Aus der Einleitung des Herausgebers: "Bekanntlich verdanken wir Nietzsche die Entdeckung der emotiven Funktion des Ressentiment, das nach ihm eine konstitutive Rolle im moralischen Leben des Menschen spielen soll. Nietzsche hat aber keine eingehende Analyse des Ressentiment gegeben. Erst Max Scheler hat dem an der Nahrungsstätte der untersten Wurzeln des Seelenlebens grollenden Ressentimentgefühl einen Spiegel vorgehalten (...). Die Abhandlung "Das Ressentiment im Aufbau der Moralen" erschien zuerst 1912. Sie gehört zu einem Bereiche der Forschungen Max Schelers, die er nicht fertiggestellt hat, obwohl ihm daran bis zu seinem Lebensende lag: dem Bereich der "Sinngesetze" des menschlichen Gefühlslebens. Jenen Forschungen liegt die Ansicht zugrunde, daß die schon von den Griechen angenommene Unterscheidung zwischen Verstand und Sinnlichkeit, zwischen Einsichtswissen und Sinneswahrnehmung, das Erkenntnisverhältnis zu unseren Mitmenschen und zur Welt nicht trifft, und daß diese Unterscheidung Ausdruck eines westlichen überintellektualistischen Menschen sei, durch den die Funktionen des Gefühls- und Trieblebens vernachlässigt worden sind. [...] Schelers gesamten Gefühlsanalysen liegt die Unterscheidung von Vernunft und Herz, nicht die von Vernunft und Sinnlichkeit zugrunde."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2004Hinweis
RESSENTIMENT! In der für ressenti-mentgeladene Lesefrüchte (Gehlen, Heidegger und andere) bekannten knallrot eingeschlagenen, aber tiefschwarz unterfütterten Taschenbuchreihe "KlostermannSeminar" ist nun auch Max Schelers zuerst 1912 erschienene Schrift "Das Ressentiment im Aufbau der Moralen" aufgenommen worden. Scheler spinnt darin Nietzsches Ressentimentpolitik weiter aus. Nietzsches Entdeckung vom Ressentiment als Quelle der Werturteile sei richtig, auch wenn die speziellere Behauptung Nietzsches nach Ansicht Schelers falsch ist: nämlich daß die christliche Moral und insbesondere die christliche Liebe "die feinste Blüte" des Ressentiment sei. Scheler sucht im einzelnen zu zeigen, warum "Frauen", "Juden", "Schwiegermütter", "Apostaten", "Romantiker" und "Bosheitsverbrecher" besonders leicht zu "Ressentimentmenschen" würden. In seiner Phänomenologie des Ressentiments unterscheidet Scheler die Stufe, in der die süßen Trauben dem ohnmächtigen Fuchs zu hoch hängen und jener Stufe, in der der Fuchs die unerreichbaren Trauben noch nicht einmal mehr als süß anerkennen will, sondern sie gleich als sauer disqualifiziert. Letzteres sei genau die "Fälschung der Werttafeln", von der Nietzsche sprach - jene durch Verdrängung von Neid und Eifersucht bewirkte "Verfälschung des sachlichen Weltbilds", die Scheler hier als "Giftherd" ausmacht. Die Aktualisierung Schelers läßt nicht auf sich warten: Das nächste Doppelheft (Thema: "Ressentiment!") der einem sachlichen Weltbild verpflichteten Zeitschrift "Merkur" geht davon aus, "daß die gerade unter Intellektuellen verbreitete Kritik am Westen ressentimenthafte Züge enthält". (Max Scheler: "Das Ressentiment im Aufbau der Moralen". Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2004. 117 S., br., 12,- [Euro])
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RESSENTIMENT! In der für ressenti-mentgeladene Lesefrüchte (Gehlen, Heidegger und andere) bekannten knallrot eingeschlagenen, aber tiefschwarz unterfütterten Taschenbuchreihe "KlostermannSeminar" ist nun auch Max Schelers zuerst 1912 erschienene Schrift "Das Ressentiment im Aufbau der Moralen" aufgenommen worden. Scheler spinnt darin Nietzsches Ressentimentpolitik weiter aus. Nietzsches Entdeckung vom Ressentiment als Quelle der Werturteile sei richtig, auch wenn die speziellere Behauptung Nietzsches nach Ansicht Schelers falsch ist: nämlich daß die christliche Moral und insbesondere die christliche Liebe "die feinste Blüte" des Ressentiment sei. Scheler sucht im einzelnen zu zeigen, warum "Frauen", "Juden", "Schwiegermütter", "Apostaten", "Romantiker" und "Bosheitsverbrecher" besonders leicht zu "Ressentimentmenschen" würden. In seiner Phänomenologie des Ressentiments unterscheidet Scheler die Stufe, in der die süßen Trauben dem ohnmächtigen Fuchs zu hoch hängen und jener Stufe, in der der Fuchs die unerreichbaren Trauben noch nicht einmal mehr als süß anerkennen will, sondern sie gleich als sauer disqualifiziert. Letzteres sei genau die "Fälschung der Werttafeln", von der Nietzsche sprach - jene durch Verdrängung von Neid und Eifersucht bewirkte "Verfälschung des sachlichen Weltbilds", die Scheler hier als "Giftherd" ausmacht. Die Aktualisierung Schelers läßt nicht auf sich warten: Das nächste Doppelheft (Thema: "Ressentiment!") der einem sachlichen Weltbild verpflichteten Zeitschrift "Merkur" geht davon aus, "daß die gerade unter Intellektuellen verbreitete Kritik am Westen ressentimenthafte Züge enthält". (Max Scheler: "Das Ressentiment im Aufbau der Moralen". Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2004. 117 S., br., 12,- [Euro])
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