Am Vorabend der Weltausstellung von 1889 geben sich die »Zwölf Detektive« in Paris ein Stelldichein: Die berühmtesten Vertreter der Detektivzunft möchten der Welt die neusten Ermittlungsmethoden und ihre spektakulärsten Kriminalfälle präsentieren. Aus der unbeschwerten Zusammenkunft wird Ernst, als einer der »Zwölf« unter mysteriösen Umständen vom gerade errichteten Eiffelturm zu Tode stürzt. Nachdem kurze Zeit später auf dem Ausstellungsgelände eine verkohlte Leiche entdeckt wird, zweifelt niemand mehr an einem Serienverbrechen. Nun gilt es für die Meisterdetektive, ihr Können unter Beweis zu stellen und das Rätsel von Paris zu lösen.
Mit viel Fantasie, Witz und Spannung verhilft Pablo De Santis den großen Detektivgestalten der Weltliteratur zu einem neuen Auftritt und setzt der Detektivgeschichte ein literarisches Denkmal.
Mit viel Fantasie, Witz und Spannung verhilft Pablo De Santis den großen Detektivgestalten der Weltliteratur zu einem neuen Auftritt und setzt der Detektivgeschichte ein literarisches Denkmal.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2010Beschwert aufgeklärt
Pablo de Santis' Detektive leiden an der Methode
Verbrechen müssen verhindert werden. Und wenn nicht verhindert, so doch mindestens aufgeklärt. Wenn dies so einfach und schlüssig wäre! Allzu leicht geschieht es nämlich, dass selbst ein erfahrener Detektiv nicht über dem Verbrechen und seinem Motiv brütet, sondern über den Hypothesen, Schlussfolgerungen und Vermutungen, die er darüber anstellt. Und läuft es richtig schlecht, vermag er trotz aller Erfahrung die Tat von seinen Eindrücken nicht zu unterscheiden. Doch erst wenn ihm das gelingt, wird er zum Herrn seines Falles. Und ganz nebenbei stellt er unter Beweis, dass die Ermittlungsarbeit einer der vornehmsten Akte des Denkens ist. Ja sogar viel mehr noch, nämlich "der letzte Winkel, in dem die Philosophie Zuflucht sucht".
Der so redet, muss es wissen: Renato Craig ist der berühmteste Detektiv seines Landes, Mitglied im Ring der "Zwölf Detektive", eines internationalen Clubs, dem nur die besten Vertreter ihres Faches angehören. Zugleich ist Craig aber auch Sprecher seines Schöpfers Pablo de Santis, der auch in diesem Roman die Engführung von Kriminalgeschichte und Hermeneutik, verbrecherischer Praxis und literarischer Theorie versucht. Zwar gelingt dem Autor die Vermengung der Genres, ein packender Roman ist aber nicht zwangsläufig daraus geworden.
Wie auch seine Vorgänger ist "Das Rätsel von Paris" ein Spiel mit der Idee der Kriminal- und Detektivgeschichte, dazu angelegt, deren Spielregeln zu unterlaufen, oder besser, noch: offenzulegen, dem Leser die Konventionen bewusst zu machen, ohne die kein Text dieses Typs auskäme. Dass sein eigener Roman seinerseits aus dem Ruder läuft, nimmt de Santis in Kauf. Paris, 1889: In der französischen Hauptstadt ist die Weltausstellung zu Gast. Der Eiffelturm ist frisch vollendet, die Ingenieure haben ihre Kunst bewiesen, nun sollen die Zwölf Detektive die ihre beweisen. Ein Spiel um Kombinatorik und Auffassungsgabe sollte es werden, aber schnell gleitet es den Meisterdenkern aus der Hand: Einer der Ihren wird ermordet, und er wird nicht der Letzte sein.
Die Detektive setzen zum Denken an, gehemmt durch den Umstand, dass der Mörder sich in ihren Reihen befindet. Einfach ist es nicht: "Wir brauchen strukturierte Verbrecher, damit unsere Theorien aufgehen, aber was wir finden, ist das Böse ohne Ordnung, das Böse ohne Ende." Verbrechen und Methode passen nicht mehr zusammen, und es kostet die Detektive erhebliche Mühe, sie wieder anzugleichen.
Das gelingt am Ende auch, allerdings nicht ohne ausführliche Debatten über den Detektiv als solchen und wie er die Welt sieht. Intellektuell mag das reizvoll sein, aber als Erzähltext funktioniert es nicht. Indem der Roman die Stilkonventionen des 19. Jahrhunderts imitiert, nimmt er über weite Strecken hausbacken-biedere Züge an. Am Ende mögen die Detektive der Welt zum Besseren verholfen haben, aber den Text, in dem sie auftreten, den holen sie nicht ins Leben zurück.
