unter Ministerpräsident Antall und der antisemitischen Rhetorik doch zum kämpferischen Schriftsteller wird, wie Hinck feststellt. Zugleich zeigt sich im Konrad hier nicht nur als ein glänzender ungarischer, sondern als "urbaner Schriftsteller" schlechthin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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