Wer lädt wen zum Dinner ein? Wo plaziert man welchen Gast? Wie sieht das räumliche Ambiente, wie die Einrichtung und wie das Geschirr beim Gastmahl in der römischen High-Society aus? Welche Gaumenkitzel, welche weiteren Sinnenfreuden und sonstigen Erbauungen hält der gute Gastgeber für seine Gäste bereit? All diese und viele weitere Fragen beantwortet Elke Stein-Hölkeskamp in ihrer wunderbaren Kulturgeschichte des römischen Gastmahls.
Mit großer Kennerschaft und viel Liebe zum Detail führt die Autorin ihre Leser ein in die Welt der Flamingozungen und des Falernerweins. Es ist die Welt des römischen Adels, in der alles, wirklich alles seine Bedeutung hatte, wenn man miteinander speiste. Das Selbstverständnis der gesellschaftlichen Elite manifestierte sich in jedem Ritual des Gastmahls. Wer sie nicht verstand, wurde zum Gespött, wer sie mißachtete, marginalisierte sich selbst und lieferte dem politischen Gegner Munition in der öffentlichen Auseinandersetzung: Die Dekadenz beim Mahl, der Verstoß gegen die bescheidenen, aber immerhin vorhandenen Tisch- und Speisesitten der Väter wurde gegeißelt - manchmal aus Überzeugung, oft aus Kalkül. Doch auch wer den Exzeß vermied, pflegte seine Art von Luxus, Lebensart und kultivierter Kompetenz im kulinarischen Bereich. Wer sich heute von Küche und Keller, von Damen und Dichtern, von Exotik und Erotik - kurzum von allem, was dem Gastmahl der römischen Großen Glanz und Gloria verlieh - einen Eindruck verschaffen möchte, der darf sich dieses Lesevergnügen nicht entgehen lassen.
Mit großer Kennerschaft und viel Liebe zum Detail führt die Autorin ihre Leser ein in die Welt der Flamingozungen und des Falernerweins. Es ist die Welt des römischen Adels, in der alles, wirklich alles seine Bedeutung hatte, wenn man miteinander speiste. Das Selbstverständnis der gesellschaftlichen Elite manifestierte sich in jedem Ritual des Gastmahls. Wer sie nicht verstand, wurde zum Gespött, wer sie mißachtete, marginalisierte sich selbst und lieferte dem politischen Gegner Munition in der öffentlichen Auseinandersetzung: Die Dekadenz beim Mahl, der Verstoß gegen die bescheidenen, aber immerhin vorhandenen Tisch- und Speisesitten der Väter wurde gegeißelt - manchmal aus Überzeugung, oft aus Kalkül. Doch auch wer den Exzeß vermied, pflegte seine Art von Luxus, Lebensart und kultivierter Kompetenz im kulinarischen Bereich. Wer sich heute von Küche und Keller, von Damen und Dichtern, von Exotik und Erotik - kurzum von allem, was dem Gastmahl der römischen Großen Glanz und Gloria verlieh - einen Eindruck verschaffen möchte, der darf sich dieses Lesevergnügen nicht entgehen lassen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2005Leichte Mädchen blinzeln schwer im Hintergrund
Politik beim Pfauenfleisch: Elke Stein-Hölkeskamp liest den Speisezettel des römischen Gastmahls
In der Mitte des Buches läuft einem das Wasser im Munde zusammen, wenn von Leckerbissen und edlen Weinen an den Tischen reicher Römer die Rede ist. Man wird nur gelegentlich gebremst durch Gerichte wie Pfauenfleisch und Pfaueneier, aber vielleicht sind sie ja wirklich eine Delikatesse. Vorher schon erschauert man vor der Schilderung der kostbaren Räumlichkeiten, in denen diese üppigen Gastmähler stattfanden, oder vor der Beschreibung des Mobiliars und des kostbaren Tafelgeschirrs, von dem gespeist wurde (der Hildesheimer Silberfund hätte erwähnt werden können). Zur Plastizität des Buches trägt noch die Schilderung weiterer Realien über die Einladungspraxis, den Status und die Hierarchie der Gastgeber und Gäste und die Rolle der Frauen bei römischen convivia bei.
