15,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

3 Kundenbewertungen

Der Spiegel-Bestseller erstmals als Taschenbuch - mit einem neuen Vorwort von Götz Aly
Neben Denkmälern und Straßennamen zeugen zauberhafte Museumsobjekte von den einstigen Kolonien - doch wie sind sie zu uns gekommen und woher stammen sie? Götz Aly deckt auf, dass es sich in den allermeisten Fällen um koloniale Raubkunst handelt, und erzählt, wie brutal deutsche Händler, Abenteurer und Ethnologen in der Südsee auf Raubzug gingen. So auch auf der Insel Luf: Dort zerstörten sie Hütten und Boote und rotteten die Bewohner fast vollständig aus. 1902 rissen Hamburger Kaufleute das letzte, von…mehr

Produktbeschreibung
Der Spiegel-Bestseller erstmals als Taschenbuch - mit einem neuen Vorwort von Götz Aly

Neben Denkmälern und Straßennamen zeugen zauberhafte Museumsobjekte von den einstigen Kolonien - doch wie sind sie zu uns gekommen und woher stammen sie? Götz Aly deckt auf, dass es sich in den allermeisten Fällen um koloniale Raubkunst handelt, und erzählt, wie brutal deutsche Händler, Abenteurer und Ethnologen in der Südsee auf Raubzug gingen. So auch auf der Insel Luf: Dort zerstörten sie Hütten und Boote und rotteten die Bewohner fast vollständig aus. 1902 rissen Hamburger Kaufleute das letzte, von den Überlebenden kunstvoll geschaffene, hochseetüchtige Auslegerboot an sich. Heute ziert das weltweit einmalige Prachtstück das Entree des Berliner Humboldt Forums.
Götz Aly dokumentiert die Gewalt, Zerstörungswut und Gier, mit der deutsche »Strafexpeditionen« über die kulturellen Schätze herfielen. Das Publikum sollte und soll sie bestaunen - aber bis heute möglichst wenig vom Leid der ausgeraubten Völker erfahren. Ein wichtiger Beitrag zur Debatte über Raubkunst, Kolonialismus und Rassismus und zugleich ein erschütterndes Stück deutscher Geschichte.

»Was für ein Buch! Was für Erkenntnisse!« Bénédicte Savoy
Autorenporträt
Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die 'taz', die 'Berliner Zeitung' und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 'Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933' sowie 2013 'Die Belasteten. ¿Euthanasie¿ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte'. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust 'Europa gegen die Juden 1880-1945'. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018
Rezensionen
Das wichtigste Buch zur Eröffnung des Humboldt-Forums. Arno Widmann Frankfurter Rundschau 20210721
Rezensent Jörg Häntzschel liest bei Götz Aly nicht nur die Geschichte des berühmten Bootes von der Insel Luf nach, er erfährt auch von der Auslöschung eines ganzes Volkes. Zu Zehntausenden wurden die Bewohner der deutschen Kolonien in der Südsee auf Plantagen versklavt, bei Strafexpeditionen der Kriegsmarine wurden immer wieder ganze Inseln dem Erdboden gleichgemacht, die Bevölkerungen massakriert. Auch wenn Aly nicht exakt rekonstruieren können, wie das Boot in die Hände deutscher Kolonisten geriet, so geschah dies vor dem Hintergrund von Raub und Mord, betont der Rezensent. Für ihn erweitert Aly mit diesem "bestürzenden Buch" die Debatte um den Kunstraub um ein nächstes, furchtbares Kapitel. Nicht nur die Benin-Bronzen sollten restituiert werden, so der überzeugte Kritiker, sondern nach Meinung des Autors auch dieses prächtige Boot von der Insel Luf.

© Perlentaucher Medien GmbH
Das unmögliche Exponat

Das Humboldt-Forum ist stolz auf sein „Luf-Boot“. Götz Aly erzählt, wie es in der Südsee geraubt wurde

In der Nacht vom 28. Mai 2018 fuhr ein Schwertransport über den Potsdamer Platz. Auf der Ladefläche, verpackt in einer 20 Meter langen Kiste, ein einmaliges Wunderwerk der Menschheitsgeschichte: das reich verzierte Auslegerboot von der Insel Luf im heutigen Papua-Neuguinea. Generationen von Schulkindern haben es im Ethnologischen Museum in Dahlem bewundert. Nun war es auf dem Weg ins Humboldt-Forum, wo es ebenfalls eine der Hauptattraktionen sein wird. Mit 16 Metern ist das Boot so riesig, dass es nur durch ein frei gehaltenes Loch in der Fassade ins Stadtschloss passte. „Ahoi, liebes Luf-Boot!“, grüßte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) auf ihrem Blog.

