Die Königin von Saba ist eine große mythische Gestalt und gleichwohl eine Herrscherin ohne Namen. War sie eine historische Figur, so lag ihre Heimat vermutlich im Sabäer-Reich im Süden Arabiens beziehungsweise Norden Äthiopiens. Erstmals erwähnt sie das Alte Testament: Die Königin, der große Weisheit und unermesslicher Reichtum zugeschrieben werden, reist zu Salomon nach Jerusalem. Beeindruckt von dessen Weisheit und seiner Hofhaltung schenkt sie ihm 120 Zentner Gold und Edelsteine. Auch im Neuen Testament taucht sie auf, im Koran und in jüdischen Quellen. Nach äthiopischer Überlieferung ist ihr mit Salomon gezeugter Sohn der Stammvater der äthiopischen Könige - bis hin zu Kaiser Haile Selassie im 20. Jahrhundert.Ulfrid Kleinert folgt den Spuren dieser mythischen Königin: den historischen im Jemen und in Äthiopien ebenso wie denen in der Bibel und im Koran. Er untersucht die Ursprünge der Geschichte von ihr und Salomo und erzählt von ihrem Nachwirken in der Literatur und in der Kunst - der abendländischen, der morgenländischen und der äthiopischen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2015Die rätselhafte Herrscherin
Zeitlose Lilith, machtbewusste Eva: Ulfrid Kleinerts kühnes Buch über die mythische Königin von Saba / Von Dieter Bartetzko
Wer je eingehend Piero della Francescas lebensgroßes Fresko der biblischen "Königin von Saba" in Arezzo angeschaut hat, wird nie die Schönheit, die Ruhe und demütige Würde vergessen, die diese Gestalt ausstrahlt. Und nahezu jedermann, der irgendwann einmal King Vidors Hollywoodepos "Salomon und die Königin von Saba" gesehen hat, wird die mythische Monarchin des Alten Testaments auch als Inbegriff hinterlistiger weiblicher Erotik geläufig sein. Dank oder trotz bibelgetreuer Volten des Drehbuchs in Richtung Weisheit und Gottesfürchtigkeit räkelte die Schauspielerin Gina Lollobrigida sich 1959 als zeitlose Lilith und machtbewusste Eva, weiser, kluger Vamp und hocherotische Visionärin ins westliche Bewusstsein, wo sie bis heute verankert ist.
Aus biblischer Sicht bleibt noch die jüdisch-alttestamentarische Spielart der Saba-Legende, in der die mythische Königin einerseits in all ihrer Weisheit und dank der ungeheuren Schätze, die sie auf ihrem Staatsbesuch in Jerusalem dem Monarchen ehrfürchtig zu Füßen legt, letztlich dazu dient, die Klugheit des Salomon noch heller leuchten zu lassen. Andererseits handelt die Königin auch hier als entschlossene Taktikerin, die dem diesbezüglich notorisch schwachen Herrscher mit ihren Verführungskünsten einen Sohn abluchst. Zurück auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien, gründeten beide ein Reich, das bis ins 20. Jahrhundert Bestand hatte.
Zwischen den beiden Polen Weisheit und Erotik wuchs die Königin von Saba nicht nur zur jüdischen und christlichen Ikone, sondern auch zur Stifterfigur des Gründungsmythos einer kulturellen Einheit, die sich mehr als drei Jahrtausende auf diese Rätselfrau und ihren Sohn bezog: Mit Kaiser Haile Selassie von Äthiopien respektive Abessinien, dem sogenannten Löwen von Juda, starb beim äthiopischen Putsch der letzte dieser Dynastie; der Monarch selbst bezeichnete sich als 225. Nachfolger Salomons, sein Volk als Brudervolk der Juden und seine Hauptstadt als legitimen Aufbewahrungsort der verschollenen sagenumwobenen Bundeslade, der Ulfrid Kleinert in seinem Buch über die Königin von Saba einen eigenen Exkurs widmet ("Das Rätsel der Königin von Saba". Geschichte und Mythos. Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt 2015).
Von der Sekte der Rastafari wird Haile Selassie als wiedergekehrter Messias verehrt; ihre Legionsfigur Bob Marley ("Exodus - Movement of Jah People") berief sich auf die Saba-Kapitel des Alten Testaments. Folgt man den teilweise kühnen Schlussfolgerungen Ulfrid Kleinerts, so trägt im Grunde jeder mit Rastalocken die Frisur der mythischen Königin und bekundet bewusst oder unbewusst seine Solidarität mit ihr - und damit den heutigen Revolutionären, die momentan beispielsweise in Israel gegen die Behandlung als Juden zweiter Klasse aufbegehren.
Angesichts der Kühnheit nicht nur der Thesen des Autors, sondern auch jener der Ideologen, die auf den Saba-Mythos setzen, ist man geneigt, die Publikation unter der Kategorie Fantasy abzuheften. Doch dem steht Aby Warburgs geniale Entdeckung der Pathosformel entgegen. Die durch drei Jahrtausende in der Literatur und Kunst präsente Figur der legendären Königin ist dafür ein Paradebeispiel: Als Pathosformel hat die Rätselkönigin im allgemeinen Bewusstsein einen Platz zwischen Babylons Semiramis, Karthagos Salambo und Jerusalems Salomé, zwischen der wehrhaften Judith des Alten Testaments und der expeditionsfreudigen Hatschepsut Alt-Ägyptens. Heilige und Hure, Staatsgründerin und Theologin, Vamp und Weise - all diese Aspekte aus einer verrätselten Figur herauspräpariert zu haben ist das Verdienst von Ulfrid Kleinert.
