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Nach dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 und der gewaltsamen Auflösung des den Präsidenten bekämpfenden kommunistisch dominierten Volksdeputiertenkongresses durch Jelzin im Herbst 1993 bildete sich in Rußland auf der Grundlage einer neuen Verfassung ein demokratisch und marktwirtschaftlich orientiertes politisches System heraus, das trotz aller Schwierigkeiten und Probleme bis heute Bestand hat. Die Transformation ist in Rußland auf der föderalen Ebene durch die Annahme einer neuen Verfassung, die sich zu den Menschenrechten, zur Gewaltenteilung sowie zum Parteienpluralismus bekennt und die…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 und der gewaltsamen Auflösung des den Präsidenten bekämpfenden kommunistisch dominierten Volksdeputiertenkongresses durch Jelzin im Herbst 1993 bildete sich in Rußland auf der Grundlage einer neuen Verfassung ein demokratisch und marktwirtschaftlich orientiertes politisches System heraus, das trotz aller Schwierigkeiten und Probleme bis heute Bestand hat. Die Transformation ist in Rußland auf der föderalen Ebene durch die Annahme einer neuen Verfassung, die sich zu den Menschenrechten, zur Gewaltenteilung sowie zum Parteienpluralismus bekennt und die Etablierung der zentralen staatlichen Organe Präsident, Parlament (Staatsduma und Föderationsrat), Regierung sowie Judikative formal abgeschlossen. Auf der mittleren Ebene hat sich noch kein eigentliches Parteiensystem entwickelt. Das Verhältnis der Zentrale zu den Regionen ist weiterhin problematisch. Eine kommunale Selbstverwaltung wird langsam aufgebaut. Die Herausbildung einer neuen po litischen Klasse ist nahezu beendet.
Autorenporträt
Dr. Eberhard Schneider ist tätig am Deutschen Institut für internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist apl. Professor für Politikwissenschaft an der Universität-Gesamthochschule Siegen und akkreditiert als Korrespondent in Moskau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2000

Demokraten gesucht
Das politische System Russlands krankt an der Wirklichkeit
EBERHARD SCHNEIDER: Das politische System der Russischen Föderation. Westdeutscher Verlag, Opladen 1999. 330 Seiten, 36 Mark.
Ein Präsident, der die Regierungschefs nach Gusto feuert und neue aus dem Hut zaubert, ein Parlament, in dem sich Kriminelle tummeln, und Finanzbarone, die bei Bedarf einen Krieg anzetteln oder dem Präsidenten eine Wahlkampagne kaufen: Dass es in der Russischen Föderation so etwas gibt wie ein politisches System – daran lässt sich bisweilen zweifeln. Aber es gibt sie, diese Regeln, und Eberhard Schneider zeigt, dass das russische Staatswesen zumindest von seinem Bauplan her das Etikett Bananenrepublik nicht verdient. Denn verfassungstechnisch betrachtet, so Schneiders These, hätte das Land durchaus das Zeug zu einer rechtsstaatlichen Demokratie nach westlichem Vorbild.
Schneider, der am Kölner Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (Biost) forscht und an der Gesamthochschule Siegen lehrt, gibt mit seinem Buch eine Einführung in die politischen Institutionen Russlands, wie sie sich seit dem Untergang der Sowjetunion 1991 herausgebildet haben. Und er versucht, das Kräfteverhältnis zwischen den politischen Machtzentren zu veranschaulichen. Er geht dabei größtenteils klassisch vor: Stets begleitet von einer ausgiebigen Darstellung und Kommentierung der Verfassung erläutert er die konstitutionellen Grundwerte und dekliniert dann nach einander die wichtigsten politischen Einflussgrößen herunter, angefangen beim Präsidenten bis hin zur örtlichen Selbstverwaltung.
Der Politikwissenschaftler blickt dabei über den Tellerrand Russlands hinaus und arbeitet etwa am Vergleich mit dem französischen respektive amerikanischen System heraus, welch ungeheure Machtfülle der Kreml-Chef im Vergleich zu seinen westlichen Amtskollegen innehat. Dabei ließe sich darüber streiten, ob das konstitutionelle Übergewicht des Präsidenten wirklich der „Geburtsfehler” der 1991/92 von Boris Jelzin ausgearbeiteten Verfassung ist – wie Schneider es darstellt –, oder ob angesichts der langjährigen Parlamentsblockade durch die Kommunisten einerseits und Schirinowskis Liberaldemokraten andererseits die starke Exekutivmacht das Land vor größerem Chaos bewahrt hat.
Angesichts der westlichen Fixiertheit auf die Moskauer Zentralregierung ist es ein Verdienst des Autors, dass er in seiner Darstellung den russischen Regionen gebührenden Raum zukommen lässt. Vor allem am Beispiel Tatarstans zeigt Schneider, wie weit die Kompetenzen gehen, die manche der 89 Föderationssubjekte dem Zentralstaat abgerungen haben. Mit Brief und Siegel hat sich etwa die westrussische Republik garantieren lassen, dass sie in ausländischen Wirtschaftsorganisationen mitarbeiten, Steuern erheben und gar eine Nationalbank errichten darf – eigentlich alles klassische Attribute eines souveränen Staates.
Die Schlussfolgerungen aus seinen eigenen Erkenntnissen zieht Schneider jedoch nur selten. Zu sehr überwiegt der Blick des Staatsrechtlers, der die Zusammenhänge des politischen Lebens mit Paragrafen und Artikeln begreifen zu können glaubt. Zu wenig nimmt Schneider die Verfassungswirklichkeit unter die Lupe. Denn zu einer echten Demokratie gehören eben nicht nur wohlklingende Verfassungsgarantien für politische Parteien oder regelmäßige Wahlen. Unabdingbar ist eine nicht bloß formell garantierte Meinungsfreiheit, die sich auf freie und unabhängige Medien stützt. Dass es die in Russland im Überfluss gäbe, kann niemand ernstlich behaupten. Die Rolle der Medien jedoch beleuchtet Schneider so gut wie gar nicht. Kaum ein Wort auch von Interessengruppen, von der Wirtschaftsordnung oder vom Bildungswesen – dabei sind dies alles Faktoren, die für die Analyse des politischen Systems bedeutsam wären.
Parteien auf Abruf
Andererseits hat der Autor großen Aufwand getrieben, um Positionen, Aufbau und Geschichte der wichtigsten Parteien darzustellen. Dies tut er denn auch mit großer Kenntnis, aber: Viele Russland-Experten sind sich darüber einig, dass die Parteien in Russland – abgesehen von den Kommunisten – nicht als stabile Vereinigung zu sehen sind, sondern vielmehr nach Belieben gegründet, umbenannt und fusioniert werden. Die Tatsache, dass bei der Dumawahl im Dezember das vom Kreml aus dem Hut gezauberte Bündnis „Einheit” hervorragend abschnitt, das es wenige Monate vorher noch gar nicht gab, beweist dies.
Dem Buch ist schon deshalb eine zweite Auflage zu wünschen, damit die veralteten Daten aktualisiert und die zahlreichen Sprach- und einige gravierende inhaltliche Schnitzer korrigiert werden können. Davon abgesehen bietet es eine über weite Strecken lesbare Einführung in die Strukturen russischer Politik.
CHRISTIAN THIELE
Der Rezensent ist Journalist in Berlin
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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