Die Namen berühmter Römer und Römerinnen ziehen an einem vorbei, der Quellenlage wegen am häufigsten Cicero, und ausgiebig werden Dichter wie Catull, Horaz, Ovid oder Petronius herangezogen. Mit Genuß liest man, wie die Phantasie des kaiserzeitlichen Dichters Lucan sich das erste Schlemmermahl zwischen Caesar und Kleopatra vorstellt und dabei beide Hauptakteure scharf tadelt, gleichzeitig aber unwillentlich die Praxis seiner eigenen Zeit etwa einhundert Jahre später als selbstverständlich voraussetzt.
Das Buch will aber mehr. Es will die Gastmähler der römischen Oberschicht als Spiegelbild oder Ausdruck der "Gesellschaft als Ganzes" und ihrer historischen Wandlungen verstehen. Dazu dient zunächst die Einleitung, die etwas umständlich auftritt und mit berühmten Namen nicht spart: Neben Fachwissenschaftlern sind das Marc Bloch, Bourdieu, Derrida, Elias, Foucault, Lévy-Strauss, während der eigentliche Text mit seinen konkreten und überzeugenden Aussagen auch ohne diese Eideshelfer auskommt. Mögen manche Ausführungen, etwa über die Einladungspraxis - möglichst miteinander harmonierende Gäste zu haben -, transkulturell-trivial erscheinen, so ist es doch wichtig, daß das Buch die zentrale Rolle der Gastmähler für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der römischen Oberschicht herausstellt, einschließlich der Tatsache ihrer Häufigkeit.
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist der der gegenseitigen politischen Gespräche oder überhaupt der Information, der wegen des Fehlens der meisten neuzeitlichen Techniken nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. So erklärt sich - das scheint mir eine neue Erkenntnis zu sein - die Tatsache, daß Frauen in der Spätzeit der Republik in der Lage waren, große politische Wirkungen auszuüben: Weil in Rom, anders als in Griechenland, auch die Ehefrauen an den Gastereien teilnahmen, waren die Senatorenfrauen auf diese Weise am politischen Leben beteiligt und konnten daher auf die Politik einwirken. Sehr überzeugend geschildert wird die allmähliche Entpolitisierung der Gastmähler in der Kaiserzeit, bei denen es mangels wirklicher politischer Betätigung zunehmend nur noch auf die unmittelbaren Genüsse des Essens, Trinkens und anderer Unterhaltungen ankam. Daß sich mit den Gastmählern Dekadenzkritik verband, ist unmittelbar einleuchtend.
Allerdings verwundert die Beschränkung auf die römischen Verhältnisse, ohne daß auf deren griechische Parallelen oder sogar Vorstufen eingegangen wird. Die ausgiebig geschilderte Figur des Parasiten, der sozusagen berufsmäßig davon lebte, zu Gastmählern eingeladen zu werden, war ein ubiquitärer Bestandteil der griechischen Gesellschaft; die römische Taktlosigkeit, bei einer Einladung in Griechenland entgegen dem griechischen Brauch auf die Teilnahme der - schönen - Tochter des Hauses zu bestehen, erscheint bereits bei Herodot als Forderung persischer Symposionsgäste, die für diese tödlich endete; daß ein Gastmahl eine gute Gelegenheit ist, sich durch das Umbringen ahnungsloser Gäste seiner Feinde zu entledigen, wußte auch schon der persische Satrap Tissaphernes, der in der Schilderung Xenophons griechische Feldherren zu sich einlud und durch ihre Ermordung versuchte, griechische Söldnertruppen führungslos zu machen - natürlich konnte dasselbe Verfahren auch weit später angewandt werden, etwa bei der Abschlachtung der ägyptischen Mameluckenführer durch Mohammed Ali zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.
Vielleicht hängt mit der Beschränkung auf das Römische auch die Tatsache zusammen, daß die weiblichen Teilnehmer an den convivia zu undifferenziert betrachtet werden. Richtig wird, wie schon gesagt, die sich auch politisch auswirkende Teilnahme der Ehefrauen an bestimmten Gastmählern hervorgehoben. Aber es gab auch andere Teilnehmerinnen, und das nicht nur punktuell. Zwar wird gelegentlich eine "Kurtisane" oder ein "leichtes Mädchen" erwähnt, man braucht aber nur die Liebeslyrik des Horaz zu lesen, um festzustellen, daß die dort erscheinenden Teilnehmerinnen an Symposien das sind, was in Griechenland die Hetären waren. Bei Ovids Liebesdichtung unausgesprochen vorauszusetzen, daß die dort auftretenden Frauen verheiratete oder unverheiratete Angehörige der römischen Oberschicht waren, vernachlässigt die größere Wahrscheinlichkeit, daß auch sie eher jenem Berufsstand angehörten.