Das Luf-Boot taugt so gut als Werbeträger für Deutschlands neues Parademuseum, weil es aus der Südsee stammt. Von den Kolonien in Afrika und vom Kunstraub dort hat man in den letzten Jahren viel gehört. Das „Schutzgebiet“ Deutsch-Neuguinea, das sich über 3000 Kilometer im Pazifik erstreckte, kam kaum vor. Dort, so der vage Eindruck, ging es menschlicher zu.

Um ganz sicherzugehen, wurde das Luf-Boot vor dem Umzug nicht nur „entwest“, also von Ungeziefer befreit, sondern auch moralisch gereinigt. SPK-Präsident Hermann Parzinger beteuerte, es sei „erworben“ worden, keine Raubkunst also. Die B.Z. dichtete: „Alles im Lot mit dem Boot“.

In seinem an diesem Montag erscheinenden Buch „Das Prachtboot“ entlarvt der Historiker Götz Aly nicht nur die Geschichte vom „Erwerb“ des Boots als unhaltbar. Er erzählt auch, wie die Deutschen die Bewohner der Hermitinseln im Bismarck-Archipel, deren größte die Insel Luf ist, töteten, vergewaltigten und zur Zwangsarbeit auf den Kokosplantagen verschleppten. Kein Wunder, dass das Boot so einzigartig ist. Die Deutschen haben das Boot gerettet, aber mit ihrem „indirekten Völkermord“ (Aly) die Kultur der Inselbewohner ausgelöscht.

Aly ist mit seiner Forschung zum Holocaust bekannt geworden. Dass er sich jetzt erstmals der Kolonialzeit zugewendet hat, ist nicht nur der Debatte der vergangenen Jahre geschuldet, sondern hat auch familiäre Gründe. Sein Urgroßonkel, Gottlob Johannes Aly, war als Militärpfarrer bei der deutschen Kriegsmarine und wirkte in den 1880er-Jahren an der Unterwerfung der Inseln im Bismarck-Archipel mit. Eine von ihnen heißt bis heute Aly.

Vor der Ankunft der Europäer führten die Bewohner der Inseln ein Leben, das man versucht ist, paradiesisch zu nennen. Meer und Vegetation boten ihnen Nahrung im Überfluss. Sie kannten keine Schrift, aber hatten eine hochentwickelte Kultur mit Festen, Tänzen, Ritualen, Kunst. Und sie bauten – ohne einen einzigen Nagel – riesige, üppig verzierte, hochseetaugliche Boote, mit denen sie enorme Distanzen zurücklegten. Das Luf-Boot fasste 50 Personen.

Diese Hochkultur der „Primitiven“ sprengte die Kategorien der frühen Ethnologen. Die Inselbewohner seien zu begreifen „als Kinder, die sie sind und immer bleiben werden“, attestierte ein Tropenarzt. Für den Forscher und späteren Museumsdirektor Felix von Luschan waren sie hingegen lebende Beweise, „dass es nirgends eine Grenze gibt, die sie (die ,Naturvölker‘) scharf und sicher von den ,Kulturvölkern‘ scheidet.“

Die deutschen Unternehmer sahen in den Inselbewohnern vor allem kostenlose Arbeitskräfte. Sie fingen sie ein, dann ließen sie sie auf den Plantagen Kopra produzieren, das getrocknete Kokosfleisch, aus dem Fett und Seife gemacht wurde. Die meisten der Zehntausenden Arbeitssklaven sahen ihre Heimatinseln nie wieder. Sie starben an Erschöpfung oder an den eingeschleppten Krankheiten.

