Die Havarie im Atomkraftwerk Fukushima erinnert uns daran, daß der»Umgang der Menschen mit ihrem Planeten einem Katastrophenfilmgleicht, in dem rivalisierende Mafiagruppen sich an Bord eines Flugzeugsin 12 000 Meter Höhe ein Feuergefecht mit großkalibrigen Waffenliefern« (Peter Sloterdijk). Die Reaktorkatastrophe wird verstrahlteGebiete und verseuchte Gewässer zurücklassen, die Menschheit erweistsich einmal mehr als eine geologische Macht, welche den Gewalten derNatur kaum nachsteht.Bereits im Jahr 2000 hat der niederländische AtmosphärenforscherPaul J. Crutzen, der für seine Arbeiten zur Erforschung des Ozonlochs1995 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, die Bezeichung»Anthropozän« für unser Erdzeitalter vorgeschlagen, in dem - so PeterSloterdijk - endgültig »der Punkt erreicht ist«, an dem das »RaumschiffErde« »bestimmte Formen des unwissenden Verhaltens« seiner Passagierenicht länger erträgt.Dem kurzen, aber überaus einflußreichen Essay Paul J. Crutzens, derhier zum ersten Mal auf deutsch erscheint, werden in diesem Band Beiträgevon Klimaforschern, Soziologen und Philosophen gegenübergestellt.Michael D. Mastrandrea und Stephen H. Schneider vom IntergovernmentalPanel on Climate Change (IPCC) geben einen kompaktenÜberblick über ihre Arbeit und ihre Handlungsempfehlungen an diePolitik. Mike Davis referiert kurz die Kritik an den Berichten des IPCCund erläutert dann, warum ökologische und wahrhaft demokratischeStädte einen Ausweg aus der Klimakrise bieten könnten. Und Peter Sloterdijkdenkt in seiner »Kopenhagener Rede« nach über BuckminsterFullers Metapher des »Raumschiffs Erde« und das Ende des »kinetischenExpressionismus«.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2011Wetterwende
Selten hat man die geophysikalischen ebenso wie die sozialen und kulturellen Veränderungen, die der globale Klimawandel zu bewirken droht, auf so knappem Raum so klar formuliert gesehen wie in diesem Buch. Vier Texte, vier Perspektiven: Nobelpreisträger Paul Crutzen begründet in dem vor knapp zehn Jahren erstmals gedruckten Essay, wieso er es für gerechtfertig hält, die ökologische Krise in eine neue - noch inoffizielle - geologische Epoche des "Anthropozäns" zu stellen und damit die erdgeschichtliche Ausnahmesituation hervorzuheben. Zwei amerikanische Klimaforscher rücken dazu die jüngsten Aussagen und Folgerungen des vierten Sachstandsberichtss aus dem Weltklimarat in den Zusammenhang. Einen realistischen "Notausgang" jedoch kann der amerikanische Zeitdiagnostiker Mike Davis kaum mehr ausmachen, nur eine "Revolution von nahezu mythischem Ausmaß" gäbe für ihn noch eine Chance. Der Philosoph Peter Sloterdijk beurteilt die Lage in seiner während des Kopenhagener Klimagipfels gehaltenen Rede etwas anders: Er sieht, angelehnt an Richard Buckminster Fullers visionäres Buch "Betriebsanleitung für das Raumschiff Erde", eine durch die Klimaforscher angetriebene "meteorologische Reformation" am Werk, die ihm Hoffnung auf einen Umschwung unserer verderblichen Konsumgewohnheiten macht - hin zu einem "ökokologischen Calvinismus", der auch zu einem "meteorologischen Sozialismus" führen könne. Wobei am Ende jedem ein kleines Emissionsguthaben an der Atmosphäre zugestanden würde, von dem er im Laufe seines Lebens zehren darf. Das Buch gibt keinen abgerundeten Einblick in die Klimadebatte, sondern ergreift Partei im Sinne der aktuellen Nachhaltigkeitsbewegung - mit einigem rhetorischen Aufwand und überzeugendem Eifer. (Paul Crutzen u.a.: "Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang". Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 113 S., br., 10,- [Euro].)
jom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Selten hat man die geophysikalischen ebenso wie die sozialen und kulturellen Veränderungen, die der globale Klimawandel zu bewirken droht, auf so knappem Raum so klar formuliert gesehen wie in diesem Buch. Vier Texte, vier Perspektiven: Nobelpreisträger Paul Crutzen begründet in dem vor knapp zehn Jahren erstmals gedruckten Essay, wieso er es für gerechtfertig hält, die ökologische Krise in eine neue - noch inoffizielle - geologische Epoche des "Anthropozäns" zu stellen und damit die erdgeschichtliche Ausnahmesituation hervorzuheben. Zwei amerikanische Klimaforscher rücken dazu die jüngsten Aussagen und Folgerungen des vierten Sachstandsberichtss aus dem Weltklimarat in den Zusammenhang. Einen realistischen "Notausgang" jedoch kann der amerikanische Zeitdiagnostiker Mike Davis kaum mehr ausmachen, nur eine "Revolution von nahezu mythischem Ausmaß" gäbe für ihn noch eine Chance. Der Philosoph Peter Sloterdijk beurteilt die Lage in seiner während des Kopenhagener Klimagipfels gehaltenen Rede etwas anders: Er sieht, angelehnt an Richard Buckminster Fullers visionäres Buch "Betriebsanleitung für das Raumschiff Erde", eine durch die Klimaforscher angetriebene "meteorologische Reformation" am Werk, die ihm Hoffnung auf einen Umschwung unserer verderblichen Konsumgewohnheiten macht - hin zu einem "ökokologischen Calvinismus", der auch zu einem "meteorologischen Sozialismus" führen könne. Wobei am Ende jedem ein kleines Emissionsguthaben an der Atmosphäre zugestanden würde, von dem er im Laufe seines Lebens zehren darf. Das Buch gibt keinen abgerundeten Einblick in die Klimadebatte, sondern ergreift Partei im Sinne der aktuellen Nachhaltigkeitsbewegung - mit einigem rhetorischen Aufwand und überzeugendem Eifer. (Paul Crutzen u.a.: "Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang". Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 113 S., br., 10,- [Euro].)
jom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Selten hat man die geophysikalischen ebenso wie die sozialen und kulturellen Veränderungen, die der globale Klimawandel zu bewirken droht, auf so knappem Raum so klar formuliert gesehen wie in diesem Buch.«