Gewiß wird man auch hier das in der Einleitung behandelte Problem beachten müssen, inwieweit Dichtung konkrete Verhältnisse wiedergeben kann - womöglich wird man verschiedene Arten von Gastmählern unterscheiden müssen. Jedenfalls zeigt sich, daß selbst eine so kompetente und inhaltsreiche Darstellung wie die vorliegende Raum für weitere Fragen gibt. Und das ist gut so.
WOLFGANG SCHULLER
Elke Stein-Hölkeskamp: "Das römische Gastmahl". Eine Kulturgeschichte. C. H. Beck Verlag, München 2005. 364 S., 18 Abb., 4 Kart., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Politik beim Pfauenfleisch: Elke Stein-Hölkeskamp liest den Speisezettel des römischen Gastmahls
In der Mitte des Buches läuft einem das Wasser im Munde zusammen, wenn von Leckerbissen und edlen Weinen an den Tischen reicher Römer die Rede ist. Man wird nur gelegentlich gebremst durch Gerichte wie Pfauenfleisch und Pfaueneier, aber vielleicht sind sie ja wirklich eine Delikatesse. Vorher schon erschauert man vor der Schilderung der kostbaren Räumlichkeiten, in denen diese üppigen Gastmähler stattfanden, oder vor der Beschreibung des Mobiliars und des kostbaren Tafelgeschirrs, von dem gespeist wurde (der Hildesheimer Silberfund hätte erwähnt werden können). Zur Plastizität des Buches trägt noch die Schilderung weiterer Realien über die Einladungspraxis, den Status und die Hierarchie der Gastgeber und Gäste und die Rolle der Frauen bei römischen convivia bei.
Die Namen berühmter Römer und Römerinnen ziehen an einem vorbei, der Quellenlage wegen am häufigsten Cicero, und ausgiebig werden Dichter wie Catull, Horaz, Ovid oder Petronius herangezogen. Mit Genuß liest man, wie die Phantasie des kaiserzeitlichen Dichters Lucan sich das erste Schlemmermahl zwischen Caesar und Kleopatra vorstellt und dabei beide Hauptakteure scharf tadelt, gleichzeitig aber unwillentlich die Praxis seiner eigenen Zeit etwa einhundert Jahre später als selbstverständlich voraussetzt.
Das Buch will aber mehr. Es will die Gastmähler der römischen Oberschicht als Spiegelbild oder Ausdruck der "Gesellschaft als Ganzes" und ihrer historischen Wandlungen verstehen. Dazu dient zunächst die Einleitung, die etwas umständlich auftritt und mit berühmten Namen nicht spart: Neben Fachwissenschaftlern sind das Marc Bloch, Bourdieu, Derrida, Elias, Foucault, Lévy-Strauss, während der eigentliche Text mit seinen konkreten und überzeugenden Aussagen auch ohne diese Eideshelfer auskommt. Mögen manche Ausführungen, etwa über die Einladungspraxis - möglichst miteinander harmonierende Gäste zu haben -, transkulturell-trivial erscheinen, so ist es doch wichtig, daß das Buch die zentrale Rolle der Gastmähler für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der römischen Oberschicht herausstellt, einschließlich der Tatsache ihrer Häufigkeit.
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist der der gegenseitigen politischen Gespräche oder überhaupt der Information, der wegen des Fehlens der meisten neuzeitlichen Techniken nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. So erklärt sich - das scheint mir eine neue Erkenntnis zu sein - die Tatsache, daß Frauen in der Spätzeit der Republik in der Lage waren, große politische Wirkungen auszuüben: Weil in Rom, anders als in Griechenland, auch die Ehefrauen an den Gastereien teilnahmen, waren die Senatorenfrauen auf diese Weise am politischen Leben beteiligt und konnten daher auf die Politik einwirken. Sehr überzeugend geschildert wird die allmähliche Entpolitisierung der Gastmähler in der Kaiserzeit, bei denen es mangels wirklicher politischer Betätigung zunehmend nur noch auf die unmittelbaren Genüsse des Essens, Trinkens und anderer Unterhaltungen ankam. Daß sich mit den Gastmählern Dekadenzkritik verband, ist unmittelbar einleuchtend.
