In der Natur tobt ein Kampf ums Überleben, in der Evolution herrscht das Recht des Stärkeren. Zumindest, wenn man Darwins Theorie verkürzt. Frans de Waal, ein wichtiger Vertreter der Biologie und Verhaltensforschung, widerlegt diese These. Seine Beobachtungen an Hunden, Katzen und Schimpansen zeigen: Offenbar erkennen auch Tiere in ihrem Gegenüber eine verwandte Kreatur und zeigen Empathie und Solidarität. Auf den Menschen übertragen, heißt das: Kooperation gehört zu unserer Grundausstattung. Engagiert und anschaulich erklärt de Waal, warum Stärke allein nichts zählt und warum wir uns im richtigen Moment solidarisch verhalten sollten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2011Kooperationsnatur
Vermutlich haben Sie es auch schon gehört: "Gier ist out, Empathie ist in." Solche Slogans hat uns die zwei Jahre zurückliegende Finanzkrise beschert. Sachbuchautoren aller Art sind seitdem darum bemüht, fatale Egoismen zu brandmarken und im Gegenzug die fundamentale Bedeutung von Einfühlung, Altruismus und Kooperation vor Augen zu führen. Zu ihnen gehört auch der Primatenforscher Frans de Waal mit der nun erschienenen Übersetzung seines Buchs "Age of Empathy". Er bleibt damit zwar auf seiner Spur, der Herausbildung menschlichen Verhaltens und moralisch-ethischen Räsonierens aus den im Tierreich ablesbaren Ursprüngen nachzuspüren. Doch nun geht es ihm darum, was wir aus der Natur für eine bessere Gesellschaft sollen lernen können. Eigentlich eine einfache Sache: Im verbindlichen Sinne können wir von der Natur gar nichts lernen. Zumal sie uns für alle möglichen Verhaltensweisen und soziale Organisationsformen Beispiele gibt. Das weiß zwar auch de Waal, lässt sich aber dadurch nicht hindern, noch einmal mit viel Aufwand die Vorstellung zu widerlegen, dass es im Tierreich nur um Konkurrenz gehe. Geht es auch nicht. Aber Finanzkrise hin oder her: Man muss eine so bescheidene Einsicht nicht auf über dreihundert Seiten verhandeln, selbst wenn dabei durchaus Lehrreiches aus der Forschung einfließt. Vor allem dann nicht, wenn die im Zeichen der Kooperation revidierte Natur dabei immer wieder zur Norm aufrückt - was furchtbar gut gemeint ist und unhaltbarer Biologismus bleibt. (Frans de Waal: "Das Prinzip Empathie". Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können. Hanser Verlag, München 2011. 352 S., geb., 24,90 [Euro].) hmay
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vermutlich haben Sie es auch schon gehört: "Gier ist out, Empathie ist in." Solche Slogans hat uns die zwei Jahre zurückliegende Finanzkrise beschert. Sachbuchautoren aller Art sind seitdem darum bemüht, fatale Egoismen zu brandmarken und im Gegenzug die fundamentale Bedeutung von Einfühlung, Altruismus und Kooperation vor Augen zu führen. Zu ihnen gehört auch der Primatenforscher Frans de Waal mit der nun erschienenen Übersetzung seines Buchs "Age of Empathy". Er bleibt damit zwar auf seiner Spur, der Herausbildung menschlichen Verhaltens und moralisch-ethischen Räsonierens aus den im Tierreich ablesbaren Ursprüngen nachzuspüren. Doch nun geht es ihm darum, was wir aus der Natur für eine bessere Gesellschaft sollen lernen können. Eigentlich eine einfache Sache: Im verbindlichen Sinne können wir von der Natur gar nichts lernen. Zumal sie uns für alle möglichen Verhaltensweisen und soziale Organisationsformen Beispiele gibt. Das weiß zwar auch de Waal, lässt sich aber dadurch nicht hindern, noch einmal mit viel Aufwand die Vorstellung zu widerlegen, dass es im Tierreich nur um Konkurrenz gehe. Geht es auch nicht. Aber Finanzkrise hin oder her: Man muss eine so bescheidene Einsicht nicht auf über dreihundert Seiten verhandeln, selbst wenn dabei durchaus Lehrreiches aus der Forschung einfließt. Vor allem dann nicht, wenn die im Zeichen der Kooperation revidierte Natur dabei immer wieder zur Norm aufrückt - was furchtbar gut gemeint ist und unhaltbarer Biologismus bleibt. (Frans de Waal: "Das Prinzip Empathie". Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können. Hanser Verlag, München 2011. 352 S., geb., 24,90 [Euro].) hmay
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Einen ambivalenten Eindruck hat Frans de Waals Buch über das Prinzip der Empathie bei Rezensent Johan Schloemann hinterlassen. Einerseits bescheinigt er dem renommierten Primatenforscher, kenntnisreich und kurzweilig die Erkenntnisse der jüngeren biologischen Altruismusforschung darzustellen. Andererseits scheint ihm das Werk bei all seinen gelungenen, gut zu lesenden Schilderungen über empathisches und freundliches Verhalten unter den Primaten in Teilen geradezu "dumm". Die Dummheit des Buchs erkennt er in der "gedankenschwachen Übertragung der Befunde auf den Menschen und die menschliche Gesellschaft". Dennoch hält er die Lektüre des Werks für instruktiv und lehrreich, auch weil es zeigt, wie sich der "böse" Sozialdarwinismus inzwischen in einen "guten" Sozialdarwinismus verwandelt hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH