Das Risiko der Langatmigkeit: Ortwin Renns voluminöses Buch über Risiken
Wer über alle möglichen Arten von Risiken unterrichtet werden will, die den Einzelnen oder die Gesellschaft, in nationalen oder globalen Rahmen bedrohen, hat mit Prof. Ortwin Renns Buch eine umfangreiche Daten- und
Faktensammlung erworben. Ergänzt um eine Reihe pädagogischer Elemente, die O.Renn für geeignet hält, um dem…mehrDas Risiko der Langatmigkeit: Ortwin Renns voluminöses Buch über Risiken
Wer über alle möglichen Arten von Risiken unterrichtet werden will, die den Einzelnen oder die Gesellschaft, in nationalen oder globalen Rahmen bedrohen, hat mit Prof. Ortwin Renns Buch eine umfangreiche Daten- und Faktensammlung erworben. Ergänzt um eine Reihe pädagogischer Elemente, die O.Renn für geeignet hält, um dem Leser das Erkennen der wahren Risiken zu erleichtern und ihn zu dem richtigen (O. Renn: nachhaltigen) Umgang damit anzuregen.
Das Gute. Im Einzelnen wird man Prof. Renn kaum widersprechen können. Seine Unterscheidung zwischen eingebildeten und realen Risiken wird von vielen Autoren (u.a. von Prof. G.Gigerenzer) geteilt; sein Aufruf zu kritischem Umgang mit Informationen und Appell, persönlich zur Minderung der globalen Risiken beizutragen, ist das Gütezeichen des fortschrittlichen Gesellschaftswissenschaftlers. Gut finde ich, dass er auch den Risiken Raum einräumt, die durch zunehmende Segregation der Gesellschaft und haushohe Unterschiede in den Einkommen und Vermögen der Menschen angelegt sind.
Das weniger Gute. Einiges hört sich sehr Mainstream artig und brav an; alle Akteure sind laut O.Renn zumindest guten Willens, rein Interessen-basierte Verhaltensweisen und Entscheidungen sind die Ausnahme. Einige wichtige Aspekte werden nicht diskutiert, darunter die Ideologie stetigen Wachstums, die für viele Risiken verantwortlich ist, die weiter fortschreitende Urbanisierung als eines der Megaprobleme der Zukunft, oder die Sexualisierung nahezu aller Lebensbereiche, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind. Aber vielleicht habe ich das einfach im Buch nur übersehen, angesichts der Fülle des Stoffs. Gerne hätte ich auch seine Einschätzung der Entwicklung der Risiken über die nächsten Jahrzehnte gelesen, mit denen sich verschiedene Autoren herumschlagen, u.a. im Buch von Jorgen Randers „2052“. Aber dann wäre das Buch noch dicker geworden.
Allerdings; nach 585 Seiten Text dem Leser nochmals den Sinn des Buches zu erläutern, setzt erhebliche Nachsicht beim Leser voraus. Alles davon ist vorab schon gesagt worden. Spätestens nach 300 Seiten Text hat sich mir der eminente Spruch: „weniger ist mehr“ aufgedrängt, der bei mir ansonsten kein hohes Ansehen genießt.
Vieles aus O. Renns Buch ist bereits anderweitig, insbesondere zuvor von Prof. G.Gigerenzer in seinem Buch „Risiko“ abgehandelt worden. Vergleicht man die beiden Bücher, würde ich G. Gigerenzer den Vorzug geben. Es ist angriffslustiger, mutiger und einprägsamer geschrieben. Vielleicht in dieser Reihenfolge: G. Gigerenzer zuerst und wenn das Geld reicht, in dem umfangreichen Werk von O.Renn die aufschlussreichen Seiten über „systemische“ Risiken (S. 339-473) lesen.
Leider kann ich nicht umhin, auf eine Sünde des Verlags hinzuweisen. Das Buch ist voller Fußnoten. Diese sind vom Verlag ins Internet verbannt worden. Das ist schlicht und ergreifend eine Zumutung.