Im deutschen Kolonialsystem besaßen Plantagenbesitzer und Händler Exekutivrechte wie sonst nur der Staat. Erlaubt waren „körperliche Züchtigung“ und „Einsperrung mit oder ohne Ankettung“. In Wahrheit, so Aly, machten die Deutschen mit den „Eingeborenen“ aber, was sie wollten. Und nicht nur das. Fühlten sie sich bedroht, kam die Kriegsmarine.

So auch 1882. Der Hamburger Unternehmer Eduard Hernsheim, einer der größten Player im Pazifik, hörte von einem angeblichen Überfall auf seine Handelsstation auf Luf. Untertänigst bat er Bismarck deshalb um „häufigeren Besuch“ deutscher Kriegsschiffe. Bismarcks Strafexpedition erreichte die Insel an Weihnachten. Obwohl die rund 400 Bewohner keine Gegenwehr leisteten, töteten die Soldaten etwa die Hälfte von ihnen und brannten alle Häuser und Schiffe nieder.

20 Jahre später besuchte der damalige Direktor von Hernsheim & Co, Max Thiel, die Insel. Die überlebenden Lufiten hatten ein neues Bootshaus und ein neues, großes Boot gebaut. Für Hernsheim war der Handel mit geplünderten „Kuriositäten“ von den Inseln ein wichtiger Geschäftszweig neben den Plantagen. Er wusste, dass Luschan, inzwischen Leiter der Ozeanien-Abteilung im Berliner Völkerkundemuseum, außer Schädeln nichts so liebte wie Schiffe. Er schaffte das Boot von der Insel und verkaufte es ihm für 6000 Mark.

Doch was bekamen dessen Erbauer? Hernsheim selbst erklärte nur, das Boot „ging in meine Hände über“. Belege gibt es weder für einen Kauf noch für einen Raub. Aly ist sich dennoch sicher, dass Thiel das Boot den Inselbewohnern „im Vollgefühl kolonisatorischer Allmacht“ „einfach weggenommen“ hat.

„Ist das Boot geraubt worden?“, fragte der Pressesprecher des Berliner Museums die Ozeanien-Kuratorin Dorothea Deterts in einem (inzwischen gelöschten) Blogeintrag auf der Website der SPK. „Über die genauen Umstände des Erwerbs hat Max Thiel nicht berichtet“, antwortet sie. Schon ist aus dem möglichen Raub wieder ein „Erwerb“ geworden. Dabei hat der Sammler Richard Parkinson in einem Brief an das Völkerkundemuseum schon 1904 geklagt, die Firma Hernsheim habe benachbarte Inseln „rattenkahl absammeln lassen; es ist ein ethnographischer Raubzug, wie ich ihn noch nicht gesehen habe“.

Ihre Behauptung, das Boot sei rechtmäßig „angekauft“ worden, stützt das Berliner Museum mit einer alten Legende: Die Insulaner hätten ohnehin keine Verwendung mehr für das Boot gehabt, „denn aufgrund des Bevölkerungsrückgangs konnten die verbliebenen Männer es nicht zu Wasser lassen“, so Parzinger. Auf Wikipedia ist sogar zu lesen, die Lufiten hätten sich „verpflichtet“, „keine Kinder mehr zu bekommen und auszusterben“. Die Geschichte geht, wie Aly belegt, auf den irischen Händler Jimmy Devlin zurück, der sie „beim Glase Bier und Gin“ dem Malariaforscher Otto Dempwolff aufgetischt hatte. Zurück in Berlin hielt Dempwolff Vorträge über diese „freiwillige Selbstvernichtung eines Volkes infolge bewussten Erlöschens ihres Lebensmuts“. Obwohl Devlin später zugab, Dempwolff „gehörig angelogen“ zu haben, obwohl der Ethnologe Augustin Krämer feststellte, „Rassenselbstmord liegt nicht vor“, war das Seemannsgarn zu Wissenschaft geadelt und wird bis heute kolportiert.

Bis vor wenigen Jahren fragte kaum jemand, woher die alten Sachen in den „Völkerkundemuseen“ stammten. Das änderte sich erst, als sich die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy die Vertuschungen und Lebenslügen dieser zu lange abgeschotteten Welt vornahm. Wenn mit Aly nun ein Historiker die Türen zu den Inventaren und Archiven aufstößt, ist der Effekt ebenso erschütternd. Erschüttert ist auch Aly selbst: über die Geschichte des Boots wie auch über die zweifelhafte Frühphase der Ethnologie. Die Museumsleute kauften im großen Stil bei skrupellosen Plünderern ein. Sie wirkten an den „Völkerschauen“ mit. Sie hatten teils Karrieren wie Franz Emil Hellwig, der sich als „Wildschweinjäger, Fabrikbesitzer, Hausierer, Uhrmacher“ versucht hatte, bevor er – aus der Südsee zurückgekehrt – Kurator im Hamburger Völkerkundemuseum wurde. Schon damals mokierten sich Wissenschaftler über den „methodisch unfertigen Zustand der Ethnologie“ und die „sinnlose Anhäufung von Gegenständen, besonders … aus unseren Kolonien“.

Und dann ist da noch die Vorarbeit, die Ethnologen und Anthropologen für die Rassenlehre leisteten: Überschwänglich dankte der Freiburger Anatom Eugen Fischer etwa für die „Liebenswürdigkeit“, dass ihm, gleich nach der Hinrichtung ihrer Besitzer, zwei „Papuaköpfe“ in „Formol“ geschickt wurden. Bernhard Meyer vom Ethnographischen Museum in Dresden bettelte um „Menschenschädel“ und „ganze Skelette“, auch „aus Gräbern“.

Das alles wissen die Museumsleute, sie sitzen ja bis heute auf den Schädeln, aber da sie außer Wissenschaftlern auch Kulturpolitiker und Wettbewerber um Publikum und Geld sind, tun sie alles, um ihrer Disziplin und ihren Häusern rückwirkend den Anstrich von Seriosität zu geben. Ausgerechnet die Digitalisierung, die die „Transparenz“ fördern soll, dient zur Weißwaschung der Inventare. Die meisten Museen stellen nur einen Teil der Informationen zu jedem Objekt online, viele Angaben sind verfälschend. Kommandanten von Kriegsschiffen laufen dort als „Sammler“, Kriegsschiffe werden nicht als solche klassifiziert, und Massaker mit vielen Toten wie das auf Luf gelten als „Expeditionen“.

Zuletzt wurde viel über Kunstraub, aber wenig über die viel größeren Kolonialverbrechen gesprochen. Aly zeigt, dass diese beiden Sphären nicht zu trennen sind. Und er weitet den Blick von Afrika auf den Pazifik und vom bloßen Diebstahl von Objekten auf die Auslöschung ganzer Völker und ihrer Kulturen. Mit seinem bestürzenden Buch beginnt eine neue Phase der Debatte.

Deutschland steht kurz davor, die Benin-Bronzen an Nigeria zu restituieren. Ohne das Rückgabeversprechen wäre das Humboldt-Forum vom ersten Tag an unglaubwürdig gewesen. Mit Alys Buch ist das „liebe Luf-Boot“ nun ein ebenso unmögliches Exponat geworden. Die Leute, die es nach Berlin brachten, sind verantwortlich für den Untergang eines Volks und seiner Kultur. Aly träumt schon vom nächsten Berliner Mauerfall, dem Fall der Mauer des Stadtschlosses. Er wäre nötig, um das dort eingemauerte Boot aus seiner Zelle zu holen.

JÖRG HÄNTZSCHEL

Die Vertuschungen und
Lebenslügen der Museumswelt
kommen ans Licht

Aly weitet den Blick von Afrika
auf die Südsee und vom Raub auf
die Auslöschung ganzer Kulturen

Das Luf-Boot vor der Handelsstation von Hernsheim & Co. auf Matupi, 1903. Wenig später wurde es nach Berlin transportiert.

Foto: Richard Parkinson/SMB

Götz Aly ist bekannt für seine Forschung zur NS-Zeit. Sein neues Interesse am Kolonialismus hat auch familiäre Gründe: Die Insel Aly im Pazifik ist nach seinem Urgroßonkel benannt. Foto: Imago

Verschleppte Zwangsarbeiter schälen unter Aufsicht eines Soldaten auf einer Plantage die Kopra aus Kokosnüssen.

Foto: Aus dem besprochenen Band

Götz Aly:
Das Prachtboot.
Wie Deutsche die
Kunstschätze der
Südsee raubten.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main
2021. 240 Seiten,
21 Euro.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

…mehr