KERSTEN KNIPP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pablo de Santis' Detektive leiden an der Methode
Verbrechen müssen verhindert werden. Und wenn nicht verhindert, so doch mindestens aufgeklärt. Wenn dies so einfach und schlüssig wäre! Allzu leicht geschieht es nämlich, dass selbst ein erfahrener Detektiv nicht über dem Verbrechen und seinem Motiv brütet, sondern über den Hypothesen, Schlussfolgerungen und Vermutungen, die er darüber anstellt. Und läuft es richtig schlecht, vermag er trotz aller Erfahrung die Tat von seinen Eindrücken nicht zu unterscheiden. Doch erst wenn ihm das gelingt, wird er zum Herrn seines Falles. Und ganz nebenbei stellt er unter Beweis, dass die Ermittlungsarbeit einer der vornehmsten Akte des Denkens ist. Ja sogar viel mehr noch, nämlich "der letzte Winkel, in dem die Philosophie Zuflucht sucht".
Der so redet, muss es wissen: Renato Craig ist der berühmteste Detektiv seines Landes, Mitglied im Ring der "Zwölf Detektive", eines internationalen Clubs, dem nur die besten Vertreter ihres Faches angehören. Zugleich ist Craig aber auch Sprecher seines Schöpfers Pablo de Santis, der auch in diesem Roman die Engführung von Kriminalgeschichte und Hermeneutik, verbrecherischer Praxis und literarischer Theorie versucht. Zwar gelingt dem Autor die Vermengung der Genres, ein packender Roman ist aber nicht zwangsläufig daraus geworden.
Wie auch seine Vorgänger ist "Das Rätsel von Paris" ein Spiel mit der Idee der Kriminal- und Detektivgeschichte, dazu angelegt, deren Spielregeln zu unterlaufen, oder besser, noch: offenzulegen, dem Leser die Konventionen bewusst zu machen, ohne die kein Text dieses Typs auskäme. Dass sein eigener Roman seinerseits aus dem Ruder läuft, nimmt de Santis in Kauf. Paris, 1889: In der französischen Hauptstadt ist die Weltausstellung zu Gast. Der Eiffelturm ist frisch vollendet, die Ingenieure haben ihre Kunst bewiesen, nun sollen die Zwölf Detektive die ihre beweisen. Ein Spiel um Kombinatorik und Auffassungsgabe sollte es werden, aber schnell gleitet es den Meisterdenkern aus der Hand: Einer der Ihren wird ermordet, und er wird nicht der Letzte sein.
Die Detektive setzen zum Denken an, gehemmt durch den Umstand, dass der Mörder sich in ihren Reihen befindet. Einfach ist es nicht: "Wir brauchen strukturierte Verbrecher, damit unsere Theorien aufgehen, aber was wir finden, ist das Böse ohne Ordnung, das Böse ohne Ende." Verbrechen und Methode passen nicht mehr zusammen, und es kostet die Detektive erhebliche Mühe, sie wieder anzugleichen.
Das gelingt am Ende auch, allerdings nicht ohne ausführliche Debatten über den Detektiv als solchen und wie er die Welt sieht. Intellektuell mag das reizvoll sein, aber als Erzähltext funktioniert es nicht. Indem der Roman die Stilkonventionen des 19. Jahrhunderts imitiert, nimmt er über weite Strecken hausbacken-biedere Züge an. Am Ende mögen die Detektive der Welt zum Besseren verholfen haben, aber den Text, in dem sie auftreten, den holen sie nicht ins Leben zurück.
KERSTEN KNIPP
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Leopold Federmair spürt die Patina auf diesem Kriminalroman des Argentiniers Pablo De Santis. Nicht so sehr der Umstand, dass die Geschichte um den Detektivlehrling Salvatrio 1889 in Paris spielt, ist dafür ausschlaggebend. Es ist vor allem die populärwissenschaftliche Geste, mit der De Santis den damals gepflegten Positivismus als auch das Okkulte hier in einer an Borges erinnernden Dialektik der detektivischen Aufklärung verarbeitet, die den Rezensenten in vergangene Zeiten führt. Die drei dabei in Konkurrenz tretenden kriminalistischen Theorien und ihre Verquickung sorgen laut Federmair für Unterhaltung, aber auch für Wissen und Erkenntnis beim Leser.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein hoch ironischer, höchst kenntnisreicher Kriminalroman, der dem Zeitalter der Aufklärung huldigt und dasselbe zugleich sehr schlau hinterfragt. Welt-Literatur von einem, der das Genre nutzt, um das Wesen des Wissens zu durchdringen.« Ulrich Noller Deutsche Welle