Dies ist der letzte Text, den uns Dieter Bartetzko kurz vor seinem Tod am Dienstag schickte.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zeitlose Lilith, machtbewusste Eva: Ulfrid Kleinerts kühnes Buch über die mythische Königin von Saba / Von Dieter Bartetzko
Wer je eingehend Piero della Francescas lebensgroßes Fresko der biblischen "Königin von Saba" in Arezzo angeschaut hat, wird nie die Schönheit, die Ruhe und demütige Würde vergessen, die diese Gestalt ausstrahlt. Und nahezu jedermann, der irgendwann einmal King Vidors Hollywoodepos "Salomon und die Königin von Saba" gesehen hat, wird die mythische Monarchin des Alten Testaments auch als Inbegriff hinterlistiger weiblicher Erotik geläufig sein. Dank oder trotz bibelgetreuer Volten des Drehbuchs in Richtung Weisheit und Gottesfürchtigkeit räkelte die Schauspielerin Gina Lollobrigida sich 1959 als zeitlose Lilith und machtbewusste Eva, weiser, kluger Vamp und hocherotische Visionärin ins westliche Bewusstsein, wo sie bis heute verankert ist.
Aus biblischer Sicht bleibt noch die jüdisch-alttestamentarische Spielart der Saba-Legende, in der die mythische Königin einerseits in all ihrer Weisheit und dank der ungeheuren Schätze, die sie auf ihrem Staatsbesuch in Jerusalem dem Monarchen ehrfürchtig zu Füßen legt, letztlich dazu dient, die Klugheit des Salomon noch heller leuchten zu lassen. Andererseits handelt die Königin auch hier als entschlossene Taktikerin, die dem diesbezüglich notorisch schwachen Herrscher mit ihren Verführungskünsten einen Sohn abluchst. Zurück auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien, gründeten beide ein Reich, das bis ins 20. Jahrhundert Bestand hatte.
Zwischen den beiden Polen Weisheit und Erotik wuchs die Königin von Saba nicht nur zur jüdischen und christlichen Ikone, sondern auch zur Stifterfigur des Gründungsmythos einer kulturellen Einheit, die sich mehr als drei Jahrtausende auf diese Rätselfrau und ihren Sohn bezog: Mit Kaiser Haile Selassie von Äthiopien respektive Abessinien, dem sogenannten Löwen von Juda, starb beim äthiopischen Putsch der letzte dieser Dynastie; der Monarch selbst bezeichnete sich als 225. Nachfolger Salomons, sein Volk als Brudervolk der Juden und seine Hauptstadt als legitimen Aufbewahrungsort der verschollenen sagenumwobenen Bundeslade, der Ulfrid Kleinert in seinem Buch über die Königin von Saba einen eigenen Exkurs widmet ("Das Rätsel der Königin von Saba". Geschichte und Mythos. Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt 2015).
Von der Sekte der Rastafari wird Haile Selassie als wiedergekehrter Messias verehrt; ihre Legionsfigur Bob Marley ("Exodus - Movement of Jah People") berief sich auf die Saba-Kapitel des Alten Testaments. Folgt man den teilweise kühnen Schlussfolgerungen Ulfrid Kleinerts, so trägt im Grunde jeder mit Rastalocken die Frisur der mythischen Königin und bekundet bewusst oder unbewusst seine Solidarität mit ihr - und damit den heutigen Revolutionären, die momentan beispielsweise in Israel gegen die Behandlung als Juden zweiter Klasse aufbegehren.
Angesichts der Kühnheit nicht nur der Thesen des Autors, sondern auch jener der Ideologen, die auf den Saba-Mythos setzen, ist man geneigt, die Publikation unter der Kategorie Fantasy abzuheften. Doch dem steht Aby Warburgs geniale Entdeckung der Pathosformel entgegen. Die durch drei Jahrtausende in der Literatur und Kunst präsente Figur der legendären Königin ist dafür ein Paradebeispiel: Als Pathosformel hat die Rätselkönigin im allgemeinen Bewusstsein einen Platz zwischen Babylons Semiramis, Karthagos Salambo und Jerusalems Salomé, zwischen der wehrhaften Judith des Alten Testaments und der expeditionsfreudigen Hatschepsut Alt-Ägyptens. Heilige und Hure, Staatsgründerin und Theologin, Vamp und Weise - all diese Aspekte aus einer verrätselten Figur herauspräpariert zu haben ist das Verdienst von Ulfrid Kleinert.
Dies ist der letzte Text, den uns Dieter Bartetzko kurz vor seinem Tod am Dienstag schickte.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Dem Verfasser ist mit diesem Band eine Darstellung großer biblischer Zusammenhänge und deren verzweigter Rezeptionswege gelungen - in einer Kombination aus wissenschaftlich solider Recherche und belletristischem Lesevergnügen.« Prof. Dr. Christfried Böttrich, Universität Greifswald »Ein faszinierendes Buch, das zwar längst nicht alle Rätsel um die Königin von Saba lösen kann, aber dem interessierten Leser durch Fotos und einem wissenschaftlichen Anhang einen hervorragenden Überblick gibt über die Forschungslage. Dabei bleibt es auch für den allgemein interessierten Leser gut nachvollziehbar und spannend.« ZDF Videotext »Heilige und Hure, Staatsgründerin und Theologin, Vamp und Weise - all diese Aspekte aus einer verrätselten Figur herauspräpariert zu haben ist das Verdienst von Ulfrid Kleinert« Dieter Bartetzko in der FAZ »Spannend zu lesen.« bn Bibliotheksnachrichten »Das Buch gibt dem Leser durch Fotos und einen wissenschaftlichen Anhang einen hervorragenden Überblick überdie Forschungslage, die auch für den allgemein interessierten Leser gut nachvollziehbar wird.« Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung »Das Buch ist hervorragend ausgestattet. Man nimmt es mit Lust zur Hand.« Theologische Literaturzeitung