Berlin war und bleibt eine Metropole im Widerspruch. Zwischen Selbst- und Fremdbild klafft traditionsgemii. B ein Abgrund. Berlin, von au13en betrachtet, provozierte stets Abwehrhaltungen, denn peinlich akribisch entwickelte und pflegte eine konservativ getonte, bisweilen auch unter "linkem" Deckmantel auftretende Kulturkritik die Schreckbilder von der groBen Stadt im Osten. Wieder einmal- dank der iiberraschenden zeitgeschichtlichen Wende -befindet sich Berlin im Aufbruch. Eine neue Griinderzeit kiindigt sich an, die sofort die alten Ressentiments und Vorurteile revitalisiert. Das Neue Berlin an der Schwel Ie zurn 21. Jahrhundert kniipft im Positiven wie Negativen an seinen tradierten Mythos an. Ob es urn dieJ ahrhundertinvestition am Potsdamer Platz, das Gesicht der F riedrichstraBe oder die aktuelle Theatersituation geht -all iiberall griiBen die "roaring twenties" im Kostiim eines rUckwartsgewandten Postmodernismus. Po litische, wirtschaftliche und kulturelle Entscheidungstrliger beziehen ihre in die Zukunft weisenden Argumentationsfiguren und Assoziationen bevorzugt aus dieser Dekade. Die Metropole im Glanz einer internationalen Kultur dynami scher Modernitlit und widerspenstiger Vielfalt gibt ungebrochen die Folie ab, auf der das wiedervereinte Berlin seine Auferstehung aus den letzten Brachen und Ruinen der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte vollziehen soll: "Vergangene Zukunft"! Der Blick zuriick lohnt also gerade jetzt, denn zu schnell verblassen in der hektischen Betriebsamkeit des deutsch-deutschen Neubeginns die objektiven Umrisse und darnit auch die kleinmiitig-provinziellen Riickseiten oder bedroh lichen Schattenbilder dieser gut fiinfzig Jahre zwischen Reichsgriindung und Weltwirtschaftskrise, die den "Mythos Berlin" bis in unsere Tage am Leben hielten.
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