Allerdings verwundert die Beschränkung auf die römischen Verhältnisse, ohne daß auf deren griechische Parallelen oder sogar Vorstufen eingegangen wird. Die ausgiebig geschilderte Figur des Parasiten, der sozusagen berufsmäßig davon lebte, zu Gastmählern eingeladen zu werden, war ein ubiquitärer Bestandteil der griechischen Gesellschaft; die römische Taktlosigkeit, bei einer Einladung in Griechenland entgegen dem griechischen Brauch auf die Teilnahme der - schönen - Tochter des Hauses zu bestehen, erscheint bereits bei Herodot als Forderung persischer Symposionsgäste, die für diese tödlich endete; daß ein Gastmahl eine gute Gelegenheit ist, sich durch das Umbringen ahnungsloser Gäste seiner Feinde zu entledigen, wußte auch schon der persische Satrap Tissaphernes, der in der Schilderung Xenophons griechische Feldherren zu sich einlud und durch ihre Ermordung versuchte, griechische Söldnertruppen führungslos zu machen - natürlich konnte dasselbe Verfahren auch weit später angewandt werden, etwa bei der Abschlachtung der ägyptischen Mameluckenführer durch Mohammed Ali zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.
Vielleicht hängt mit der Beschränkung auf das Römische auch die Tatsache zusammen, daß die weiblichen Teilnehmer an den convivia zu undifferenziert betrachtet werden. Richtig wird, wie schon gesagt, die sich auch politisch auswirkende Teilnahme der Ehefrauen an bestimmten Gastmählern hervorgehoben. Aber es gab auch andere Teilnehmerinnen, und das nicht nur punktuell. Zwar wird gelegentlich eine "Kurtisane" oder ein "leichtes Mädchen" erwähnt, man braucht aber nur die Liebeslyrik des Horaz zu lesen, um festzustellen, daß die dort erscheinenden Teilnehmerinnen an Symposien das sind, was in Griechenland die Hetären waren. Bei Ovids Liebesdichtung unausgesprochen vorauszusetzen, daß die dort auftretenden Frauen verheiratete oder unverheiratete Angehörige der römischen Oberschicht waren, vernachlässigt die größere Wahrscheinlichkeit, daß auch sie eher jenem Berufsstand angehörten.
Gewiß wird man auch hier das in der Einleitung behandelte Problem beachten müssen, inwieweit Dichtung konkrete Verhältnisse wiedergeben kann - womöglich wird man verschiedene Arten von Gastmählern unterscheiden müssen. Jedenfalls zeigt sich, daß selbst eine so kompetente und inhaltsreiche Darstellung wie die vorliegende Raum für weitere Fragen gibt. Und das ist gut so.
WOLFGANG SCHULLER
Elke Stein-Hölkeskamp: "Das römische Gastmahl". Eine Kulturgeschichte. C. H. Beck Verlag, München 2005. 364 S., 18 Abb., 4 Kart., geb., 29,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Viel über die antike Politik und Kultur hat Elke Stein-Hölkeskamps Buch über römische Gastmähler dem Rezensenten Gerhard Neumann verraten. Die Autorin und Althistorikerin widmet sich in erster Linie den Banketten der römischen Aristokraten, die zwischen der Zeit Ciceros und der des jüngeren Plinius lebten. Auf "drei Ebenen" zeigt sie zunächst die Funktionen des Gastmahls, geht dann auf literarische Darstellungen ein, um schließlich "mit eminenter Sach- und Quellenkenntnis die materialen Bedingungen" des Gastmahls zu erläutern. Besonders fasziniert zeigt sich der Kritiker von Stein-Hölkeskamps Art, das größte "Dilemma kulturhistorischer Argumentation" - nämlich den Mangel an "materialen Quellen als Korrektiv der literarischen - zu lösen. Mit "großer Umsicht" gleiche sie "Fiktion und Faktisches" gegeneinander ab. Das Buch weist nach Ansicht des Rezensenten jedoch noch ein weiteres Plus auf: Es ist bei aller "profunder" Wissenschaftlichkeit "gut und spannend" zu lesen und eröffnet dem Leser zudem zahlreiche "unbekannte Einsichten".
© Perlentaucher Medien GmbH
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